Heinrich Schwimmbeck
Es ist wieder etwas los! In diesen Tagen sind alle Augen auf die fesselnden und faszinierenden Ereignisse in den Fußballstadien gerichtet. In jedem Fall hierzulande, wo wir uns wieder einmal einen großen Erfolg der deutschen Mannschaft erhoffen.
Es ist bekannt, uns aber nicht jeden Tag bewusst, dass „die Politik“ solche Ereignisse gerne dazu nutzt, ohne großes Aufsehen Entscheidungen zu treffen, die einer eifrigen Prüfung und Zuwendung der Bürger nicht standhalten würden. So auch in diesen Tagen, in denen die Gelegenheit wieder Diebe macht.
Fiskalpakt – der ganz Große unter den Dieben!
Geklaut werden diesmal in ganz großem Stil, europaweit und möglichst unumkehrbar, soziale und demokratische Errungenschaften der vergangenen vielen Jahrzehnte. Die Diebstahlvariante hört diesmal auf den Namen „Europäischer Fiskalpakt“, sie ist der große Bruder der Agenda 2010, die Schröder mit SPD und Grünen im Jahr 2005 unter Billigung und Beifall von Union und FDP einführte.
In den Zeitungen und im Fernseher wird der „europäische Fiskalpakt“ nicht unbedingt verschwiegen. Er darf sich zeigen, sogar in schönem Gewande, um nicht zu sagen in lügnerischer Verkleidung. Es wird getan, als sei er ein Retter, oder eine Maßnahme, die „Schuldige“ an einer europäischen Finanzkrise an die Kandarre nimmt. Sein wahres Räubergesicht wird nicht gezeigt, auch nicht wie groß die Tasche ist, die er auf seinem Raubzug füllen will. Und auch nicht, zu wessen Verwendung das Diebesgut bestimmt ist.
Fiskalpakt – Speerspitze der Katastroika!
Der Fiskalpakt wird harmlos als „europäische Schuldenbremse“ bezeichnet. In voller Wirklichkeit betrachtet sollen und werden die europäischen Staaten damit all das in ihre Grundgesetze schreiben, was die Europäische Kommission den Griechen, Italienern und Spaniern bereits aufgebürdet hat. Den Gürtel enger Schnallen bis zum Erbrechen, Sparen bis zur Erschöpfung, Medikamente nehmen bis zum Garaus. Der Fiskalpakt zementiert Sparen und Sozialabbau, er ermöglicht es, Krisen nutzen, um den Bürgern der Staaten das letzte Hemd auszuziehen. Guten morgen, Katastroika!
Besonders am Beispiel Griechenlands wird offensichtlich, dass das Sparen die Krise eines Landes nicht heilt, sondern weiter vertieft. Sparen dient nicht der Genesung, sondern es ermöglicht das letzte Auszehren des Landes. Der Fiskalpakt ist kein Retter, er ist Räuber. Die vorgefundenen Staatskrisen entstehen auch nicht in erster Linie dadurch, dass die Staaten oder deren Bürger über ihre Verhältnisse gelebt hätten; sie sind erheblich der Last der Bankenrettungen geschuldet. Die europäische Schuldenbremse und ihr Zwang zum Sparen sind deshalb auch nicht als Maßnahme nötig oder geeignet, schuldhaftes „Leben über den Verhältnissen“ einzudämmen.
Fiskalpakt – Bürger nicht mehr gefragt!
Der Fiskalpakt verpflichtet die Staaten, im Grundgesetz eine Vorgehensweise zur „Haushaltskonsolidierung“ bei übermäßigen Schulden (das gilt nach jetzigem Stand auch die BRD) festzuschreiben. Die EU-Kommission, die von niemandem gewählt wird, erlässt dafür die Richtlinien, sie überwacht und sanktioniert. Von da an bestimmt nicht mehr der von den Bürgern gewählte Bundestag über die Haushaltspolitik. Man könnte ja darüber reden, ob die internationale Finanzpolitik nicht besser in europaweiten Parlamenten geregelt werden sollte als durch nationale Parlamente; es muss sich aber dringend um ein von den Bürgern gewähltes Gremium handeln; ein solches gewähltes Gremium, das EU-Parlament, gibt es, es hat aber nach dem Fiskalvertrag keinerlei Rechte – Vertreter des EU-Parlaments dürfen bei den Sitzungen des Gouverneursrats nicht einmal anwesend sein. Mit der Zustimmung zum Fiskalpakt entmachtet der Bundestag sich selbst und die Bürger. Diebstahl von Mitspracherechten der Bürger, Verlust eines dicken Brockens von Demokratie!
Der Räuber und sein Auftraggeber
Wie schon jetzt in den europäischen Krisenstaaten, zahlen durch die Vereinbarungen des Fiskalpakts nicht die wirklichen Krisenverursacher, sondern das Gros der Bürger. Es ist offensichtlich, wer hier beraubt wird. Nicht so leicht auszumachen ist, für wen das ganze Diebesgut bestimmt ist, oder wer denn davon etwas hat, wenn ganze Volkswirtschaften ruiniert werden. Sicher: Von den Finanzkrisen und Gegenmaßnahmen profitieren Menschen, die ohnehin schon viel Geld haben. Muss man aber deshalb soziale Errungenschaften eines ganzen Kontinents schleifen? Oder wird hier wirklich nur die ideologische Verirrung der Chicagoer Schule umgesetzt, nach welcher soziale Errungenschaften dem Gesetz des freien Marktes entgegenstehen und deshalb „des Teufels“ sind und ausgemerzt werden müssen?
Bundesverfassungsgericht muss es richten? Volksbefragung!
Wie damals mit der Agenda 2010, so ist heute von der sog. „Opposition“ von SPD und Grünen keine wirkliche Kritik, geschweige denn Gegenwehr, zu vernehmen. In der Diskussion betreiben sie Kosmetik und versuchen, damit ein eignes Profil vorzugeben. Gegen die entscheidenden Merkmale des Fiskalpakts regt sich kein Widerspruch. Die Hoffnung auf ein Rückzug der Zustimmung der BRD beruht derzeit auf einem Veto des Bundesverfassungsgerichts, das auf Anrufung durch DIE LINKE und weiterer besorgter Menschen geht. Doch darauf sollten und können wir Bürger nicht auf ewig bauen. Es geht um unsere Rechte, um unsere sozialen Errungenschaften.
Über einen Fiskalpakt nach dem Muster, wie er aktuell zur Abstimmung steht, müssen die Bürger befragt werden. Über die Folgen der Vereinbarungen des Fiskalpakts muss umfassender informiert werden, Sinn und Unsinn von solcherart weitreichenden politischen Festlegungen muss vorher ausgiebig diskutiert werden.
Es ist deshalb zu fordern: Unterzeichnung des Fiskalpakts stoppen! Bürger informieren! Das Volk befragen!
Hinweis:
Regional nehmen sich die Bamberger Occupy-Gruppe und das „Bamberger Bündnis gegen die autoritäre Krisenpolitik der EU“ dieses Themas an.
Wann Treffen dieser Gruppen stattfinden, kann der Occupy-Homepage entnommen werden.