Jérôme Grad
Georges Moustaki ist tot. Er starb am heutigen Donnerstag im Alter von 79 Jahren, wie es aus seinem Umfeld hieß. Bereits seit 2011 klagte er über Atemproblemen, die ihm auch das Singen unmöglich machten. Eine Krankheit, die nicht nur seine Atemwege betraf, sondern den Sänger aus Berufung merklich zusetzte. Musik war für ihn sein Leben. Dass er damit seinen Unterhalt verdienen konnte, sah er als die größtmögliche Freiheit an. Mit ihm geht einer der letzten Chansonniers der alten französischen Schule.
Brassens und Piaf prägen Moustaki
Geboren wurde der Sohn jüdisch-griechischer Einwanderer in Alexandria am 3. Mai 1934. Nach seiner Kindheit im multikulturellen Alexandria zog er 1951 nach Paris. Dort machte Giuseppe Mustacchi, wie er mit bürgerlichen Namen hieß, die Bekanntschaft von Edith Piaf, der Grande Dame der französischen Chanson. Sie wurden ein Paar. Er schrieb fortan Lieder für sie, das bekannteste – Milord aus dem Jahres 1959. Aber vielmehr prägte ihn sein späterer Freund Georges Brassens. So nahm er auch wegen Brassens den „Künstlernamen“ Georges an.
Seinen persönlichen musikalischen Durchbruch schaffte Moustaki zehn Jahr später mit dem Lied „le metéque“, worin er seine eigenen Erlebnisse als Ausländer verarbeitete. Insgesamt schuf er während seiner langen Karriere an die 300 Lieder und prägte die Entwicklung des Chansons maßgeblich.
Mal lebensfroh – mal melancholisch – immer philosophisch
Er lebt Musik, er verkörpert das mediterrane Lebensgefühl, welches er in „En meditarrané“ deutlich zum Ausdruck bring. Beim Poeten Moustaki spricht jedes Wort, jede Zeile für sich. Er singt auf Französisch, Italienisch, Griechisch und Arabisch. Seine Texte gehen unter die Haut. Ganz gleich ob man das Gesungene versteht oder nicht, die Lieder berühren.
Persönliche und gesellschaftliche Zweifel verarbeitet er philosophisch in seinen Liedern. Eines von vielen Beispielen ist „Ma solitude“ mit Sätzen wie „non je ne suis pas seule, avec ma solitude“. Die Einsamkeit, die er als seine ständige Begleitung besingt.
In der heutigen Zeit, in der alles noch schneller gehen muss, alles sich noch schneller dreht und alles immer weniger Haltbarkeitswert besitzt, vermag gerade sein Lied „Le temps de vivre“ eine Anleitung zum Stressabbau und Anti-Burnout zu sein und steht symbolisch für seine Lebenseinstellung. „Nous prendrons le temps de vivre, et d‘être libre. Sans project et sans habitudes, nous pourons rêver notre vie“. (dt.: Wir nehmen uns die Zeit zum Leben, die Zeit zum frei sein. Ohne Projekte und ohne Gewohnheiten, können wir unserer Leben träumen).
Der weiße Bart verlieh ihm noch mehr Weisheit, als er ohnehin schon ausstrahlte. Er war Kosmopolit, einer, der „keine Wurzeln, sondern Beine“ hat (in Anlehnung an George Steiner). Der zwar in Ägypten geboren ist, aber aus einem jüdisch-griechischen Elternhaus stammt. Der dann nach Frankreich kam, seinen Durchbruch schaffte, um dann jedoch von dort aus es ihn die weite Welt zu ziehen. Rio, New York, Quebec, er besingt seine vagabundische Lebensweise in viele Länder. So richtig zuhause fühlte er sich aber stets am Mittelmeer. Dieser Mann, dessen Lebensphilosophie („La philosophie“) entsprach, sich während des Lebens zu amüsieren, denn man habe ja den Tod, um sich auszuruhen. Nun, amüsiert hat er sich sichtlich in seinem Leben, stets zufrieden gewirkt. Nun kann er sich ausruhen. An jenem Ort wo er geboren wurde, am Mittelmeer, dort ist er heute gestorben, in Nizza.
Einer der letzten Konzerte in Deutschland
Ich kann nicht hoch genug einschätzen, welche besondere Ehre mir zukam, Georges Moustaki auf einem seiner letzten Konzerte im Herbst 2006 in München live zu erleben.
Er überzeugte mit seinem Auftritt ganz in weiß. Ein wenig als ob er über allem schweben würde, so sehr strahlte er eine innere Ruhe aus. Einzigartig, seine seichte Stimme, die beruhigend wirkt und jedes Lied zu einer poetischen Erzählung werden lässt. Gepaart mit einer natürlichen Audienz, Ausstrahlung der Lebensfreude.
In der heutigen Zeit der „Eventisierung“ und Massenveranstaltung mit immer mehr Lautstärke und mehr Action auf der Bühne war er das Gegenprogramm. Alleine auf der Bühne, nur mit seiner Gitarre oder/und Klavier „bewaffnet“ und doch verzauberte er sein Publikum, auch in München. Er brauchte kein Orchester, keine Hi-Tech.-Anlage. Er ließ seine Texte sprechen.
Cher Georges,
Merci pour toutes ces belles chansons. Le monde de musicien perd un des derniers grands chansonniers de l’époche. Merci pour toutes les inspirations dans vos textes, pour tout le baume. Vos chansons survivront les temps.
Lieber Georges,
Danke für all die schönen Lieder. Die Musikwelt verliert einen ihrer letzten großen Chansoniers. Danke für all die Inspirationen in Ihren Texten, für all den Balsam. Ihre Lieder werden weiterleben.