Redaktion
Die Wanderausstellung „Widerstand in Bamberg“, so Dietzfelbinger vom Dokumentationszentrum am Reichsparteitagsgelände in Nürnberg, bietet „Denkanstöße gegen die Gleichgültigkeit und gegen das Wegsehen“. Die Wanderausstellung ist das Ergebnis einer Kooperation E.T.A.-Hoffmann-Theater, Willy-Aron-Gesellschaft e.V., Initiative Widerstands-DokuZentrum, Förderkreis zur Pflege des Erinnerns an Hans Wölfel e.V., KEB – Katholische Erwachsenenbildung in der Stadt Bamberg e.V., Diözesan-Erwachsenenbildungswerk im Erzbistum Bamberg, SPD Bamberg und ist bis 9. März im Foyer des Theaters zu sehen. Sie widmet sich zentralen Themenfeldern, wie der gesellschaftlichen Struktur während der NS-Zeit, der Situation von Justiz und Kirche, jeweils mit Hauptaugenmerk auf Bamberg.
Daher bebildert mit zahlreichen eindrucksvollen historischen Schwarz-Weiß-Photos, die bislang einer breiten Öffentlichkeit wenig bis nicht bekannt sein dürften: der Maxplatz als Aufmarschplatz der Nazis, die Rathausfront mit dem „Altar“ für Hitler – der weitverbreitete Missbrauch des öffentlichen Raums. In einem zweiten Teil widmet sie sich den Biographien dreier bekannter Bamberger Persönlichkeiten Willy Aron, Hans Wölfel und Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Insgesamt besteht die Wanderausstellung aus einem Dutzend mobiler Roll ups – ist demnach hervorragend für Schulen geeignet – und kann entliehen werden. Bitte um Kontaktaufnahme vorstand@willy-aron-gesellschaft.de!
Die grundsätzlichen Gedanken des Gedenkens und der steten Aufarbeitung und ihrer Verpflichtung in heutiger Zeit widmete sich der promovierte Politologe und wissenschaftliche Mitarbeiter des Dokumentationszentrums auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg, Eckart Dietzfelbinger. Diesen soll anschließend umfassend Raum und Rechnung getragen werden:
Von Eckart Dietzfelbinger
Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus ist nach der deutschen Wiedervereinigung zu einem festen Bestandteil der kollektiven Erinnerung der Deutschen geworden und heute nicht mehr umstritten. Alljährlich findet im Berliner Bendlerblock und in der Hinrichtungsstätte Plötzensee eine öffentliche Würdigung statt, die – wie alle Erinnerungsrituale – stets gleich verläuft: Empfänge, Ansprachen, Totenehrung, Nationalhymne, Totenehrung mit Gedenkworten und Gedenkrede, Trompetensolo „Ich hatt’ einen Kameraden“, Ehrenformation der Bundeswehr mit Kranzniederlegungen in Anwesenheit der Angehörigen und Nachfahren. Dabei wird oftmals die Überzeugung ausgedrückt, die Werte und Ziele der Regimegegner hätten ihren endgültigen Niederschlag im Grundgesetz gefunden.
Lange Zeit war das jedoch nicht so. Das kulturelle und politische Klima in der Nachkriegszeit war von heftigen Auseinandersetzungen über den Widerstand geprägt. Jahrzehnte stritten in beiden deutschen Staaten Vertreter aus Staat, Politik und Gesellschaft, zwischen den Generationen, Parteien und Konfessionen um „schwarze und weiße Stränge“, um demokratische Traditionen, um „Tradition und Erbe“, schließlich sogar um den Stellenwert von „Auschwitz“, um Schuld, Versagen und Verantwortung. Dabei ging es um Ziele eines Widerstands, der Kommunisten, Sozialdemokraten und Christen ebenso Konservative, Angehörige der Eliten, Adelige und „kleine Leute“ oder ein paar Jugendgruppen wie man sagte, zu Gegnern des Regimes gemacht hatte. Sie verband der Wunsch, Hitler und seine Herrschaft zu beseitigen. Dieser oftmals sehr vehement ausgetragene Streit um den „Besitz“ an der Geschichte des Widerstands hielt bis in die 1990er Jahre hinein an. Auch in anderen Ländern wie z.B. Frankreich, England oder Polen gab es darüber Kontroversen.
Der heutige Kenntnis- und Forschungsstand über den Widerstand gegen den Nationalsozialismus verdeutlicht, dass die Vielfalt der Widerstandsmanifestationen und -dimensionen“ keine harmonisierende Gesamtschau“ gestattet, und dass der Widerstand in seiner ganzen Breite und Vielfalt, aber auch Widersprüchlichkeit zu zeigen ist.*
Er repräsentierte das gesamte politische Spektrum, reichte von ganz links bis ganz rechts, umschloss jung und alt, Frauen und Männer, Christen und Atheisten und war doch Sache einer winzigen Minderheit. Die Gestapo schätzte die Zahl ihrer Gegner aus allen Gesellschaftsschichten auf zwei Promille der Gesamtbevölkerung, das entspricht etwa 25.000 Menschen bei einer Bevölkerungszahl von 62 Millionen Menschen, die 1933 in Deutschland lebten. Sie setzten sich insbesondere für die Rettung von Juden ein, versorgten oder versteckten sie unter Lebensbedrohung.
In anderen Ländern wie in Frankreich oder Polen gab es wesentlich stärkere Oppositionsgruppen gegen die deutsche Besetzung.
Der Widerstand im „Dritten Reich“ lässt sich in drei Phasen einteilen: In der ersten wurde er hauptsächlich von den Untergrund- und Exilorganisationen der Arbeiterbewegung getragen. Hieran schloss sich eine zweite Phase mit vergleichsweise geringer Aktivität an, in der sich die Opposition im bürgerlichen Lager zu sammeln begann. Nach dem Angriff auf die Sowjetunion gewann der Widerstand wieder deutlich an Kraft. Diese dritte Phase endete mit dem Scheitern des Staatsstreichs vom 20. Juli 1944.
Arbeiterwiderstand, 1933 – 1936
Wie die bürgerlichen Parteien unterschätzte auch die politische Linke den „Führer“ der NSDAP und war deshalb auf den Widerstand gegen die NS-Diktatur nicht vorbereitet. Nur die KPD sah sich infolge der massiven polizeilichen Verfolgung gezwungen, sofort illegale Kader aufzubauen. Sie war im Untergrund wie keine andere Gruppe dem NS-Terror ausgesetzt. Noch 1933 wurde die überwiegende Mehrheit der bedeutenden KPD-Funktionäre ermordet, verhaftet (Anfang Juli 1933 saßen 12.000–15.000 Kommunisten in Haft) oder in die Emigration getrieben. Die rigorose Verfolgung gegen in Deutschland tätige kommunistische Untergrundzellen hielt bis 1945 an (Bästlein-/Jacob-Gruppe, „Rote Kapelle“ u.a.), die Beteiligten wurden meist hingerichtet.
Ein zweiter Hauptträger des Widerstands in der Frühphase waren illegale Zirkel ehemaliger SPD-Mitglieder und Gewerkschafter, sowie weitere kleine sozialistische Gruppierungen wie die Sozialistische Arbeiterpartei (SAP), die Gruppe Neu Beginnen (NB) und der Internationale Sozialistische Kampfbund (ISK). Es konnte ein Informationsnetz zwischen den Gruppen in Deutschland von 1934 – 1940 zu Parteimitgliedern im Ausland und dem Exilvorstand in Prag und Paris bis 1940 gehalten werden (SOPADE). Danach ging es für die sozialdemokratischen Zellen primär um den Überlebenskampf. Die Gestapo infiltrierte die illegalen Gruppen und zerschlug sie bis 1936 fast ausnahmslos.
Das erste Opfer, das der NS-Terror in Bamberg forderte, war der Sozialdemokrat Willy Aron (*1907). Weil er von den Nazis beschuldigte Genossen vor Gericht verteidigt hatte, wurde er am 15. Mai 1933 verhaftet und in das KZ Dachau deportiert, wo er vier Tage später an den schweren Misshandlungen starb, die ihm dort zugefügt worden waren.
In der Zwischenphase, von 1936–1941, entstand eine Opposition von Militärs und Zivilisten, die auf Grund ihrer internen Kenntnisse Hitlers verhängnisvollen Kriegskurs durchschauten. Jetzt begannen sich die Kreise zu bilden, die später Träger von Opposition und Widerstand sein sollten: der Goerdeler-Kreis, die Schulze-Boysen/Harnack-Organisation („Rote Kapelle“), der Kreisauer Kreis und die Militäropposition.
Es gab verschiedene Attentatsversuche. Der 21-jährige jüdische Architekturstudent Helmut Hirsch plante einen Bombenanschlag während des Reichsparteitags 1937. Er wurde denunziert, verhaftet und trotz internationalem Protest hingerichtet.
Den Höhepunkt dieser Phase bildete eine Einzelaktion: das gescheiterte Attentat Georg Elsers auf Hitler am 8. November 1939 im Münchner „Bürgerbräukeller“. Es war der einzig schwerwiegende Attentatsversuch gegen Hitler vor 1943, d.h. vor der Kriegswende zugunsten der alliierten Streitkräfte. Elser wurde verhaftet und auf persönlichen Befehl Hitlers im April 1945 im KZ Dachau erschosssen.
Widerstand im Krieg 1941 – 1945
Der Hitler-Stalin-Pakt hatte die sozialistischen und kommunistischen Kräfte völlig gelähmt. Der deutsche Überfall auf die Sowjetunion war für sie das Signal, sich neu zu formieren. U.a. bildeten sich die Uhrig-Römer- und die Saefkow-Jacob-Organisation. Erneut wurden die Kader von der Gestapo enttarnt und zerschlagen, ebenso wie die „Rote Kapelle“ und die studentische Widerstandsgruppe „Weiße Rose“. Hunderte wurden hingerichtet.
Erst der sich abzeichnende territoriale kompromißlose Kriegskurs des NS-Regimes gegen eine überlegene alliierte Koalition führte dazu, daß sich aus der Rechten und der bürgerlichen Mitte, deren Mehrheit die Zerstörung der Weimarer Republik begrüsst hatte und den außenpolitischen Zielen Hitlers und den rassistischen NS-Theoremen zustimmte, einzelne Widerstandsgruppen bildeten. Sie arbeiteten seit Sommer 1938 konsequent an der Planung und Vorbereitung eines Staatsstreiches und knüpften dazu auch Kontakte ins Ausland, z.B. zum Vatikan oder zur britischen Regierung. (Admiral Wilhelm Canaris, Oberst Hans Oster; Carl Goerdeler, Ludwig Beck, Chef des Generalstabes, Fritz Dietlof Graf von der Schulenburg u.a.). Jedoch standen sie der überwiegenden Mehrheit von höheren Rangträgern der Wehrmacht gegenüber isoliert da. Deshalb setzten mehrere Widerständler auf ein Attentat gegen Hitler.
Der Militärputsch vom 20. Juli 1944 war trotz seines Scheiterns die einzige Widerstandsaktion mit der realistischen Chance, das Regime zu beseitigen und damit den sinnlos gewordenen Krieg zu beenden. Die Nationalsozialisten nutzten den „20. Juli“ zur blutigen Abrechnung mit der Opposition.
Die Kirchen,
sowohl die protestantische wie die katholische, lehnten von Anfang an Widerstand gegenüber dem antichristlichen NS-Regime ab. Sie waren in erster Linie darum bemüht, sich mit den NS-Machthabern für die Erhaltung des kirchlichen Raumes zu arrangieren und diesen zu bewahren. Deshalb vermieden sie ernsthafte Konfrontationen.
Deutliche Proteste kamen von Einzelpersonen, wie z.B. Martin Niemöller von der Bekennenden Kirche oder von dem Münsteraner Bischof von Galen, sowie von wenigen hundert katholischer Priestern und, deutlich weniger, evangelischen Geistlichen. Die gegen das NS-Regime engagierten Christen, von denen einige die Verbindung zu dem Stauffenberg-Kreis des 20. Juli suchten, wurden meist verhaftet oder hingerichtet, wie Dietrich Bonhoeffer.
Ernste Bibelforscher,
als „Zeugen Jehovas“ bezeichnet, wurden von den Nationalsozialisten aufgrund ihres Bekenntnisses zur Kriegsdienstverweigerung und der vermeintlichen Affinität zu Judentum unerbittlich verfolgt und bekämpft. Trotz Verbots trafen sich die Bibelforscher unter Anwendung konspirativer Techniken, knüpften Kontake zu ihren Auslandsorganisationen und entwickelten eine reichsweite publizistische Untergrundaktivität, die aber nicht auf eine Veränderung der politischen Ordnung, sondern auf Glaubensfreiheit zielte. Nahezu 10.000 Ernste Bibelforscher wurden für unterschiedlich lange Zeit inhaftiert über 2000 in KZs deportiert. Die Zahl der Todesopfer liegt bei 1200, von denen ca. 250 überwiegend aufgrund wehrmachtgerichtlicher Verurteilung wegen Kriegsdienstverweigerung exekutiert wurden. Von allen religiösen Gruppen wurden die „Zeugen Jehovas“ am härtesten verfolgt.
Franken
Für Franken ist besonders der Widerstandskreis um Ernst Niekisch, den Herausgeber der nationalbolschewistischen Zeitschrift „Der Widerstand“ zu erwähnen. Ihm gehörte auch Joseph Drexel, der spätere Herausgeber der Nürnberger Nachrichten, und Joseph Tröger an. Der Kreis traf sich zu wöchentlichen Zusammenkünften an verschiedenen Orten in Nürnberg und Umgebung und organisierte einen eigenen Informationsdienst. Die Gruppe flog 1937 auf, über 70 Personen wurden in Großstädten wie Berlin, Leipzig, Breslau und Hamburg festgenommen. Niekisch, Drexel und Karl Tröger wurden verhaftet; Niekisch zu einer lebenslangen Zuchthausstrafe, Drexel zu einer mehrjährigen Zuchthaustrafe, Tröger zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Er wurde nach seiner Entlassung 1944 erneut verhaftet und in das KZ Mauthausen, dann in das KZ Flossenbürg deportiert und im Januar 1945 freigelassen.
Darüber hinaus gab es in Franken Einzelpersonen, die widerständig dachten oder Widerstand leisteten. Zu ihnen gehörte der konservative Rechtsanwalt Hans Wölfel aus Bamberg, der sich in der katholische Laienbewegung engagierte. Er war als Gegner und Kritiker des NS-Regimes bekannt. Als er während seines Urlaubs 1943 im Verwandten- und Bekanntenkreis freimütig Zweifel am siegreichen Ausgang des Krieges äußerte, wurde er denunziert und am 12. Oktober 1943 verhaftet. Der 6. Senat des Volksgerichtshofs verurteilte Wölfel in der Hauptverhandlung am 10. Mai 1944 im Landgerichtsgebäude in Potsdam zum Tod wegen „Wehrkraftzersetzung“. Die Hinrichtung erfolgte am 3. Juli 1944 im Exekutionsgefängnis Brandenburg a.d. Havel.
Abschließend noch ein Fall aus den letzten Kriegswochen
Im Frühjahr 1945 kam erreichte der Besetzung Frankens durch die US-Armee der Bodenkrieg Franken. Es gab verschiedene widerständige Aktionen gegen Anordnungen der Partei oder Wehrmacht, die weniger politisch oder ideologisch begründet waren, sondern vielmehr auf der Erkenntnis der Aussichtslosigkeit der miltärischen Lage beruhten. Hierfür steht der Fall Robert Limpert in Ansbach, der der katholischen Jugendbewegung angehörte. Wegen seiner Ablehnung des Nationalsozialismus war er aus der Oberklasse des Gymnasiums entlassen und gezwungen worden, sein Abitur andernorts abzulegen. Mit einigen gleichgesinnten Kameraden ging er im April 1945 zum aktiven Widerstand über. Er verfasste Flugblätter, in denen er beim Einzug der Amerikaner zum Hissen der weißen Fahne und zur kampflosen Übergabe der Stadt aufforderte. Obwohl feindliche Verbände den Verteidigungsgürtel bereits durchbrochen hatten, beabsichtigte der Kampfkommandant von Ansbach, die Stadt „bis zur letzten Patrone“ zu verteidigen. Da entschloß sich Limpert, das Kabel, das den Gefechtsstand des Kommandanten mit der Truppe verband, zu durchschneiden. Dabei beobachteten ihn zwei Hitlerjungen und denunzierten ihn. Limpert wurde verhaftet und durch ein eilends einberufenes Standgericht zum Tode durch den Strang verurteilt. Limpert wurde neben dem Rathauseingang vom Kommandanten Meyer selbst gehenkt, sein Wunsch nach einem Geistlichen abgelehnt. Wenige Stunden später besetzten US-Truppen die Stadt. Sie fanden Limperts Leiche und waren schokiert.
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* Peter Steinbach, Johannes Tuchel (Hg.), Widerstand gegen die nationalsozialistische Diktatur 1933–1945, Berlin 2004, S. 342