Christiane Hartleitner
Unter dem Titel „ Automaten, Maschinen, Manufakturen“ erweckte der Bamberger Autor Peter Braun mit seiner Lesung am 1. September die Qualen der Arbeiterschicht zu Beginn der Maschinisierung im 19. Jahrhundert zum Leben. Bestens bewandert in den Editionen seiner Vorgänger und -bilder wählte er immer wieder solche, die sozialkritisch den Wandel der damaligen Lebenswirklichkeit darlegten. Dankbar vernahm der Zuhörer, dass auch der für wenige Jahre in Bamberg lebende E.T.A. Hoffmann dazu gehörte. So durften Auszüge aus Hoffmanns Erzählung Die Automate, aus dem Sandmann und aus den Tagebüchern den Anfang der klug aufbereiteten Lesung machen. Parallel zu diesen webte Braun gleichsam einen Teppich der zentralen Ereignisse jener Zeit, verknüpfte Erfindungen, Entdeckungen und Ereignisse miteinander – und entführte so den Zuhörer auf eine Zeitreise, die den Schauer des Grauens erweckte.
„Friede den Hütten! Krieg den Palästen!“
Schließlich hatte sich auf den Schultern der Massen der unteren Schichten die Industrialisierung aufgeschwungen: die sklavischen Arbeitsbedingungen, die Allgegenwärtigkeit der leblosen Maschinen, die Entmenschlichung des Alltags und des sozialen Miteinanders waren die Folgen. Folgen, die Georg Büchner unter anderem in seinem Woyzeck verarbeitete, ein Stück, das Bert Brecht noch nachhaltig beeindrucken sollte. All dies sind Fäden, die Braun miteinander verstrickte. Und dem Zuhörer die Folgen des Büchnerschen Engagements nicht erspart: ein kurzes Leben auf der Flucht.
Natürlich darf ein Kettfaden in diesem Gewebe nicht fehlen: Heinrich Heine und das Weberlied Die schlesischen Weber. „1844 hatten schlesische Weber die Weberei eines Fabrikanten angegriffen und die mechanischen Webstühle zerstört, die ihnen Lohn und Brot nahmen, weil sie Waren billiger herstellten als ihre klapprigen Handwebstühle“, so Braun. „Die brutal niedergeschlagene Rebellion der Weber hatte nicht nur Gerhart Hauptmann angeregt.“
Nein, Braun zeigte kein buntes Kaleidoskop von Erfolgen der Industrialisierung, wie etwa Produktionszahlen, Umsätze, Exporte und Importe, nicht die Nutznießer kamen zu Wort, sondern Autoren, die die dunkle Seite der Industrialisierung anklagten. Umgeben von der Ausstellung zur ERBA gelang ihm ein Brückenschlag zu Bamberg, denn „14 Jahre nach dem Aufstand der schlesischen Weber wird die mechanische Baumwoll-Spinnerei und Weberei Bamberg, ERBA, gegründet.“
Überhaupt ist der Besuch der Ausstellung, die im vergangenen Jahr noch ein zentraler Anlaufpunkt der Landesgartenschau war, zu empfehlen. Dem Gaustadter Bürgerverein ist es mit seiner Vorsitzenden Daniela Reinfelder gelungen, die Ausstellung in die eigenen Räumlichkeiten zu übernehmen (hier). Die ehemalige Schule, spätere Post, ist heute ihr Zuhause. Selbstverständlich nicht hierfür konzipiert, doch die Aufstellung zeugt von Einfühlungsvermögen, dem Willen, sich der eigenen Gaustadter Geschichte zu vergegenwärtigen und ist bisweilen sehr rührend. Sie ist jeden ersten Sonntag im Monat in der Zeit von 11 bis 14 Uhr zu besichtigen. Schulklassen, Studenten und Gruppen können aber auch einen individuellen Termin beim Bürgerverein Gaustadt vereinbaren.
Kompliment für die gelungene Veranstaltung – und den Teppich der Erkenntnis.
Empfehlung zum Nachlesen von Peter Braun:
E.T.A. Hoffmann, Dichter, Zeichner, Musiker
Hörbuchreihe für Jugendliche „Dichterköpfe“, CD „Büchner“
Literaturgeschichte für Jugendliche „Von Taugenichts bis Steppenwolf“
Danke an Christiane Hartleitner für den super Artikel und gut dass es die Bamberger-Online-Zeitung gibt!