Skandale als Spiegelbild der Gesellschaft

Bamberger Germanistikprofessorin erforscht Literaturskandale

Egal, ob bewusst inszeniert oder unglücklich entstanden: Ein Literaturskandal erregt die Gemüter. Die dadurch entstehende Normendiskussion um Werte und Tabus erzählt viel über eine Gesellschaft und hält ihr den Spiegel vor. Die Bamberger Germanistikprofessorin Andrea Bartl erforscht das Phänomen des Literaturskandals, um mehr über die Leitlinien einer Gesellschaft zu unterschiedlichen Zeiten zu erfahren.

Sex sells: Nach dem großen Erfolg von „Feuchtgebiete“ lief vor Kurzem auch der zweite Roman von Charlotte Roche („Schoßgebete“) im Kino an. Sowohl der Roman als auch der prominent besetzte Film bergen ein hohes Skandalpotential, indem sie weibliche Sexualität unkaschiert in den Fokus rücken. Andrea Bartl brachte zusammen mit ihrem Doktoranden Martin Kraus zwei Sammelbände zu Skandalautorinnen und -autoren heraus. Darin vertreten sind, neben rund 50 anderen literarischen Texten, auch die Romane von Charlotte Roche.

Die Professorin für Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Bamberg möchte mit den beiden umfassenden Publikationen die Mechanismen und Strukturen hinter Literaturskandalen aufdecken und zudem die historisch gewachsenen Verbindungen zwischen Literatur, Skandal und den jeweiligen Skandalautorinnen und -autoren nachzeichnen.

Die Beiträge der Sammelbände zeigen außerdem, dass es unterschiedlich strukturierte Auslöser gibt, die zu Literaturskandalen führen können. Während Charlotte Roche inhaltlich schockiert, indem ihre Protagonistin offen über Sexualität und weibliche Hygiene spricht, erregt die Jungautorin Helene Hegemann die Gemüter, indem sie gegen den Ehrenkodex der Literatur verstößt: Ihr zunächst hochgelobter Debütroman „Axolotl Roadkill“ geriet 2010 in heftige Kritik, als sich der Text als Plagiat entpuppte.

Eine weitere Besonderheit der Sammelbände: Die Texte gehen bis in die Anfänge der Literaturgeschichte zurück. Vom Mittelalter spannt sich der Bogen über die Renaissance in die Neuzeit bis hin zur Gegenwart. Damit zeigt sich außerdem, dass es Skandale zu allen Zeiten gab.