Johanna Gebhardt
Auch im Winter wird gern gejoggt und gewalkt. Nur – weil es dunkel ist – muß man ja nicht auf seine Fitness verzichten, auf die Lust, an der Luft und in der Natur zu sein. Um sich den Arbeitstag aus den Knochen zu schütteln oder die Schwimmbad-Figur nach Weihnachten wiederherzustellen. Der guten Gründe gibt es viele.
Und das Marketing hat in den letzten Jahren auch hier nicht geschlafen. Neben Laufschuhen, Laufsocken, diversen Trainingshosen, Funktionsunterwäsche und allerlei atmungsaktiven Hemden und Jacken, Kopfbedeckungen und Befestigungen für die Unterhaltungselektronik ist nun noch ein Körperteil entdeckt worden, das mit einem für das Laufen notwendigen Utensil bestückt werden kann: die Gruben-, äh Stirnlampe. Was bereits bei schlappen 17 Euro beginnt, kann auch gern über 100 kosten.
Sie laufen noch ohne? Wie finden Sie denn dann beim Winterlauf in der Dämmerung durch die Straßen oder durch den Hain, über die Altenburg oder durch den Michelsberger Wald? Sie dachten, solche Lampen seien für Stollen und Gruben? Aber nicht doch. Wie eine Krone über allen Laufklamotten und -gerätschaften ist die Lampe zu befestigen, mit der Sie Ihren Weg finden. Sie fahren ja auch nicht ohne Licht – weder Fahrrad noch Auto. So finden Sie garantiert jede Wurzel, über die Sie sonst gestolpert wären. Man kennt zwar den Weg seiner Strecke, aber man weiß ja nie. Sicher ist sicher.
Mal von der anderen Seite betrachtet: jener der Entgegenkommenden. Es soll ja rückständige Leute geben, die keine haben. Bestimmt, weil sie nicht up-to-date sind. Völlig hinterher also. Oder es sich nicht leisten können? Daß die überhaupt noch im Dunkeln laufen dürfen, ist ja schon bedenklich genug. (Nebenbei bemerkt: Sollten wir generell vielleicht darüber nachdenken, normale Fußgänger künftig in der Nacht mit Lampenzwang zu belegen? Zu deren eigener Sicherheit! Außerdem: DAS sind Märkte für die Wirtschaft!)
Man sieht den heimlich auf leisen Sohlen auf einen zujoggenden Unbelampten nicht
Sie könnten ja in jemanden MIT Lampe reinlaufen. Man hat Sie ja schließlich nicht gesehen, nicht sehen können. Laufen einfach lautlos auf einen zu. Und der Grubenlampenbewehrte sieht zwar den hüpfenden Lichtkegel vor sich auf dem Weg, aber die Umgebung drumrum wird durch den harten Lichtschnitt umso dunkler. Da sieht man den heimlich auf leisen Sohlen auf einen zujoggenden Unbelampten natürlich nicht. Dafür hat der Lampenlose umsomehr davon: Man erkennt den Lampenträger schon auf 1–2 km Entfernung. Die Lichtstärke ist vergleichbar mit den Scheinwerfern eines Pkw. Daß es ein Läufer sein muß, der sich ohne Lampe nicht mehr aus dem Haus traut, erkennt man am Hüpfen – nein, nicht der Läufer, aber sein Schein. Die meisten Autos bewegen sich nicht auf und ab. Dem Entgegenkommenden wird leicht schwindlig von der unsteten Bewegung des Lichts. Je näher der Lampenläufer kommt, desto greller wird’s. Begegnen sich die beiden, sieht der ohne Lampe nicht mal das Gesicht des modern Ausgestatteten, der Erleuchtete aber schon. Schade, daß man meist aneinander vorbeiläuft. Wäre ja nett gewesen. Vielleicht könnte man sich das nächste Mal im Hellen ja grüßen. Ist die Begegnung vorbei, hat der Unbelampte noch minutenlang was von dem Treffen. – Einen penetranten Schein im Auge. Vielleicht fühlt es sich so an, wenn man bei der Polizei im Verhörstübchen sitzt?
Dabei reicht das Licht rund um die meisten unseren Städte und Dörfer, auch Lichtverschmutzung genannt, selbst bei Neumond locker aus, um sich mit halbwegs normalen Augen durch die Nacht zu bewegen. Das Auge sammelt das Restlicht ein und es sieht erstaunlich viel. Es hat sogar seinen eigenen Charme, bei Nacht zu wandeln. Man schaut intensiver und hört genauer, die Sinne werden geschärft. Und wenn man im Dunkeln Angst hat, – genügt es dann, mit Lampe zu laufen, um sie loszuwerden?
Ich verstehe Menchen, die in ihren dunkleren Stunden schon mal in Versuchung geraten, ob sie den Ausrüstungsfetischisten nicht wünschen sollen, sie mögen im Winter doch lieber daheim bleiben, wenn dem Outdoor-Bewegungsdrang ohne Batterien nicht mehr nachgegangen werden kann. Im Frühjahr kann man sich beim Laufen dann wieder blendfrei anlachen und grüßen.
In Anbetracht der Tatsache, dass viele Fußgänger, Kinder und Hunde teilweise hinsichtlich Ihrer Wahrnehmung häufig doch sehr abgelenkt sind von Ihrer Umwelt, ist man als Läufer häufig doch sehr froh, dass man auch mit extrem hellen Stirnlampen laufen kann. Selbst tagsüber reagieren viele Fußgänger ja schon nicht, obwohl man mehrere hundert Meter auf sie zuläuft!
Auf ein absichtliches Blenden sollte natürlich verzichtet werden.
Auch für „schlappe 17 €“ gibt es neigbare Stirnlampen, die problemlos so eingestellt werden können, wie es auch z. B. für Fahrradleuchten oder PKW-Scheinwerfer möglich ist: Weg beleuchten, Blenden vermeiden. Wenn mir jemand mich blendend begegnet, bringe ich das – sofern möglich – kurzerhand zur Sprache.
Die Lichtverschmutzung ist ein ganz anderes Thema und da sind Stirnlampen von Joggern – wenn überhaupt – ein Tropfen im Ozean.