STAATSREGIERUNG MUSS MEHR WÄLDER SCHÜTZEN

PRESSEMITTEILUNG DES BUND NATURSCHUTZ IN BAYERN E.V.

BN-Seminar zu Schützen und Nutzen der Staatswälder

Im Rahmen eines sehr gut besuchten BUND Naturschutz – Seminars in Ebrach im Steigerwald stellten Forst- und Naturschutzexperten aus verschiedenen Bundesländern Konzepte für Waldschutzgebiete und nachhaltige Waldnutzung in Staatswäldern vor. Bei der Podiumsdiskussion mit Waldexperten der im Landtag vertretenen Parteien wurden große Meinungsunterschiede deutlich. Für den BN appelliert der Landesvorsitzende Hubert Weiger an die Staatsregierung für die Staatswälder nicht einseitig auf Holznutzung zu setzen, sondern wie andere Bundesländer auch nutzungsfreie Waldschutzgebiete auf 10 % der Staatswaldfläche zu zulassen. „Für den Staatswald darf nicht der Gewinn im Vordergrund stehen, sondern hier muss das Gemeinwohl Vorrang bekommen“, so Weiger. „Die Staatsregierung muss den Wert der als welterbewürdig ausgezeichneten Buchenwälder auf Staatswaldfläche im Nordsteigerwald endliche anerkennen und sie in einem Nationalpark besser schützen.“

Das mittlerweile zur Tradition gewordene BN-Waldseminar in Ebrach stand dieses Jahr unter dem Einfluss des Jubiläums von „300 Jahre Nachhaltigkeit“, das deutsche Forstwirtschaft im Jahr 2013 feiern will. In ihren Grußworten betonten Max-Dieter Schneider, Ebrachs Bürgermeister und Dr. Diana Pretzell, Leiterin Naturschutz Deutschland vom WWF die hervorragende Eignung der Buchenwälder im Nordsteigerwald für einen Nationalpark und dessen Chancen für die Regionalentwicklung.

Der BN-Forstexperte Dr. Georg Sperber, langjähriger Forstamtsleiter in Ebrach, erinnerte in seinem kritischen Rückblick auf 300 Jahre „nachhaltige“ Forstwirtschaft an die Leistungen, aber auch Fehlentwicklungen in den letzten Jahrhunderten, wie Kahlschläge oder die massiven Verbissschäden durch die übergroßen Wildbestände. Er stellte heute weitgehend unbekannte Persönlichkeiten wie Ernst Roßmäßler vor, der sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts für eine umfassende Volksaufklärung über die Natur und speziell Wälder im Sinne einer modernen Umweltbildung einsetzte. Immer noch hoch aktuell ist das Zitat des Bayerischen Waldbaureferenten Dr. Karl Rebel (1915 – 1930): „Unser Wald kann das Uniformierte nicht ertragen; vielgestaltig, arten- und formreich soll er bleiben oder werden. Etwas von Wildnis muss der Wirtschaftswald an sich haben, sonst stirbt seine Natur vor lauter Kultur.“ Der anerkannte Forstpolitiker Prof. Dr. Karl-Reinhard Volz von der Universität Freiburg ging in seinem Fachvortrag auf die Nachhaltigkeits-Definitionen ein. So lässt sich heute eine nachhaltige Forstwirtschaft nicht mehr einseitig auf eine „nachhaltige“ Holzversorgung reduzieren. Soziale und ökologische Aspekte müssen gleichermaßen erfüllt werden. Als Konsequenzen für die Forstwirtschaft aus der Nachhaltigkeits-Debatte betonte er, dass die Einbindung aller Interessengruppen und vor allem mehr Transparenz seitens der Forstverwaltungen unerlässlich seien. Dies war in der Vergangenheit leider nicht der Fall. Aus den Fachvorträgen und der Diskussion wurde deutlich, dass im Namen einer „nachhaltigen“ Forstwirtschaft zwar die Holzversorgung gesichert werden konnte, was im ausgehenden Mittelalter eine wichtige Kulturleistung war. Allerdings führte dies in den Wäldern Bayerns zu massiven Veränderungen, die sich katastrophal auf die Artenvielfalt auswirkten. So starben viele Arten in Wäldern regional, bayern- oder deutschlandweit aus. Waldfreunde müssen heute bis nach Rumänien fahren, um sie dort in den Urwäldern bewundern zu können.

Auf großes Interesse stießen die Vorträge über die Waldstrategien verschiedener Bundesländer. Dabei wurden große Unterschiede zwischen den stärker am Gemeinwohl orientierten Waldkonzepten von Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg und dem einseitig auf Waldnutzung reduzierten „bayerischen Weg“ deutlich. Den bayerischen Sonderweg musste Stefan Thierfelder vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Schweinfurt für das Forstministerium vortragen. Danach werden die bestehenden Waldschutzgebiete (2 Nationalparke in Altbayern und 160 Naturwaldreservate) als ausreichend betrachtet. Auf Nachfrage wurde dann aber klar, dass keines der bestehenden Naturwaldreservate im Steigerwald und Spessart, den wichtigsten Laubwaldgebieten Bayerns, die vom Forst- und Umweltministerium selbst geforderte Mindestfläche von 200 Hektar erreicht. Von den insgesamt 160 Naturwaldreservaten in Bayern überschreiten nur 2 die selbst gesetzte Mindestgröße. Auf große Zustimmung der Seminarteilnehmer stießen die Vorgehensweisen der Forstverwaltungen der beiden anderen Bundesländer. In Rheinland-Pfalz gehören naturnahe Waldnutzung auf 90 % und 10 % nutzungsfreie Waldflächen im Staatswald zusammen, berichtete Dr. Erwin Manz, Leiter des Ministerbüros am rheinland-pfälzischen Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten. Voraussichtlich 2014 wird der gesamte Staatswald mit dem höchsten Qualitätsstandart FSC zertifiziert. Im Gegensatz zur Bayerischen Staatsregierung stellt sich die rheinland-pfälzische Landesregierung der internationalen und nationalen Verpflichtungen zum Schutz der heimischen Wälder. Auch in Sachen künftiger Nationalpark geht die Regierung fortschrittlichere Wege: es wurde ein Wettbewerb der Regionen mit geeigneten Waldgebieten veranstaltet und ein moderierter Bürgerdialog gestartet.

Dr. Eberhard Aldinger von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg berichtete über die Erfolge der naturnahen Waldwirtschaft in seinem Bundesland. Waldbiotope wurden flächendeckend kartiert, für FFH-Gebiete wird dies sogar periodisch wiederholt. Aldinger verwies auf das Leitbild, nach dem Waldwirtschaft und nutzungsfreie Wälder unter dem Dach der ForstBW zusammengehören. Als positiv wurde gesehen, dass die Landesregierung und die Forstverwaltung den Dialogprozess über einen möglichen Nationalpark Schwarzwald aktiv gestalten.

Bei der abschließenden Podiumsdiskussion sprachen sich MdL Dr. Otto Hünnerkopf von der CSU und MdL Dr. Leopold Herz von den Freien Wählern klar gegen Waldschutzgebiete wie einen Nationalpark Steigerwald aus. MdL Dr. Christian Magerl von Bündnis 90/ Grüne und Dr. Liebhard Löffler, der als stellvertretender FDP-Vorsitzender im Landkreis Bamberg kurzfristig eingesprungen ist, unterstützen dagegen klar einen Nationalpark Steigerwald. Die Vertreterin der SPD hatte leider abgesagt. Prof. Dr. Hubert Weiger kritisierte für den BN die Verweigerungshaltung der Staatsregierung sich ernsthaft dem Thema zu stellen und einen gesellschaftlichen Dialogprozess über Schutzgebiete – wie in anderen Bundesländer- einzuleiten. Einen guten Ansatz für eine Diskussion sah Hünnerkopf in dem von den Naturschutzverbänden vorgelegten Entwurf einer Nationalpark-Verordnung. Sowohl von Magerl als auch aus dem Publikum kam mehrfach die Aufforderung an die Staatsregierung, eine sachliche Untersuchung über die Auswirkungen eines Nationalparks in Auftrag zu geben und die Bevölkerung neutral zu informieren, wie in anderen Bundesländern üblich. In der Diskussion wurde bedauert, dass die Staatsregierung die natürliche Waldentwicklung weitestgehend ausgrenzt, selbst im Nachhaltigkeitszentrum Handthal. Für die Staatswaldbewirtschaftung forderte Weiger eine grundlegende Reform der Forstreform, die dem Gemeinwohl Vorrang vor Millionengewinnen einräumen soll.