Von Musicouskuß
Wolfgang Schlüter? Sein Vor- und Nachnamensvetter, anderthalb Dekaden älter als das Original, spielte über lange Jahre Vibraphon in der NDR Big Band, arbeitete mit Erwin Lehn, Peter Herbolzheimer, Kurt Edelhagen und, Last, not Liszt, James Last zusammen. Hier aber soll es, unter anderen, um den im Dezember 1948 im niedersächsischen Königslutter geborenen Steller der Schrift, Übersetzer, Mahler-, Arno-Schmidt- und Mozart-Kundigen Wolfgang Schlüter gehen, der bis in den März hinein ein Studio im Glaspalastanbau des Internationalen Künstlerhauses Villa Concordia bezogen und belebt hatte.
Belebt mit den Früchten seiner Arbeit, seiner Gedanken, seiner Philosophie. Die Letztgenannte hat er studiert, außerdem Kunstgeschichte und Musikwissenschaft, in Hamburg, in Wien, in Berlin an der TU, wo er bei dem unvergessenen Carl Dahlhaus über Gustav Mahler, mit dem er morgen auf den Hundertzweiundfünfzigsten anstoßen wird, promovierte. Wie ein anderer Mahler-Deuter, Hans Wollschläger, steht Wolfgang Schlüter Arno Schmidt nahe. In der Bargfelder Ausgabe, die naturgemäß auch in Wollschlägers Bibliothek zu finden war, hat Schlüter beispielsweise „Kaff auch Mare Crisium. Ländliche Erzählungen“ betreut. Und der Schmidt-Sound klingt durch bis in Schlüters jüngste Arbeiten, bis in den Auftakt des Mozart-Brahms-E.T.A.-Hoffmann-Admiral-Nelson-Benjamin-Franklin-Glasharmonika-Romans „Die englischen Schwestern“ von 2010, den das deutschsprachige Feuilleton überwiegend und völlig zu Unrecht links liegen ließ, bis in Schlüters in den mehr als wohlfeilen Straelener Manuskripten am 7. Juli (Mahlers Geburtstag; Zufall?) 2011 herausgekommene Übertragung der Balladen, Sonette und Versepen des Romantikers and Lovely-Lake-District-Poeten William Wordsworth, die mein Freiburg-Leipziger-Freund Elmar Schenkel im April in der FAZ feierte.
Fink, Wolfgang? 1954 in Reutlingen geboren, studierte Fink im nahen Tübingen Musikwissenschaft, spielt(e) Trompete, lernte als künstlerischer Direktor des Orchestre National de Lyon die französischen, als Director of Artistic Operations beim Sidney Symphony Orchestra die australischen Rot- und die Weißweine aus Neuseeland schätzen, während seiner Zeit an der Alten Oper in Frankfurt womöglich den Ebbelwoi und, seit Herbst 2008, als Intendant der Bamberger Symphoniker – Bayerische Staatsphilharmonie, eventuell den Silvaner fränkischer Provenienz. Vor zwei Jahren galt die von Fink, von Chefdirigent Jonathan Nott und Mitarbeitern getragene erste Biennale Bamberg dem Schaffen Gustav Mahlers, die zweite 2012 jetzt, von heute Abend an, jenem weitgespannten Schönklangkosmos Mozarts.
Wolfgang Amadeus Mozart? Da fehlen uns die Worte, da lassen wir lieber Musik laut werden. Und zwar über die „Zauberflöte“ hinaus, jenseits der g-moll-Symphonie, jenseits des Adagios aus dem Klarinettenkonzert KV 622 (Meryl Streep, die Bezaubernde, lauscht ihm in „Jenseits von Afrika“, es spielt Jack Brymer, ehemals Solo-Klarinettist des London Symphony Orchestra; ach ja, nebenbei, Brymer hat, wie Mozart, an einem 27. Januar das manches Mal gar nicht so schöne Licht der Welt erblickt) . Etwa „La finta giardiniera“, von 1775. Die wir 1984, also fünf Jahre, ehe Fink an der Frankfurter Alten Oper Dramaturg wurde, ebendort erlebten, die Anglistik-Kommilitonin Myriam Porn (unter dem Nachnamen hat Myriam, erstaunlicherweise, nie gelitten) zur Linken, und Margot Fielmann, die Mozart mehr liebte als mich, zur Rechten.
Über „Die Gärtnerin aus Liebe“, den fast noch jugendlichen Operngeniestreich Mozarts, über Wolfgang Amadeus, tauschten sich bei der jüngsten Montags-Soirée des Richard-Wagner-Verbandes Bamberg im oberen Foyer der Konzerthalle Wolfgang Schlüter und Wolfgang Fink aus. Schlüter hat die „Gärtnerin“ um Zwischentexte erweitert, die Rezitative gestrichen. Die „Bamberger Fassung“ ist – in zwei Teilen – an diesem Wochenende in einer konzertanten Aufführung, unter anderem mit einem jungen Solisten-Ensemble von der Bayerischen Theaterakademie August Everding München, im Joseph-Keilberth-Saal zu hören, primo 19 Uhr, heute, secundo abends, um sieben, morgen, wenn die Welt wenigstens in der Konzerthalle noch in Ordnung ist (nicht Liszt, sondern Last).
Da man am Montagabend vor Wagnerianern sprach, durfte, neben Mozart, auch Beethoven nicht fehlen, dessen Neunte. „Das Schlüsselwerk für Richard Wagner war zweifellos Beethovens Neunte Symphonie“, sagte Schlüter. Die habe er ja (also Wagner) immer wieder aufgeführt – wie Gustav Mahler im übrigen auch. „Die Musik wird dort am Ende wirklich poetisch, indem sie zuletzt auf das Wort zurückgreift, und das ist eigentlich etwas, von dem Wagner selber sich erhoffte, d o r t weiterzumachen.“ Sagte Schlüter.
Wie dieser, bei seinem Vornamensvetter Mozart, mit dem Wort weitermachte, dazu hat er auch etwas gesagt. Wir schweigen darüber, bitten stattdessen um den Opernbesuch am Wochenende, wenn Musik Wort wird, und Worte Musik. Wie das geht? Schlüter weiß es. Und beweist es. Nicht zum ersten Male.
NB: „Mozart & the Wolf Gang“ ist ein Roman von Anthony Burgess, in Mozarts zweihundertstem Todesjahr erschienen, in London, bei Hutchinson.