Empire of Flora (nach Cy Twombly)
wenn wir in Blüte stehen, huschende rosa
Strumpfhosen, leibeigene Symptome
ich war ganz mit Staub bedeckt,
war wie betäubt mit Kamillenwirkstoff, noch
stundenlang anhaltend Rausch und
Gebrechen. farewell. fahr hin. so der Regen
unser Glück fortspült
muß weichen leichter Traum
müssen blinzeln
Lichtflüchter wir
die inneren Himmel
blendeten uns
Marion Poschmann
Von Chrysostomos
Es gibt Maler – Paul Klee etwa, oder Salvador Dalí – die auch als Lyriker hervorgetreten sind, und es gibt Lyriker, die auch malen, beispielsweise Beat Brechbühl, Sarah Kirsch, Charles Tomlinson. Diese Nähe der Schwesterkünste begegnet schon seit Jahrhunderten, sogar Jahrtausenden, in Gedichten auf Bilder, auf Skulpturen, auf Kunstwerke. Der Aachener Privatgelehrte Gisbert Kranz (1921 bis 2009) hat sie in drei fetten Bänden theoretisiert und bibliographiert, außerdem in mehreren Anthologien, etwa bei dtv, versammelt.
Auch die bezaubernd schöne Marion Poschmann (Chrysostomos lernte sie ein wenig kennen, als sie 2006/2007 Stipendiatin des Internationalen Künstlerhauses Villa Concordia in Bamberg war), die wie Kranz aus Essen stammt, hat einige Beispiele zu dieser Gattung beigetragen. 2002 debütierte Poschmann mit Prosa (Baden bei Gewitter) und Lyrik (Verschlossene Kammern); 2004 folgte ein Gedichtband mit dem kryptischen Titel Grund zu Schafen, zuletzt, 2010, der Band Geistersehen. Ihr Schwarzweißroman datiert von 2005, die Hundenovelle von 2008.
„Empire of Flora“, 2004, bezieht sich, wie der Titel offenlegt, auf Cy Twombly, Twombly wiederum bezieht sich auf das gleichnamige Ovid-Gemälde Nicolas Poussins (1694 bis 1665), dessen Werke Twombly in den frühen Sechzigern in Rom kennenlernte. Drei Jahre vor seinem Tod in Rom bekannte der amerikanische Abstrakte Expressionist 2008: „Wenn ich die Möglichkeit dazu gehabt hätte, wäre ich in einem anderen Zeitalter gern Poussin gewesen.“ Twombly spielt, ganz wie Poussin, häufig auf antike Mythen an, in „Flora“ spielt er mit dem Thema der Verwandlung, der amourösen Metamorphose, der Lust.
Ähnlich bei Poschmann, die die Farbe rosa der „huschenden Strumpfhosen“ von Twombly übernimmt. Man steht, nein, denn man ist à deux, „wir“ stehen „in Blüte“, „leibeigene Symptome“ melden sich zu Wort. Zu erraten, welche das wohl sind, fällt so schwer nicht. Rausch trifft auf Gebrechen. Blüte, Staub und Kamille bringen florale Elemente mit ein.
Die Abstrakten Expressionisten der New York School waren, wie der Name schon sagt, vor allem im Big Apple zuhause. So paßte es gut, daß Poschmann im vergangenen Jahr das New-York-Stipendium des Deutschen Literaturfonds zugesprochen wurde. Ein zehnwöchiger Aufenthalt im Deutschen Haus der New York University war damit verbunden. Wir sind gespannt, wie dieser sich in Marion Poschmanns zauberhaften Gedichten niedergeschlagen hat, sich noch niederschlagen wird.