Preßlufthammer gegen Goldammer. Theo Breuer hat das Glück, bei tiefblauem Himmel einen sehr heißen Maimorgen zu erleben.

Jeder geht an sein Geschäft,
und meines ist der Mord.

Jean Améry, Die Schiffbrüchigen

auf der straße

ein sehr heißer maimorgen
der himmel: wolkenlos, tiefblau

kanalarbeiter haben die straße aufge-
rissen

mit dem preßlufthammer
birst der tag – – –

dazwischen (gleichwohl)
das titititititi der goldammer —

so geht jeder
an sein geschäft

(meines ist das wort)

Theo Breuer

Von Chrysostomos

Über das Schreiben von Gedichten ist viel geschrieben worden, oft auch im Gedicht selbst. Ein schönes Beispiel für diese Art von selbstreferentieller, von poetologischer Lyrik ist Theo Breuers „auf der Straße“ (nein, nach Mendocino an die kalifornische Pazifikküste, wo übrigens die Dreharbeiten zu Elia Kazans „East of Eden“ stattfanden, führt diese Straße nicht). Breuer knüpft darin an die Tradition des Dichters als Handwerker, als poeta faber, an, schon über das vorangestellte Zitat aus Jean Amérys postum veröffentlichten Roman. Améry, dem der Tod aus freien Stücken ein „Privileg des Humanen“ war, legte 1978 Hand an sich an.

Kaum jemand hierzulande dürfte so viele Gedichtbände lesen und besprechen, wie Theo Breuer. Breuer, der als Lyriker, als Übersetzer, Essayist, als Herausgeber und Verleger ganz wunderbar aufgemachter Bücher und Drucke (in der Edition YE) in Sistig im Nationalpark Eifel lebt, wurde 1956 in Bürvenich bei Euskirchen geboren. In Köln hat er Germanistik und Anglistik studiert, gute Voraussetzungen, um beispielsweise Michael Hamburger zu verlegen, oder Hans Bender. Von Breuer selbst erschien zuletzt der Gedichtband Das gewonnene Alphabet, herausgekommen im vergangenen Jahr im Ludwigsburger Pop Verlag.

Breuers „Arbeitsbericht“ (Jürgen Theobaldy) ist auch eine Hommage an den Gesang der Goldammer, der selbst an sehr heißen Tagen zu hören ist, wenn andere Vögel das Singen sich versagen. Ein Gesang übrigens, von dem Ludwig van Beethoven sich zum Eingangsmotiv seiner Fünften Symphonie op. 67 hat inspirieren lassen. Kanalarbeiter schwitzen, die Ammer singt, der Dichter tut, was er nicht lassen kann, und dichtet.

Theo Breuer weiß natürlich, daß die Engländer die Ammer „bunting“ rufen. Und selbstverständlich hat Breuer – denn er ist ja auch ein poeta doctus – Basil Bunting (1900 bis 1985) gelesen, der zu den größten Dichtern der Britischen Inseln gehört. Zumindest im 20. Jahrhundert.

Zum Abschluß noch das Titelgedicht von Breuers 2002 in der Edition YE erschienenem Band Land Stadt Flucht, in dessen letztem Vers der erste aus Brechts „Vergnügungen“ anklingt („Der erste Blick aus dem Fenster am Morgen“):

land stadt flucht

biberschwanzpfannen
spiegel voll nachmittagsschweiß
aus schwärzlichem rot
bienen im kurpark
flatternd fallende schirme
zahnlose männer
autobahnbrücke
geschwungener landschaftsstrich
letzter finsterblick

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