Peter von Liebenau
Der Karpfen war hervorragend. Und „schön“. Denn der Wirt in dem kleinen Dorf im Aischgrund fragte bei der Bestellung, welche Größe wir gerne hätten. Man bekäme: „Klein, mittel oder schön.“ (Er selbst war sehr „schön“).
Die urbanen Damen bestellten einen kleinen, die anderen einen schönen Karpfen. Mit mehreren guten Seidla und Schnäpsen war auch die schöne Ausgabe zu bewältigen.
Die Gaststätte hatte ihre barocken Ursprünge nicht sämtlich ausgemerzt, wie so manch andere in der Renovierungswut der 1960er Jahre und folgende. In einzelnen Dörfern liegt noch das barocke Flair über dem Bamberger Land, Barock über Mittelalter, dieses Dientzenhofer- und Neumann-Barock, das Bamberg, wie das ganze ehemalige Fürstbistum, wahrhaft urban macht, zumindest da, wo es sich erhalten hat.
In Pommersfelden, wo wir nach dem Karpfenessen hinfuhren, konnte man das barocke Schloss nicht abreißen, es hat Weltgeltung. Es müsste eigentlich in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen werden – aber bitte, wonach geht man da vor? Sind es nicht oft politische und andere sachfremde Maßstäbe, die bei der Auswahl angelegt werden?
Schloss Weißenstein in Pommersfelden war das Schloss des Fürstbischofs Lothar Franz von Schönborn. Ein Barockmensch par excellence. Heute gibt es keine wahren Exzellenzen mehr wie Lothar Franz, kunstsinnig, elegant, niemals profan, weit, ganz weit denkend, kreativ, ein Gentleman, ein bedeutender Politiker und Geistlicher zugleich – barock eben. Mehr als nur urban.
Wenn Lothar Franz eine Landpartie von seiner Bamberger Residenz aus unternahm – er war gleichzeitig Erzbischof von Mainz und Kurfürst des Heiligen Römischen Reiches – fuhr er inspiriert plaudernd über Brücken, die er barock hatte haben wollen, hieß da und dort die Kutschen anhalten, um die Huldigungen seiner Untertanen entgegenzunehmen, wobei er kaum einmal ausstieg. Wenn, dann wurde das vom örtlichen Chronisten eilfertig festgehalten.
Dann stieg er aus, stellte sich in Positur und wölbte seinen schönen Bauch vor. Er war keineswegs dünn, so wie es wir urbanen Städter heute immer sein wollen. Lothar Franz, einer der Großen der Geschichte, war „schön“, und er war stolz darauf. Seine Brokatweste mit den edlen Knöpfen – wo ist diese heute? – wölbte sich über seinen mächtigen, ja Macht ausdrückenden, mehr als nur urbanen Leib, und so manche starrten darauf, weil sie Angst hatten, die Knöpfe würden gleich weggesprengt. (Andere starrten auch drauf, weil sie hofften, die Knöpfen würden weggesprengt und sie könnten die edlen Stücke aufklauben und verkaufen.)
Lothar Franz interessierte sich nicht für den Blödsinn der heutigen Zeit. Er interessierte sich für Kunst, Malerei, Architektur, Literatur, Musik, Landschaftsgestaltung und feine Speisen – am besten alles in einem. Den Gesundheits-Wahn heutzutage sowie Fernsehserien, Parteipolitik, Computer, Baumärkte, Einkaufszentren und Konferenzen hasste er geradezu. Ich fürchte, er hatte nicht ganz Unrecht.
Kunst und Geist, die standen bei ihm im Vordergrund. Er sprach, stets ein feines Tuch in der Hand haltend, mit gleichsam wegwerfenden Bewegungen – – – manchmal waren sie mit einem Segen verbunden, denn er war ja Bischof.
Dann aß er in der Fastenzeit Karpfen, den seine Kapuzinermönche extra für diesen Zweck in zahlreichen Weihern anbauten; denn Fleisch sollte man in dieser Zeit ja nicht essen, es war in den Fastenwochen nicht erlaubt, außer an Sonntagen, und auch Reisende waren vom Fastengebot ausgenommen. Aus diesem Grund reiste Lothar Franz gern, zum Beispiel nach Pommersfelden, wo er noch allen anderen Genüssen zusprach, freilich nicht im Winter, denn Pommersfelden war sein Sommerschloss.
Ach ja, das Schönbornbarock! Will man daran etwas kritisieren? Gemäß der Lieblingsbeschäftigung des urbanen Menschen? Nein, das machen wir Bamberger jetzt mal nicht mit, so urban wir auch werden sollen – in Sachen Schönbornzeit wiegen wir uns in seliger, positiver Erinnerung. In den nächsten Folgen geht’s hemmungslos weiter mit den seligen Fahrten des urbanen Bambergers, auf Schönborn-Spuren ins Karpfenland, zu Gemälden, Rehen, Picknicks und Grotten. Honi soit qui mal y pense.
Einfach wunderbar. Vielen Dank!
Auch wenn der Online-Speicher prinzipiell unendlich ist: Man sollte auch als Online-Zeitung nicht alles veröffentlichen, was einem so an Texten reinflattert. Das nur nebenbei…
Oje, welcher Oberlehrer will denn hier wieder alles zensieren, was sich genau seinen Vorstellungen entspricht? Bitte, Herr Peter von Liebenau, bitte weiterschreiben! Wir (aus Köln zugezogen) haben uns schon einen Kult draus gemacht, diese köstliche Serie zu lesen und Infos zu kriegen, die man sonst bei Bamberg-Führungen nicht mitbekommt. Unser Sohn hat eine Folge in der Schule als vorbildlich Glosse zu lesen bekommen! Bitte weiter!