Alle Jahre wieder. Das Buch bleibt, der Verlag wechselt häufig, nun auch der Erscheinungstermin. Das Jahrbuch der Lyrik 2013.

Die Seine bei Bougival

Es ist bloß ein Augenblick,
aber was für einer? Kastanien
am Ufer entlang, Frachtkähne
und die Brücke über die Seine
bei Bougival. Sommermoment,
und einer am Wegrand malt.

Es ist Sisley. Ein Stück flussab,
bei Port-Marly, arbeitet Monet.
Sisley mag die Kronenschatten,
vielleicht weil sie ihn verwirren.
Da, die Vögel sollte er malen,
aber sie sind ihm zu schnell.

Mirko Bonné

Von Chrysostomos

In Berlin zu leben, ist von Vorteil. Jedenfalls für Autorinnen und Steller der Schrift. Über ein Drittel der im Jahrbuch der Lyrik 2013 Vertretenen ist zwischen Spree und Havel zuhause. Da kann selbst Leipzig nicht mithalten, und Köln oder München schon gar nicht. Die aktuelle Ausgabe versammelt hunderteinundsiebzig Gedichte von hundertneunzehn Autoren; hinzu kommen dreißig Übersetzungen, womit das Jahrbuch eine frühere Praxis wieder aufnimmt. Die Nachdichtungen stammen aus dem Slowenischen und Slowakischen, aus dem Schwedischen, Russischen, Polnischen, Katalanischen, aus dem Französischen und Flämischen, dem Englischen, Dänischen, Chinesischen (Taiwan) und aus Bulgarien.

Friederike Mayröcker, Jahrgang 1924, und die um ein Jahr jüngere Anne Dorn zählen zu den ältesten, Lea Schneider und Ilja Winther, beide Jahrgang 1989, beide zu dem Berliner Lyrikkollektiv G 13 gehörend, und Rick Reuther, Jahrgang 1993 und ebenfalls in Berlin lebend, zählen zu den jüngsten Beiträgern. Franken ist vertreten mit Tobias Falberg (Nürnberg), mit Kornelia Koepsell (Höchberg bei Würzburg) und mit dem Nürnberger Fitzgerald Kusz. Nora Gomringer fehlt, auch Nevfel Cumart. Mit dabei aber ist auch Walter Fabian Schmid, der in Bamberg bis vor zwei Jahren studierte und inzwischen in München lebt.

Das Jahrbuch erscheint seit 1979, herausgegeben von Christoph Buchwald und einem jeweils wechselnden Mitstreiter (heuer ist das Jan Wagner). Inzwischen ist es bei der Deutschen Verlags-Anstalt gelandet. Neu ist, daß es fortan nur noch zweijährlich herauskommen soll, der dreißigste Jahrgang also vermutlich im März 2015.

Auch auf Lyrikkenner warten auf den knapp dreihundert Seiten Überraschungen und Entdeckungen. Neben Gedichten und Übersetzungen sind poetologische Äußerungen zu finden. So schreibt Jürgen Brôcan, daß sich der Leser von Gedichten begleitet wisse „von einer Stimme aus welcher Zeit, welchem Ort auch immer“. Es gelte, Lyrik „irgendwie mit der eigenen Lebenswirklichkeit zu verknüpfen“ und so deren vermittelnde Funktion zu erfahren. Hierzu bietet das Jahrbuch reichlich Gelegenheit. Lesen Sie wohl!