Christiane Hartleitner und Erich Weiß
In einigen, kleineren, vom Verkehr wenig frequentierten Bamberger Gassen hat sich tatsächlich noch altes Pflaster erhalten. Es ist von vielen Generationen Fußgängern und wenig Durchgangsverkehr bucklig geformt, hat die Lasten über die Jahrzehnte getragen, den Belastungen stand gehalten, hier und da ein wenig nachgegeben. Es hat dabei die ein oder andere Schramme abbekommen und wohl auch den ein oder anderen Absatz ruiniert.
Es gehört zu unserer Straße, die uns von Haus zu Haus begleitet. Wir nutzen es tagtäglich, treten es mit Füßen, übernehmen seinen Rhythmus und kennen die Stolperfallen. Wir kennen die Spiegelungen nach einem Regen und in der Nacht im Schein der Straßenlampen.
Und nun? Men at work. Mit Vehemenz arbeitet sich der Presslufthammer voran. Stück für Stück. Stein für Stein. Dank der Notwendigkeit von neuen Leitungen soll der komplette Pflasterbelag entfernt, aussortiert, weggeschmissen und durch neuen, weil besser zu reinigenden und zu begehenden, ersetzt werden.
Stein für Stein geht ein Stück Heimat verloren. Der Einspruch der Bamberger Kunsthändler gegen die Neupflasterung der Dominikanerstraße (und noch des weiteren Umfelds) ist gerechtfertigt.
Derweil werden die Pflastersteine aus dem Verbund gepresslufthämmert und in den Bagger gekippt.
Und vom Bagger in den Container erfolgt eine Entsorgung der alten Pflastersteine.
Es ist ein Jammer. Der achtlose Umgang mit geschichtsträchtiger Bausubstanz greift immer weiter um sich. Wird nicht gerade dieser Tage eine Ausstellung im Stadtarchiv beworben, die die Frage nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg stellt? Nun werden Stadtbilder – und der Pflasterbelag gehört zu diesem Straßenbild – zerstört, die 1945 überstanden haben: Es IST ein Jammer.
So wird jede Spurensuche sinnlos
In China sind bis heute Ornamente im Pflaster nachweisbar, die Geschichten erzählen sollen. Und nicht zuletzt dank seiner Pflasterkunst gilt die Piazza del Campo in Siena als einer der attraktivsten Plätze Europas, vereinigt die leicht abschüssige Form die Herkunft als Feld und die Segmente im Backsteinpflaster die Erinnerung an die Herrschaft der Neun. Wissen, das nicht nur der Phantasie Flügel verleiht, sondern bildet. Ein Pflaster, das Geschichten erzählt.
Auch das Bamberger Pflaster birgt Geschichten, man muss ihnen nur lauschen und sie verstehen. Der Beruf des Pflasterers hat sich hier erst im Mittelalter herausgebildet. Aus dem Großinventar der Stadt Bamberg (Gunzelmann: Stadtdenkmal, 2012) erfahren wir, dass zur Mitte des 15. Jahrhunderts bereits ein gepflastertes Wegenetz im innersten Stadtgebiet Bambergs existierte (S. 868), allerhand erfährt man über das widerstandsfähige „Tütschengereuther Pflaster“, das vornehmlich nicht aus Tütschengereuth stammt, sondern zunächst in der Bamberger Wolfsschlucht abgebaut wurde. Im Spätmittelalter hat sich sogar ein spezialisiertes Handwerk herausgebildet: der Pflasterer. Einer davon, Hannßen Gunthern von Virit, ist ab 1462 als Eigentümer eines Steinbruchs in Haid belegt, später wohl zusätzlich von dem in Viereth (S. 72). Er dürfte allerhand Material nach Bamberg geliefert haben, eben das „Tütschengereuther Pflaster“. Obige Abbildung zeigt die Molitorgasse mit der charakteristischen Verlegung des 18./19. Jahrhunderts in Reihen mit seitlichen Abwasserrinnen und ausgebildetem Traufpflaster.
Man kann noch einiges mehr erfahren: Dass nämlich mit dem Ausbau der Eisenbahn Mitte des 19. Jahrhunderts der örtliche Abbau und der Transport endet, dafür vermehrt auf noch widerstandsfähigere Pflastersteine gesetzt wurde, dass damals in Bamberg noch sechs Pflasterer nachgewiesen werden können, die fast alle in der Wunderburg wohnen. Dass sich im Laufe des 19. Jahrhunderts die Pflaster-Verlegung gewandelt hat, hiervon in Bamberg noch allerhand unterschiedlicher Pflaster-Verlegungs-Prinzipien erkennbar sind. Dass außer dem Reihenpflaster auch noch die Diagonalverlegung gibt, ja sogar Beton- und Vulkanolpflaster. Und noch vor dem ersten Weltkrieg erhielten einige Ecken segmentbogenartig verlegte Kleinstein-Granit-Pflaster. Man kann so viel nachlesen, dass man glatt Lust auf eine extra VHS-Tour zu den Pflaster-Verlegungs-Prinzipien in Bamberg bekommt …
Und nun das.
Was nur ist in unsere Entscheidungsträger gefahren?
Mit dem Herausreißen und Zerstören des Materials wird jede Spurensuche sinnlos. Die Substanz ist unwiederbringlich zerstört. Und dabei sind eine barrierefreie Straßengestaltung und Denkmalpflege keine gegensätzlichen Grundsätze. Die alten Pflastersteine wären durchaus wieder zu verwenden – wenn sie nicht mit dem Presslufthammer bei der Herausnahme aus dem Verbund in Stücke gesprengt würden. Man könnte sie wieder an ihren angestammten Platz legen, höhengleich. Und so ein Stück Geschichte bewahren. Und ein Stück Heimat.
Wie schon bei diversen anderen Sachverhalten (Brückenkosten, Extravaganzen des Kämmerers, …) fehlt den Bamberger Verantwortlichen jegliches Augenmaß.
Es hätte durchaus Sinn, die Pflasterungen – gilt auch auf der Sandstraße, denn der schmale geglättete Streifen reicht nicht – an der Oberfläche so zu behandeln bzw. zu gestalten, daß sie für Räder (Rollator, Einkaufstrolley, Kinderwagen, Tretroller, Rollstuhl, Fahrrad, …) angenehm zu befahren sind und keine Gefahr für Schuhabsätze darstellen. Andere Kommunen haben längst bewiesen, wie eine derartige Anpassung an moderne Nutzungen sehr wohl mit denkmalschützerischen Aspekten vereinbar ist.
Das Pflaster hingegen ohne Not herauszureißen, um eine andere Optik zu erzeugen, belegt lediglich Willkür nach Gutdünken.
Hurra!
Ist Euch schon mal aufgefallen, wie schwer sich behinderte und alte Menschen auf diesem grässlichen wenn auch historisch interessanten Pflaster fortbewegen?
Leider kann ich Deinem/Euren pathetischen Rückblick ins 15. Jahrhundert nichts abgewinnen!
Ich für meinen Teil hatte jedenfalls bereits eine Begegnung mit einer bewegungseingeschränkten älteren Dame, die angestrengt an einer Hauswand in der Altstadt lehnte, ihren in den Pflaster-Fugen verkanteten Rollator neben sich… also, mal langsam, es gibt immer verschiedene Sichtweisen! Immer schön beweglich bleiben!
Hurra!
Endlich wird Bamberg modernisiert. War sowieso längst überfällig!
Im Weltkrieg Numero Zwo wurde es versäumt Bamberg umfassend zu bombardieren, so dass sich die unpraktischen, altmodischen Gebäude in unsere Zukunft herüber retten konnten um zum Leidwesen vieler Touristen den Farbfilm auf den Erinnerungsfotos zu verschmutzen.
Und da nun endlich die Straßen und Gassen modernisiert werden, sollte man keine halben Sachen machen: der Dom muss Platz machen für ein Parkhaus! Und das Alte Rathaus wird aufgrund seiner infrastrukturell herausragenden Lage (jede Menge Wasser ringsrum) im Zuge der Neupflasterung und der Aktion „Kirchen zu Parkhäusern!“ zum Betonwerk.
Da hast aber nicht alle Tassen im Schrank, oder?