MEIN JÜDISCHER WEG – Ein Bamberger tritt aus dem Schatten des Nationalsozialismus

Bernd Wollschlaeger berichtet

Wo er auch auftritt, leidenschaftliche Plädoyers gegen Rassenhass und für eine Verständigung zwischen den Völkern sind überall Bernd Wollschlaegers Thema.

Die Basis dafür ist seine eigene, unglaubliche Geschichte, und die will er jetzt dort erzählen, wo sie vor über dreißig Jahren begonnen hat: in Bamberg. Er unternimmt damit eine Reise in eine dunkle Vergangenheit, mit der er für sich einen Kreis schließen will. Doch wie wird er aufgenommen werden von einer Gesellschaft, in der der von Schuldgefühlen gegenüber den Opfern des Holocausts geprägte Philosemitismus der jungen Bundesrepublik oft einem neuen Antisemitismus gewichen ist? Und warum ist er überhaupt selbst Jude geworden?

Bernd Wollschlaeger ist im friedlichen Nachkriegsdeutschland der Sechziger Jahre zunächst ein Junge wie jeder andere. Einzig die Besuche der Kriegskameraden seines Vaters, in denen die „gute alte Zeit“ beschworen wird, kommen ihm merkwürdig vor. Als er in der Schule das erste Mal vom Holocaust hört, beginnt er Fragen zu stellen – und bekommt Antworten, die ihn erschüttern. Bernds Vater war ein Panzerkommandant, Ritterkreuzträger, und ist einst „dem Führer“ überzeugt in den Krieg gefolgt. Er war überall an vorderster Front dabei: beim Einmarsch in Polen, der Besetzung Frankreichs, der Invasion Russlands. Das Ritterkreuz, das „sein Führer“ ihm angeheftet hatte, sollte er wie ein Heiligtum hüten.

Mit dem Attentat auf die israelische Olympiamannschaft 1972 beginnt Wollschlaeger sich für Juden zu interessieren – diese Juden, gegen die sein Vater so viele Vorurteile hatte. Bernd knüpft Kontakte zur damals noch sehr kleinen jüdischen Gemeinde in Bamberg. Sie wird seine zweite Familie neben dem Elternhaus. Dann aber stellt ihm sein Vater ein Ultimatum: „Wir oder sie“. Bernd entscheidet sich für Letzteres, tritt zum Judentum über, emigriert nach Israel, geht ins Medizincorps der israelischen Armee, wird Arzt und gründet eine Familie, mit der er in die USA zur Facharztausbildung weiterwandert. Seine eigene Familiengeschichte bleibt dabei zunächst Tabu. Doch eines Tages bricht er das Schweigen, und als daraufhin sein 14-jähriger Sohn in der jüdischen Schule, die er in Miami besucht, mit der „coolen story“ prahlt, dass sein Opa ein Wehrmachtsoffizier war, rufen Schuldirektor und Rabbiner den Vater zu einem Gespräch. „Diese Geschichte“, sagt der Rabbiner danach überwältigt, „darfst Du nicht für Dich behalten.“

„A German Life“ („Ein deutsches Leben“) nennt Bernd Wollschlaeger seine bewegende Autobiografie, die er in englischer Sprache schrieb und publizierte, und die ins Hebräische übersetzt wurde. Er tritt für die Verständigung zwischen Juden und Arabern ein und kämpft gegen Vorurteile, Rassismus und natürlich auch Antisemitismus. Und seit Jahren erzählt er seine Geschichte in der ganzen Welt: vor Holocaustüberlebenden in Israel, an Universitäten in den USA, Kanada, Südafrika und Europa. Doch bisher nie in Deutschland. Jetzt, fast 70 Jahre nach dem Holocaust, in Tagen, in denen überall in Europa ein neuer Antisemitismus ausbricht, will Bernd Wollschlaeger in seine Heimatstadt Bamberg zurückkehren.

Die Idee zu der Reise nach Deutschland begann, als der deutsch-israelische Filmemacher und Journalist Uri Schneider auf den Mitschnitt eines Vortrags Bernd Wollschlaegers vor Überlebenden des Holocausts in New York stieß. Fasziniert von der Biografie und dem Charisma Wollschlaegers wandte sich Schneider an die ARD mit dem Vorschlag, eine Reise Wollschlaegers nach Deutschland mit der Kamera zu begleiten.

Hierzu kommt es nun. Bei seinem Recherchebesuch im letzten Sommer, bei dem auch Bernd Wollschlaeger zu Gast in Bamberg war, trat Uri Schneider an die Israelitische Kultusgemeinde Bamberg heran – der Ort, an dem Bernd Wollschlaegers jüdischer Weg begann. Umgehend wandte sich die IKG Bamberg an die Willy-Aron-Gesellschaft Bamberg, die sich nicht nur für Bernd Wollschlaegers Faszination für den deutschen Widerstand während des Zweiten Weltkriegs, sondern auch für sein bildungspädagogisches Engagement gegen Rechtsextremismus und Rassismus sehr empfänglich zeigte.

Die Willy-Aron-Gesellschaft und die Israelitische Kultusgemeinde – mit dem ihr angegliederten Jüdischen Lehrhaus – veranstalten nun gemeinsam Bernd Wollschlaegers ersten Vortrag vor einem Publikum in Deutschland. Wollschlaeger wird am Abend des 21. Januar im großen Saal der Bamberger Volkshochschule vors Publikum treten. Die Veranstaltung findet außerdem in Kooperation mit den Instituten für Anglistik und Germanistik der Universität Bamberg statt. Im Anschluss an den Vortrag treten Studenten und Gäste in ein Gespräch mit dem Referenten.

Doch damit nicht genug. Veranstalter und Filmemacher haben sich noch Weiteres einfallen lassen: Wollschlaeger wird zwei Schulen in Bamberg besuchen, das Kaiser-Heinrich-Gymnasium und die Martin-Wiesend-Schule, um herauszufinden, wie junge Deutsche heute über Judentum, Toleranz und Ausländerfeindlichkeit denken. Was meinen sie zu „Pegida“? Wie begegnen sie dem neuen Antisemitismus? Zudem wird Wollschlaeger seine Geschichte in zwei ländlichere Gemeinden, nach Königsfeld (Landkreis Bamberg) und ins oberpfälzische Auerbach tragen, wo ihn Bürger und Pfarrgemeinden mit Spannung erwarten.

Eines ist schon jetzt sicher: für Bernd Wollschlaeger selbst wird es eine bewegende Reise werden. Seit fast 30 Jahren lebt er nun außerhalb Deutschlands, zuerst in Israel und dann in den USA. Seit vielen Jahren lebt er mit seiner Familie als Arzt in Miami. Unter seinen Patienten: zahlreiche Israelis, die wie er nach Florida ausgewandert sind. Viele von ihnen sind Holocaustüberlebende oder Kinder von Menschen, die durch die KZs gegangen sind. Manche können es sich nicht vorstellen, je wieder deutschen Boden zu betreten. Doch Wollschlaeger hört nicht auf, sie hierzu immer wieder zu ermuntern.

Termine

  • Auerbach: 20. Januar 2015 um 20 Uhr. Ort: Kolpinghaus, Dr. Heinrich-Stromer-Straße 31, 91275 Auerbach
  • Bamberg: 21. Januar 2015 um 19:30 Uhr (Einlass ab 19 Uhr), freier Eintritt. Ort: VHS Bamberg im alten E-Werk (Großer Saal)
  • Königsfeld  Landkreis Bamberg: 22. Januar 2015 um 20 Uhr. Ort: Katholisches Pfarramt Königsfeld, Jakobsberg 3, 96167 Königsfeld

Uri Schneiders Fernsehdokumentation soll um den 70. Jahrestag des Kriegsendes in der ARD ausgestrahlt werden.