Alter Burgunder
Ein Fernrohr ist uns manchmal unser Glas,
Und wenn wir daraus trinken, sehn wir weit.
Rainer Brambach
Von Chrysostomos
Bisweilen ist das Schreiben wie ein Rausch. Dazu bedarf es nicht unbedingt eines guten Tropfens. Inspiration, Phantasie, Imagination, Beobachtungsgabe, Kenntnis der literarischen Traditionen beispielsweise sollten, bei entsprechender Begabung, genügen, bilden zumindest eine solide Ausgangsbasis. Und doch sind die Dichter, die Rhapsoden, die Sänger dem Alkohol nur selten abgeneigt, manche, ja viele, ihm gar verfallen (die ersten fünf US-amerikanischen Nobelpreisträger der Literatur,von Sinclair Lewis, 1930, bis hinauf zu Hemingway, 1954, waren allesamt Alkoholiker).
Über den also doch oft gegebenen Zusammenhang zwischen Bier, Wein, Schnaps, Sherry, Absinth (Fernando Pessoa) und schriftstellerischer Produktion sind etliche Bücher verfaßt worden, von Klaus Modick etwa, auch von Rolf-Bernhard Essig. Das Deutsche Literaturarchiv in Marbach hat dem Thema eine Ausstellung gewidmet, unzählige Dichter (und Lyrikerinnen) den jeweils präferierten Getränken Gedichte.
So sagt Hans Bender, der ihn förderte – indem er schon in der allerersten Ausgabe der Akzente 1954 drei seiner Gedichte abdruckte – über Rainer Brambach (1917 in Basel geboren, 1983 dort verstorben): „Er trank mehr als er vertrug. Allein sah man ihn in seinen Stammkneipen, in der Taverne Valaisanne oder im Restaurant des Badischen Bahnhofs, vor ihm das Glas Rotwein oder Bier.“ Brambach, der als Torfstecher arbeitete, Werbetexter war und lange Zeit Gärtner und Gartenbauarbeiter, stellt in „Leben“ fest: „Ich schreibe keine Geschäftsbriefe, / ich beharre nicht auf dem Termin / und bitte nicht um Aufschub. / Ich schreibe Gedichte.“ Gedichte, von denen er, heißt es bescheiden-lapidar fünf Verse später, viele „den Bäumen gewidmet“ habe, dem „Tod“ hingegen „keine Zeile bisher“.
Etliche aber (man blicke nur einmal in die gemeinsam mit Frank Geerk 1974 vorgelegten Kneipenlieder) dem Alkohol. Beispielsweise, so wie sein Freund Günter Eich dem Bamberger Rauchbier, dem Burgunder. Dieser weitet dem Dichter-Gärtner die Augen, den Blick auf die manches Mal doch gar nicht so schöne Welt. Und das Bild vom Fernrohr, zu dem das Glas mutiert, läßt, auch, an E.T.A. Hoffmann denken. Zwei Zeilen, zwanzig Silben, und doch ein tiefes, ein bedeutendes, ein schönes Gedicht. Eines, das bleibt.
NB: Für einen guten, einen alten, für einen guten alten Burgunder, beispielsweise einen Mazis-Chambertin, muß man tief in die Tasche greifen. Günstiger kommt es, sich Brambachs Gesammelte Gedichte (Diogenes, 2003) zuzulegen und einen Jasmintee dazu zu trinken. Schließlich ist auch der schon, von Reiner Kunze, lyrisch bedacht worden („Einladung zu einer Tasse Jasmintee“).