Wiedehopf, heiterer Vogel
Wiedehopf, heiterer Vogel, von den Poeten zwar
verleumdet, auf dem luftigen Gestänge
des Hühnerhofes schwingst du deinen Schopf
und drehst dich wie ein nachgemachter Hahn im Winde.
Bote des Frühlings, Wiedehopf, wie
die Zeit für dich stillsteht,
nie mehr ein Februar stirbt,
und wie alles draußen sich neigt
vor den Regungen deines Hauptes,
geflügelter Schelm, und du weißt es nicht.
Eugenio Montale
Von Chrysostomos
Bereits vor über zwei Dekaden mußte Heinz Werner Hübner feststellen: „Es werden nicht viele Menschen sein, die in den letzten zehn Jahren in Deutschland einen Wiedehopf zu Gesicht bekommen haben.“ Hierzulande ist er in der Tat längst rar geworden, wird Jahr um Jahr seltener, dieser bunt wie ein Exot und mit einer aufrichtbaren, mit schwarzen Spitzen besetzten Federhaube daherkommende Vogel, den die Ornithologen Upupa epops rufen.
Der Wiedehopf wird bereits in der Bibel erwähnt, im Koran spielt er die Rolle des Botschafters zwischen der Königin von Saba und König Salomon. In den Künsten hat ihm Ovid im sechsten Buch der Metamorphosen ein Denkmal gesetzt, in Aristophanes‘ Komödie Die Vögel tritt er als König auf, in einem der Gedichte, welche in Eichendorffs Aus dem Leben eines Taugenichts eingeflossen sind, heißt es: „Wenn der Hoppevogel schreit / ist der Tag nicht mehr weit.“ Diesem Ruf verdankt sich der wissenschaftliche, aber auch der populäre Name: Lautmalerei macht es, wie beim Kuckuck, möglich. Aus dem dunklen „hubhub“ oder „wudhub“ wird Wiedehopf, wird Upupa, wird im Armenischen „popop“, im Lettischen „puppukis“, im Neupersischen „pūpū“. Die Sarden nennen den Bunten „pubusa“, die Niederländer „hop“, die Briten „hoopoe“; in der Steiermark sagt man „Wudhupf“ oder „Wudhup“, in der Pfalz „Wuddwudd“.
Die deutsche Version von Sandie Shaws „Puppet on a String“ – damit gewann sie, barfuß in der Wiener Hofburg auftretend, im April 1967 mit weitem Abstand den zwölften Grand Prix Eurovision de la Chanson – heißt, ebenfalls von Shaw gesungen, „Wiedehopf im Mai“. Hans Werner Henze hat dem Vogel die 2003 bei den Salzburger Festspielen von den Wiener Philharmonikern unter Markus Stenz, der, nebenbei sei’s gesagt, im Juni zu den Juroren des vierten Gustav-Mahler-Dirigenten-Wettbewerbs gehören wird, uraufgeführte Oper „L’Upupa und der Triumph der Sohnesliebe“ gewidmet, Eugenio Montale das Gedicht „Upupa, ilare uccello“, also „Wiedehopf, heiterer Vogel“.
Außerhalb seiner italienischen Heimat war Eugenio Montale (1896 bis 1981), als ihm 1975 der Literaturnobelpreis zugesprochen wurde, nur wenig bekannt. In Italien selbst sorgte bereits das Debüt des Antifaschisten, Ossi di seppia (Tintenfisch–Knochen, 1925) für Aufsehen. Überhaupt sind es die frühen Gedichtbände, nicht das Spätwerk, die auf Montale aufmerksam machten. Den Ossi, den Knochen, ist auch das Wiedehopf-Poem entnommen. Übersetzt hat es Hanno Helbling. Dem ehemaligen Leiter des Feuilletons der Neuen Zürcher Zeitung – gestorben ist er 2005 in der Ewigen Stadt – verdanken wir auch eine Übertragung aller Sonette William Shakespeares.
Noch relativ häufig kommt der Wiedehopf in mediterranen Olivenhainen vor, die Henze, der seit 1953, also fast ein halbes Jahrhundert lang, in Italien lebte, genauso wie Montale bestens bekannt und lieb sind. Ohne daß er es wüßte, verneigt sich vor den Regungen seines beschopften Hauptes die Welt. Sie steht, wenigstens für einen poetischen Moment, still, hält inne für ihn, den Frühlingsboten, der in Afrika überwintert. Daß ihn der Volksmund („stinken wie ein Wiedehopf“) und auch die Dichter, nicht aber Montale, verleumden, hat zu tun mit der Gerissenheit des geflügelten Schelms. Das brütende Weibchen weiß sich, wie die Nestlinge, vor Feinden zu schützen über ein nicht gerade angenehm duftendes Sekret der Bürzeldrüse, das im Gefieder verteilt wird.
Vor wenigen Tagen würdigte Martin Meyer, Hanno Helblings Nachfolger bei der NZZ, anläßlich der Verleihung des Kythera-Preises an Michael Krüger den Verleger für dessen „mit Passion und Verstand“ geleistete „Vermittlung zwischen deutschen Landen und romanischen Ländern“. Zu den italienischen Autoren im Programm des Münchner Hanser Verlages zählen Umberto Eco, Natalia Ginzburg, Giuseppe Ungaretti und: Eugenio Montale.
Hier noch Montale im O-Ton:
Upupa, ilare uccello
Upupa, ilare uccello calunniato
dai poeti, che roti la tua cresta
sopra l’aereo stollo del pollaio
e come un finto gallo giri al vento;
nunzio primaverile, upupa, come
per te il tempo s’arresta,
non muore più il Febbraio,
come tutto di fuori si protende
al muover del tuo capo,
aligero folletto, e tu lo ignori.
NB: Das einleitende Zitat von Heinz Werner Hübner ist dessen wundersamem Buch Am Himmel und anderswo. Heinz Werner Hübners Vogelalmanach (München: Schneekluth, 1990) entnommen; Montales Gedicht ist zu lesen in Eugenio Montale, Gedichte1920 – 1954. Italienisch – Deutsch. Übertragen und mit einer Einleitung versehen von Hanno Helbling (München: Hanser, 1987); Hans Werner Henzes Reiselieder mit böhmischen Quinten. Autobiographische Mitteilungen (Frankfurt: S. Fischer, 1996) weisen den großartigen Komponisten – im letzten Oktober ist er verstorben – als großartigen Schriftsteller aus. Darin schildert Henze auch, wie er durch die Fränkische Schweiz fährt und dabei Gustav Mahlers Dritte Symphonie hört. Und daß Henze seinen „L‘Upupa“ nicht Oper sondern „Lustspiel“ nennt, paßt gut zu Montales heiter-geflügeltem Schelm, den Henze häufig in den Olivenbäumen im Garten seines Gutes in Marino in den Colli Albani beobachten konnte.
Welch ein Text voller Esprit, Stilgefühl und Wissen!
Er ist spannend zu lesen – noch spannender ihn nachzuspüren.
Dank an „Chrysostomos“! Warte auf neue Veröffentlichungen.