Bamberger Mühlen- und Fährgeschichte

Bamberger Flussgeschichte im Zeitvergleich: Statt einem Schelch gibt es jetzt eine Fähre. Das Haindampferla und der Bootsverleih sind Geschichte. Foto: Karin Reichert

Flussparadies Franken

Zwei neue Flusspfad-Tafeln illustrieren die Entwicklung der Regnitz im 20. Jahrhundert

Am 26. April 2013 erhielt der Flusspfad Bamberg im Zuge der Saisoneröffnung der neuen Bamberger Fähre am Mühlwörth zwei neue Tafeln. An den Unteren Mühlen wird dabei ein bisher wenig beleuchtetes Kapitel der Bamberger Flussgeschichte in den Mittelpunkt gerückt: die Bedeutung der Regnitz für die Industrialisierung der Stadt im 20. Jahrhundert. Mit der Wasserkraft des Flusses wurden damals Gläser geschliffen, Kronkorken und Metallfolien gefertigt, eine Pumpstation für die Frischwasserversorgung des Berggebietes betrieben und über Turbinen Strom für die Fertigung und das öffentliche Netz erzeugt.

Ein Beispiel für die Entwicklung vom Handwerks- zum Industriebetrieb ist die Firma Kachelmann, die 1912 vom Jakobsberg an die Regnitz zog und heute in Strullendorf ansässig ist. „Diese Bedeutung der Regnitz ist vor allem den jungen Bambergern kaum noch gegenwärtig“ sagt Christian Kestel, der als Historiker den Text der Tafel inhaltlich mitgestaltet hat und für die Firma Kachelmann die Firmengeschichte zu deren 120-jährigen Firmenjubiläum im nächsten Jahr recherchiert.

vlnr: Christian Kestel (Historiker), Karlheinz Kachelmann (Fa. Kachelmann, Strullendorf), Anne Schmitt (Geschäftsführerin Flussparadies Franken e. V.), Alexander Kachelmann von Colberg (Fa. Kachelmann, Strullendorf). Foto: Karin Reichert

Jakob Kachelmann (1868-1935) gründete 1894 am Jakobsberg eine auf Turmuhren spezialisierte Schlosserwerkstatt. Mit dem Umzug an die Regnitz 1912 konzentrierte sich der Betrieb auf die Herstellung und Reparatur von Zahnrädern für den Maschinenbau. In den 1920er Jahren kamen Getriebe, Kupplungen und Ersatzteile für Autos und schließlich Spezialgetriebe für die Industrie hinzu. Das 1948 für das Wasserkraftwerk an der Bamberger ERBA gebaute Turbinengetriebe ist als ältestes Kachelmann-Getriebe noch heute in Betrieb. 1967 zog die Firma aus Platzgründen nach Strullendorf um. 2010 wurden die Tore der Schleusen in Bamberg und Strullendorf des Main-Donau-Kanals mit Kachelmann-Getrieben bestückt. Die Firma Kachelmann ist als einer der so genannten „hidden champions“ in der Region bis heute spezialisiert auf die Herstellung von Industriegetrieben, die weltweit zum Einsatz kommen.

Neue Tafel zur Flussgeschichte Bambergs an den Unteren Mühlen

Neue Tafel zur Flussgeschichte Bambergs an den Unteren Mühlen

Weitere namhafte Firmen aus der Region haben ihren Ursprung am linken Regnitzarm. Interessanterweise auch die Stahlbaufirma Johann Heim, die die neue Bamberger Fähre gebaut hat. Zusammen mit dem Bürgerverein Mitte hat sie auch die Tafel zur Fähre finanziell unterstützt. Auf dieser 23. Flusspfadtafel wird die Geschichte der Fährverbindung zwischen dem Mühlwörth und dem Oberen Leinritt illustriert. Diese bestand bis in die 1960er Jahre. Ein Foto aus dem Jahr 1949 zeigt, dass auch damals schon Fährfrauen die Kähne über die Regnitz stakten. „Wenn die Männer auf die Arbeit gingen, übernahmen die Frauen den Fährdienst und sicherten so der Familie das Zusatzeinkommen“ so Heinrich Sieber, der die historische Überfahrt aus der eigenen Familiengeschichte gut kennt. 2010 ergriff der Bürgerverein Bamberg Mitte e.V. die Initiative, die alte Wegeverbindung wieder einzurichten. 2012 wurde die neue Bamberger Fähre als Chance-Jugend-Fähre des Don Bosco Jugendwerkes in Betrieb genommen. Ihre Konstruktion als Gierseilfähre geht auf ein Abschlussprojekt von Studierenden der Hochschule Deggendorf zurück. Mit der Fähre erhält der Flusspfad Bamberg an historischer Stelle ein echtes Flusserlebnis.

Und wer sich auf den erst kürzlich als 4-Sterne-Qualitätsradweg ausgezeichneten Regnitzradweg begibt, kann die Überfahrten in Pettstadt und Bamberg sogar zu einer Zwei-Fähren-Radtour verbinden. Die Regnitz sorgt zusammen mit den Fährfrauen und Fährmännern dafür, dass das Übersetzen klimafreundlich und ohne Lärm und Hektik vonstatten geht. Fehlt nur noch der hoffentlich nicht mehr allzu ferne Frühling, der dann auch die Bierkellersaison eröffnet.