Budapest

Budapest. Foto: Monika Schau

Einem kurzen Einblick in die Geschichte Ungarns folgt ein Stadtrundgang durch Budapest, der – ganz der Leidenschaft unserer Autorin folgend – in den Markthallen enden muss. Ungarische Gerichte, wie die Halászlé, Lescó, das Borjúpörkölt und zum Nachtisch Mákrétes. Neugierig? Dann folgen Sie Monika Schau auf ihrer Reise durch Ungarn. Bei unserem April-Menu werden Ihre Augen leuchten.

Monika Schau

Die römische Provinz Pannonien hatte ihre Grenze an der Donau. Aus den Ansiedlungen entwickelte sich an Stelle des römischen Aquincum die mittelalterliche Stadt Buda und auf der anderen Seite der Donau Pest (Pescht). König Béla IV. verlegte die Stadt auf den Hügel und nach einer Blütezeit in der Renaissance gelangte Buda anderthalb Jahrhunderte unter türkische Herrschaft, von der es erst 1686 befreit wurde. Buda wurde zum Sitz des türkischen Paschas, die Hauptstadt Ungarns war in der unbesetzten Slowakei Pressburg, ungarisch Pozsony, die Krönungsstadt der Ungarischen Könige.

Die Habsburger herrschten seit Mitte des 16. Jahrhunderts als Könige von Ungarn, die Türken waren weg, aber für die Ungarn änderte das nichts. Sie wurden von den Habsburgern ebenso ausgebeutet wie von den Türken. Pest war der Stadtteil der Verwaltung für das Königreich Ungarn.

Bevor 1740 Karl von Habsburg starb, versuchte er durch Dekrete die weibliche Thronfolge durchzusetzen, denn mit ihm sollte auch die österreichische Linie der Habsburger im Mannesstamm aussterben. Seine Tochter Maria Theresia als Nachfolgerin wurde jedoch von allen europäischen Herrschern abgelehnt. Man versuchte, das Habsburger Reich zu zerstückeln. Bei einer Versammlung des ungarischen Landtages brachte sie ihren halbjährigen Sohn mit und bat die ungarischen Stände um Schutz für ihren Thron. Mit der Akklamation ‚Vitam et sanguinem‘ (Leben und Blut) erreichte der ungarische Adel eine Friedensvereinbarung, die nach den verheerenden Türkenkriegen neuen Schwung in den Wiederaufbau und die Entwicklung von Handel und Wirtschaft brachten. Zu dieser Zeit kamen auch viele deutsche Siedler nach Ungarn und Budapest. Nach aufflammenden revolutionären Bewegungen wurde Deutsch als Amtssprache eingeführt, was die Liebe der Ungarn zu den Habsburgern nicht unbedingt vergrößerte.

Während der ungarischen Revolution 1848 war Budapest Zentrum der Unruhen des Vormärz.

Sandor Petőfi (1823 – 1849), ungarischer Dichter und Volksheld der ungarischen Revolution, schrieb am 13. März ein Gedicht, das heute noch von den Ungarn vor allem am Gedenktag des Beginns der Märzrevolution mit Tränen in den Augen rezitiert wird:

Talpra magyar, hí a haza!
Auf Magyaren, heißt der Ruf!

Itt az idő, most vagy soha!
Dieses ist die Zeit, jetzt oder nie

Rabok legyünk vagy szabadok?
Sklaven seid ihr oder Freie?

Ez a kérdés, válasszatok!
Das ist die Frage, wählt!

A magyarok istenére esküszünk
Auf den ungarischen Gott schwört

Esküszünk, hogy rabok tovább
Schwört, dass ihr Sklaven weiterhin

Nem leszünk!
Nicht sein werdet!

Auf der Vérmezö, der Blutwiese unterhalb der Burg, wurden viele Aufständische standrechtlich erschossen. In einem Ausgleich zwischen Österreich und Ungarn wurde Ungarn weitgehend unabhängig von Österreich, der mehrwöchige jährliche Aufenthalt von Kaiser Franz Joseph I. symbolisierte diesen. Seine Frau Sisi jedoch lebte längere Zeit in  Schloss Gödöllő, das das Kaiserpaar anlässlich der Krönung zu König und Königin von Ungarn vom ungarischen Staat beschenkt bekam. Sie lernte Ungarisch und mit dem Grafen Gyla Andrássy (der Prachtboulevard in Budapest wurde nach ihm benannt) verband sie eine enge Freundschaft.

Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts schlossen sich die Stadtteile Buda (Ofen), das alte Beamtenviertel, dann Pest, die nach 1851 sukzessiv neu erbaute Stadt und Óbuda (Altofen) zusammen. Der Name Altofen kam von der dort ansässigen Ziegel- und Kalkbrennereien, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts 1000 Arbeiter beschäftigte. Dazu kam die Schiffswerft, der Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft. So entstand Budapest (Budapescht).

In Budapest gibt es viel zu sehen. Sei es der Burgberg, auf den man in der Nähe der Kettenbrücke mit der Standseilbahn, der Sikló, hinauffahren kann und einen wunderbaren Blick auf Pest und die Donau hat. Sei es der Burgpalast, in dem sich die Nationalgalerie und das Museum für neuzeitliche Geschichte befinden. Sei es die Fischerbastei und die Matthiaskirche am Szentháromság tér mit der Dreifaltigkeitsäule. Seien es die alten Häuser, die noch die österreichisch-barocke Kleinstadt erahnen lassen, mit den vielen Ämtern der Donaumonarchie, die später nach Pest ausgelagert wurden. Bei der 31. Belagerung von Buda durch die Sowjets wurde der Burgberg fast vollständig dem Erdboden gleich gemacht. Die deutschen und ungarischen Sympathisanten unter Admiral Horthy hatten sich dorthin zurück gezogen. Und dann kamen die nächsten Besatzer – die russische Befreiungsarmee …

Budapest, Burgberg (Várhégy). Foto: Monika Schau

Die fliegende Nonne auf dem Burgberg (in der Nähe war ein Klarissenkloster). Foto: Monika Schau

Das Parlament in Pest aus einem Torbogen der Fischerbastei in Buda. Foto: Monika Schau

Die Stadtteile Buda mit dem Burgberg und Óbuda mit dem Vásárhely Museum nahe der Árpád híd (Brücke) sind durch die Donau getrennt und mit vielen Brücken verbunden. Die Árpád híd ist nur eine davon, weitere sind die Margit híd, die Margaretenbrücke; dann die Lánc híd, die Kettenbrücke, die Erzsébet híd, Elisabethenbrücke genauer, die Sisibrücke mit einem schönen Denkmal im Ortsteil Tabán. es folgt die Szabadság híd, die Freiheitsbrücke, mit einem schönen Blick auf das Hotel Gellért und den Engel des Freiheitsdenkmals, das anlässlich der Befreiung der Sowjets von den Deutschen errichtet wurde.

Mathiaskirche auf dem Burgberg, die sich in den Fenstern des Hilton Hotels widerspiegelt. Foto: Monika Schau

Pest wurde nach den Vormärzunruhen Mitte des 19. Jahrhunderts zu einer Vorzeigestadt und als östliches Paris ausgebaut. Bedingt durch die wirtschaftliche Entwicklung wurden Prachtstraßen errichtet, wie die Andrássy út, die bis zum Heldenplatz reicht – dem Hősők tér, rechts die Kunsthalle und links das Museum der Schönen Künste. Dieses Museum ist wirklich einen Besuch wert. Ich habe dort vier Jahre Führungen im Auftrag des International Women’s Club gegeben. Die Eszterházys haben damals die Sammlung aus ihrem Stammsitz bei Fertöd am Neusiedler See an das ungarische Volk verkauft, obwohl der Staat nur der Drittbietende war. Ihr größter Wunsch war, die Sammlung nicht in alle Winde zu zerstreuen (obwohl das wesentlich mehr Geld eingebracht hätte), sondern sie zusammen im Museum zu zeigen. So gibt es auch durch Nachlässe verschiedener anderer Gönner Bilder und Zeichnungen aus allen Stilrichtungen und quer durch die Kunstgeschichte zu sehen: alte Tafelbilder, die Abteilung mit Bildern von Veronese, Tizian, Boltraffio, Gentile Bellini und ein Raffael. In der Deutschen Abteilung gibt es Dürer und Lucas Cranach zu sehen. Die Spanische Abteilung verfügt über die größte Sammlung von Bildern von El Greco außerhalb des Prado und auch einige von Goya. Bei den Impressionisten findet man Cezanne, Monet, Manet, Corbet und bei den Zeichnungen den sogenannten Budapester Reiter, der Leonardo da Vinci zugeschrieben wird. Also es gibt viel zu sehen. Gehen Sie hin.

Hősők tér mit Statue des Erzengels Gabriel. Foto: Monika Schau

Dahinter ist das Stadtwäldchen mit der Vajdhunyad Burg, die anlässlich der Milleniumsfeier 1900 als Erinnerung der Landnahme der wilden Reiter im Karpatenbecken in mehreren Stilen erbaut wurde. Nicht weit ist der Eislaufplatz, das Gundel und der Zoo, dessen Häuschen im Jugendstil erbaut wurden, der Ungarische Nationalzirkus mit dem Vergnügungspark und als unbedingtes Muss – das Széchenyi fürdő, das im Sezessionsstil erbaut wurde und  mit seinem 40 Grad heißem Wasser den Ungarn nicht zum Schwimmen dient, sondern zum Kuren. Alte Herrschaften stehen bis zur Brust im Wasser und unterhalten sich oder spielen eine Partie Schach.

Es ist neben dem Gellért Bad (Jugendstil), dem Király, dem Lukács und dem Rác eines der vielen Bäder in Budapest, das eigentlich Bad Budapest heißen müsste. Aber es gibt, seit die Römer und Türken die heißen Quellen entdeckt hatten, so viele, dass man es als selbstverständlich ansieht und leicht auf das ‚Bad’ verzichten kann.

Die wichtigsten Bahnhöfe sind in Budapest alles Kopfbahnhöfe. Da ist der Délipályaudvar, der Südbahnhof, der in Richtung Pécs (Fünfkirchen), also nach Süden liegt; dann der Keleti pályaudvar, der Ostbahnhof, von dem aus alle Züge nach Westen fahren und der Westbahnhof, der Nyugati pályaudvar, von dem Züge nach Norden und Osten fahren, nur nicht nach Westen. Diese beiden letzten Bahnhöfe wurden ebenfalls vom Architekturbüro Eiffel geplant und zeigen einmal mehr die Schönheiten der Bauten der Jahrhundertwende. Und hier noch ein Beispiel wie man Kommerz und Denkmalschutz vereinbaren kann: im McDonald’s im Nyugati pályaudvar:

Mc Donald’s im Nyugati pályaudvar. Foto: Monika Schau

Die unterirdische Verbindung zwischen dem Vőrősmarty tér und dem Hősők tér ist die erste Metro auf dem europäischen Festland, die kis földalatti (= unter der Erde). Sie wurde ebenfalls zur Milleniumsfeier erbaut. Geht man vom Vőrősmarty tér die Váci út entlang, durch einen Fußgängertunnel (die Straße führt über die Erzsébet híd) immer weiter, gelangt man zum Fővám tér.

Die Markthalle aus dem Büro Gustave Eiffels

Und da sind wir dann schon dort, wo es für uns interessant wird: da ist der Vámhás tér, der Zollhausplatz. Das Hauptzollamtgebäude befindet sich am Kőzraktár, am Hauptlager am Donauufer. Dahinter befindet sich die große Markthalle, die ebenfalls vom Architekturbüro Gustave Eiffels geplant wurde. Früher konnten die beladenen Schleppkähne auf unterirdischen Wasserwegen bis unter die Halle fahren. Die sogenannte Nágycsarnok, die große Halle, wurde 1996 neu restauriert wieder eröffnet. Da kam ich gerade recht. Ich muss gestehen, das war mit einer der wichtigsten Gründe, in dieser Stadt leben zu wollen.

In dieser großen Halle gibt es alles, was man sich im Nahrungsmittelbereich nur vorstellen kann. Es gibt Stände für Schweinfleisch, dann extra Stände für Spanferkel, für Rindfleisch und vor allem für Geflügel. Als es bei uns noch mit Fischmehl gefütterte Hühner gab, was man dann auch richtig rausschmeckte, gab es hier Stände, die übersät waren mit frischen Hühnern, die in Kropf und Magen noch Maiskörner hatten. Sie waren nicht ausgenommen, was ein Zeichen für die Frische war. Berge von Hühnern, Gänsen und Enten, deren Mägen, die Herzen, die Füße, die Flügel und auch die Lebern.

Dann eine Vielzahl von Innereien und was alles vom Kalb und Rind verwertbar war, es gab Zunge, Nieren und Leber vom Kalb und auch Kalbsmaske, die dann paniert rausgebacken wurde. Für mich eine Offenbarung – Jahre später bin ich einer Bustour in Rungis in Paris in der Halle der Innereien abhanden gekommen, weil ich auch da – wahrscheinlich mit offenem Mund – Sachen beguckt habe, für die andere Teilnehmer der Tour nur Ekel bereitet hatten.

In Budapest gab es damals nicht so viel Obst – natürlich wunderbare Birnen, Äpfel und vor allem Aprikosen und Weinbergpfirsiche, die ich bis dorthin noch nie gesehen hatte. Es war ja kurz nach Öffnung des Eisernen Vorhangs und Bananen waren noch nicht so häufig zu sehen. Dafür aber im Sommer jede Menge Melonen und später im Herbst sogar Mispeln. Das Gemüse bestand hauptsächlich aus Paprika in jeder Form und wunderbare Tomaten, Zwiebeln, Knoblauch in Zöpfen und und und

Es war ein Duft in der Luft, der mich wieder glauben ließ, dass Gemüse und Obst nicht unbedingt aus Holland kommen musste, das zwar annehmbar aussieht, aber nach absolut gar nichts schmeckt. Nach Wasser sicher, aber wer will denn Wasser in Form von roten Tomaten essen! Das Obst und Gemüse schmeckte, als käme es aus den umliegenden Gärten.

In den unteren Räumen der Markthalle gab und gibt es immer noch eingelegte Paprika, Gurken, Tomaten und Sauerkraut. Und vor allem jede Menge lebende Fische, die in großen Bottichen schwammen: Karpfen, Zander, Stör, aber auch Regenbogenforellen.

Am Samstag, wenn am meisten los war, waren am hinteren Tor die fliegenden Händler aus der Region und boten alles an, was sie aus Gärten und Wäldern zusammen getragen hatten. Im Frühjahr gab es frische Morcheln, im Spätsommer wunderbare kleine Steinpilze. Auf den Pilzen lag ein kleines Zettelchen, das kennzeichnete, dass die Pilze alle in der in der Halle befindlichen Pilzstelle untersucht worden waren.

Mein Lieblingsmarkfrau war die Anni aus Váz, die mich mit den tollsten Sachen versorgte. Leicht war es im Anfang nicht, denn es verstand ja keiner eine andere Sprache als Ungarisch. Aber Not macht ja erfinderisch und so verstanden wir uns immer besser. Als ich 1995 nach Budapest kam und dort mit meinem Mann fünf Jahre lebte, lernte ich Ungarisch. Keiner verstand mich zuerst. Man war auf die fremde Aussprache nicht eingestellt. Dazu muss man sagen, dass man alles, was einen Vokal mit einem Strich oben hat, gaaanz breit aussprechen muss: (á, é, í, ó, ú). Das ‚a‘ ohne Strich wird als tiefes ‚ao‘ gesprochen und das einfache ‚s‘ wird ‚sch‘ gesprochen. Erst als ich kapierte, dass ich so breit wie die Ungarn Deutsch in den ungarischen Operetten sprechen musste, damit mich die Leute verstehen, war der Bann gebrochen und ich hatte eine wunderbare Zeit in Budapest.

Als ich die ersten Male in die Markthalle kam, schrieben mir die Metzger noch den Preis der Ware in großen Ziffern auf ein Blatt Papier und zeigten so an, was sie für ihr Fleisch wollten. Als ich nach fünf Jahren ging, konnte ich ihnen schon die Rezepte erklären, denn sie wollten immer wissen, was ich aus dem Fleisch mache und manchmal brachte ich ihnen noch eine kleine Kostprobe mit.

Bevor ich mit den typischen Rezepten anfange, muss ich schnell noch einige Unwahrheiten aufklären. Also: Was bei uns Gulasch ist, heißt in Ungarn Pörkölt. Pörkölt heißt geröstet. Wenn im Pörkölt dann noch zusätzlich Rahm ist – meistens Sauerrahm, um die Schärfe des Paprikas etwas zu lindern – dann ist es ein Paprikás.

Dann gibt es noch das Gulyás (Gujasch). Gulyás heißen die Hirten in der Puszta (Pusta), die sich eine Gulyás levés im Kessel kochten. Deswegen heißt die Gulaschsuppe in Ungarn auch Bogrács levés (Bogratsch lävesch – Kesselgulasch). Die ist klar, also nicht gebunden, hat Fleisch und alles Gemüse, das die Hirten mitnahmen. Da können Kartoffeln drin sein und Paprikaschoten, die mit viel Zwiebeln und Knoblauch in Schweinfett angebraten wurden. Und dann kommt natürlich Paprika, Salz und manchmal auch Kümmel hinein.

Das sogenannte Szegediner Gulasch, das noch mit Sauerkraut angereichert ist, ist in Szeged (eine Stadt im Süden Ungarns) nicht bekannt. Das kommt daher, dass es in Budapest kreiert wurde und es erstmals ein gewisser Szekler gegessen hatte, der zu spät zum Essen in eine Wirtschaft kam. Der Wirt hatte nicht mehr genug vom Pörkölt und da der Herr Szekler viel Hunger hatte, meinte der, er solle doch alles zusammenkratzen, was noch da ist. Als ein anderer später Gast auch noch essen wollte und der Wirt meinte, er habe nun wirklich nichts mehr, sagte der: Dann gib mir doch so etwas wie dem Szekler sein Gulasch.

Der Paprika

Paprika. Foto: Monika Schau

Ohne Paprika wäre die ungarische Küche undenkbar. Die Herkunft ist ungeklärt, aber vielleicht hat ihn Columbus aus Amerika mitgebracht, denn er tauchte zuerst in Spanien auf. Eine weitere These ist, dass er von den Türken aus Indien mitgebracht wurde. So hieß er lange indischer Pfeffer, es könnte allerdings auch indianischer Pfeffer sein, dann käme er wiederum aus Amerika … Wie dem auch sei, Paprika ist von Ungarn wiederum in die ganze Welt exportiert worden. Der Hauptbestandteil des Paprika ist das Capsaicin, das die Schärfe bestimmt. Es ist in den kleinen Samenträgerleisten der Frucht enthalten. Unserem Gemüsepaprika wurde diese Schärfe weggezüchtet. Aber bei der Peperoni haben wir sie immer noch. In Ungarn unterscheidet man zwischen dem édesnémes Paprika, dem edelsüßen; dem czipös Paprika, dem scharfen und dem völlig milden czemege Paprika, dem Delikatesspaprika.

Halászlé – Fischsuppe

Diese Suppe lässt sich auch bei uns gut zubereiten, denn auch bei uns gibt es viele Süßwasserfische: Bei den Ungarn kommen Filets von Zander (fogasch), vom Hecht, Aal, Rotauge, Schleie, Forelle, Stör, Flussbarsch und vor allem vom Karpfen in die Suppe. Wie Sie sich natürlich denken können, würde ich ganze Fische kaufen – die sind ja auch billiger – die Hechte, die zu viel Gräten haben und den Flussbarsch würde ich auch weglassen. Aber von den Köpfen kann man sich eine wunderbare Court Bouillon mit dem Wurzelgemüse machen, die den Fischgeschmack noch verstärkt. Diese kurz ziehen lassen, damit sich das Eiweiß der Köpfe nicht zu arg zersetzt und sie milchig wird. Dann geben wir das Paprikapulver dazu, je nachdem wie wir es wollen: Vielleicht etwas vom süßen und etwas vom scharfen Paprika und dann braten wir Zwiebelringe an (besser in Öl), geben Tomaten und Paprikaschoten dazu und gießen alles mit der durch ein Sieb geschütteten Court Bouillon an. Leicht durchköcheln lassen und dann, erst dann (!) kommen auf kleiner Flamme die Fischfilets dazu. Mit einer Scheibe in der Pfanne gebratenem Weißbrot servieren.

Lescó

(Letscho) ist ein ganz typisches Gericht aus Tomaten, Zwiebeln, Paprikaschoten und natürlich Paprikapulver. Im Sommer, wenn überall die Marktweiber aus der umliegenden Region ihre Ware anbieten, kann man auch heute noch riechen, wie eine reife Tomate schmecken muss. Für das Gericht werden die entkernten Paprikaschoten in Streifen geschnitten und mit einigen Zwiebeln und klein geschnittenen Knoblauch leicht in Öl angedünstet. Es kommt das übliche Paprikapulver dazu und dann noch die gleiche Menge Tomaten, die geviertelt oder auch nur – wenn sie klein sind – halbiert wurden.

Borjúpörkölt – Kalbsgulasch

Man scheidet ca. 1 kg Kalbsschulter in nicht zu kleine Stücke und brät sie in Schweineschmalz (gerne auch Öl) an. Dann kommen eine oder zwei kleingeschnittene Zwiebeln und einige Knoblauchzehen dazu und alles wird leicht angeröstet. In das nicht zu heiße Fett kommt dann etwas Paprika und wird sofort mit einer Brühe aufgegossen, denn verbrannter Paprika schmeckt bitter. Das wird nun bei kleiner Flamme gar gekocht.

Mákrétes – Mohnstrudel

Mohnblumen. Foto: Monika Schau

In Ungarn auf dem Land (auch im Burgenland in Österreich und im Weinviertel) gibt es sie noch: Weite Felder mit Mohnblumen. Daraus wird der Mohn für unseren Mohnstrudel gemacht.

Für den Strudelteig nimmt man ein Mehl mit einem hohen Klebergehalt und das völlig trocken ist. Ich würde einen Wiener Grießler empfehlen. Alles wird auf Raumtemperatur gebracht und dann kann es los gehen. 250 gr. Mehl, ein Ei, 100 gr. zerlassene Butter und 2 EL Essig werden in ca. 200 ml lauwarmen Wasser zu einem Teig vermengt, der anfangs ziemlich klebrig ist. Der wird ordentlich durchgeknetet und dann wiederholt auf das Brett geschlagen. Das eignet sich gut zum Wut ablassen, wie die Tante Jolesch von Friedrich Thorberg selig es empfahl. Also den Teig so oft schlagen, bis er Blasen wirft und Glanz bekommt. Der Teig ist gut, wenn er sich von den Händen löst und nicht auf dem Nudelbrett haften bleibt. Den Teig teilen und zu einer Kugel formen. Dann unter einem angewärmten Topf ca. 20 Minuten ruhen lassen.

In der Zwischenzeit die Mohnfüllung zubereiten. Früher gab es noch spezielle Mohnmühlen, bei uns jedoch kann man im Naturladen einen Dampfmohn kaufen, der bereits gemahlen ist, keine Zusatzstoffe hat und vor allem nicht gezuckert ist. Es gibt auch noch manchmal eine andere fertige Mohnzubereitung, die ist allerdings unerträglich süß, ich würde die Finger davon lassen.

Also: Man kocht ca. 300 ml Milch auf und gibt ca. 150 gr. Zucker dazu, bis er sich gelöst hat. Dann kommt der Mohn hinein und der wird so lange erhitzt bis er abbindet. Dann geben wir eine abgeriebene Zitronenschale dazu und schlagen noch ca. 100 gr. Butter in die Masse.

Der Strudelteig wird mit dem Handrücken etwas breit gezogen und auf eine weiße Tischdecke, die mit Mehl bestäubt wurde, ausgezogen. Mit den Handrücken immer wieder unter den Teig greifen und nach außen ziehen, bis eine ordentliche Größe erreicht wird und der Teig vor allem so dünn wird, dass man eine darunter liegende Zeitung lesen könnte. Die dicken Enden werden abgeschnitten und der Teig sofort mit warmer Butter bepinselt, damit er nicht austrocknet.

Darauf kommt die Mohnfüllung und darüber gibt man noch gestiftelte Äpfel oder ein anderes klein geschnittenes Obst. Dann wird das Tuch angehoben und der Teig mit dessen Hilfe gerollt. Auf ein gefettetes Blech geben, nochmals gut mit zerlassener Butter bepinseln und im vorgeheizten Ofen bei 200 Grad goldgelb backen.

Yó étvágyat!

Nachwort

In der englischen Ausgabe der NEW YORK TIMES INTERNATIONAL WEEK der Süddeutschen Zeitung stand ein interessanter Artikel über neue Steuern in Ungarn: Hungary Pushes Higher Taxes To Promote Healthier Eating.

Man möge über die politischen Entwicklung dort stark beunruhigt sein. Diese Maßnahme jedoch wäre auch für uns nachahmenswert. Sie haben die Steuern in den letzten 18 Monaten erhöht auf Salz, Zucker und Inhaltsstoffe in Energy Drinks, damit die ungesunden Lebensmittel teuerer und so die Leute davon abgehalten werden, sie zu kaufen. Die Einnahmen kommen dem desolaten Gesundheitssystem in Ungarn zugute, die den größten Salzkonsum in der EU haben. Nahezu zwei Drittel der Ungarn haben Übergewicht oder sind bereits fettleibig.

Auch Frankreich, Finnland, Irland, Rumänien, Großbritannien und Dänemark haben bereits welche oder denken darüber nach, solche Steuern einzurichten. In Dänemark wurde die Idee wieder aufgegeben, wegen politischer Diskussionen, wegen des Drucks der Lebensmittelindustrie und weil die Konsumenten sich im nahen Deutschland mit solchen Sachen wie Chips, Schokoriegeln usw. eindeckten.

In Ungarn aber wurden so die Lebensmittelkonzerne gezwungen, weniger steuerpflichtige Inhaltsstoffe dazu zu geben.

Fakt ist aber auch, dass die Ungarn das meiste Salz verwenden, wenn sie es zuhause beim Kochen verwenden. Aber immerhin nur dann. Aber sie verwenden es in Zusammenhang mit einer ordentlichen Speise und nicht im Junkfood.

Und bei uns? Da ist die Lebensmittellobby zu stark, dass irgend etwas gegen deren Wünsche passiert. Die minderwertigen Speisen werden mit zu viel Salz geschönt (metzgern ist die Kunst Salz und Wasser schnittfest zu machen) und so gibt es auch bei uns immer mehr dicke Menschen und vor allem Kinder, die gar nicht mehr wissen, wie etwas schmecken soll.