mit dem „Bamberger Violinduo“ und Th. Ganger
15. Juni 2012, 19 Uhr
in der Synagoge Memmelsdorf in Ufr./ Gemeinde Untermerzbach
Das Programm enthält einen weiten Bereich von Komponisten jüdischer Herkunft, die sich zum Teil völlig in ihrer europäischen Umgebung assimiliert hatten, z. Teil aber auch in authentischen Pfaden jüdischer Traditionen bewegten. Der Komponist Joseph Achron schrieb 1928 einen Aufsatz „Über die Situation der jüdischen zeitgenössischen Musik“. Diesen begann er mit der Frage: „Gibt es überhaupt eine jüdische Musik“? Dazu sagt er: „Die Frage ist für Leute, die sich dafür interessieren, immer noch aktuell. Es werden darauf verschiedene Antworten gegeben. Manche behaupten, dass es keine jüdische Musik gibt und dass es keine geben kann, weil die Juden keinen Boden haben, auf dem ein nationales Schaffen wachsen kann; die anderen berufen sich auf das Fehlen jüdischer Musikwerke in der Vergangenheit und schließen daraus, dass das jüdische Volk unmusikalisch ist; die Dritten beweisen im Gegenteil, dass jüdische Musik seit biblischen Zeiten existiert, auch wenn sie über die ganze Welt zerstreut ist und in verschiedenen Musikkulturen aufging; die Vierten versuchen, irgendeinen „jüdischen Geist“ in Werken zu finden, die keine Spur von diesem „Geist“ besitzen, obwohl sie von Juden komponiert wurden. Es gibt vermutlich noch andere Meinungen« …
Bereits 1915 war in russisch – jüdischen Medien ein Streit zwischen den beiden Vertretern der „Neuen Jüdischen Schule“, Joel Engel und Lazare Saminsky, darüber entbrannt, was als jüdische Musik zu gelten hat. Es ging dabei um verschiedene Bereich der jüdischen musikalischen Tradition: Um weltliche Lieder, halbreligiöse Gesänge (vor allem chassidische Melodien ohne Worte) und um die synagogale Musik. Für Engel war die musikalische Qualität ausschlaggebend, während Saminsky vor allem auf die Authentizität der Überlieferung Wert legte. Da die jüdischen weltlichen Lieder von der Folklore anderer Völker beeinflusst waren, bevorzugte er die Synagogenmusik, speziell die Motive, mit denen die Bibel vorgetragen wird – die sogenannten Kantillationen oder Tropen, die noch aus der Zeit des Zweiten Tempels erhalten sind.
Darius Milhaud (1892 – 1974), Sohn jüdischer Eltern, studierte in Paris u. a. bei Paul Dukas und Ch. M. Vidor. Er gehörte in den 1920er Jahren zu der „Groupe de Six“. 1940 verließ er Frankreich auf Grund der Kriegsereignisse und übernahm eine Professur in Oakland (Kalifornien). 1947 bis 1962 lehrte er am Pariser Konservatorium. In seinen Kompositionen spürt man Einflüsse des französischen Impressionismus sowie von Strawinsky, Bartok und jüdischer, lateinamerikanischer und afrikanischer Musik.
Erwin Schulhoff (1894 – 1942) war Pianist und Komponist aus der Tschechoslowakei und seit 1933 sowjetischer Staatsbürger. Er studierte in Prag, Wien und Leipzig, unter anderem war er Schüler von Max Reger. Später war er Lehrer am Prager Konservatorium, wo er 1941 verhaftet wurde. Er starb 1942 in Wülzburg, einem Nebenlager des KZ Dachau. Als Pianist widmete er sich sehr der neuen Musik. Als Komponist experimentierte er u.a. mit Vierteltönen. Er schrieb eine Kantate “Manifest“ nach Karl Marx, sowie Opern, Ballette und 6 Sinfonien.
Ernest Bloch (1880 – 1959) geboren in Genf, studierte dort, in Brüssel (bei Eugene Ysaye) und in München. 1920 Direktor des „Institute of Music“ in Cleveland und 1925 am Konservatorium in San Francisco. Er suchte nach spätromantischen Anfängen einen spezifisch jüdischen Stil zu schaffen und schrieb Opern, Orchesterwerke und Kammermusik. Bekannt ist vor allem seine Komposition „Schelomo“ für Cello und Orchester.
Joseph Achron (1886 – 1943) geboren in Polen trat als 7 jähriger Geigenvirtuose zum ersten mal in Warschau öffentlich auf. Von 1899 bis 1904 absolvierte er ein Studium in den Fächern Violine bei Leopold Auer, und Musiktheorie bei Anatoli Liadow. Er wurde 1911 Mitglied der „Gesellschaft für jüdische Volksmusik“ in Petersburg und komponierte u.a. die berühmte „Hebräische Melodie“ nach einer chassidischen Weise oder die „Stempenju – Suite“, inspiriert von der Romanfigur in Scholom Alejchems gleichnamigen Roman, 1931 uraufgeführt von Joseph Szigeti. Mit Lazare Saminsky, Joel Engel, Alexander Krein u.a. bildete er in Petersburg und Moskau die „Neue jüdische Schule“ und komponierte viele bekannte Werke für Violine nach jüdischen Volksmelodien. 1925 emigrierte er in die USA.
Wie Joseph Achron blieb auch Joel Engel (1868 – 1927), „einer der am meisten unterschätzten modernen Komponisten“, so Arnold Schönberg. J. Engel leitete über 20 Jahre lang die Musikredaktion der Tageszeitung „Moskauer Nachrichten“ und konnte so die Musikrezeption entscheidend beeinflussen. Durch seine Bühnenmusik zum Schauspiel Hadibuk am Theater Habima wurde sein Name weltweit bekannt. Das Stück ist ein Klassiker der jiddischen Literatur und seine Aufführung stellt einen Höhepunkt jüdischer Kultur in Russland dar. 1924 ging Engel nach Palästina.
In Deutschland wurden jüdische Künstler und Musiker von 1933 an massiv behindert und verfolgt, aber ab 1948 wurden jüdische Künstler auch in Russland unter Stalin verfolgt und in Strafgefangenenlager deportiert. Den jüdischen Musikern, die – wie Achron, Engel und Saminsky – zu dieser Zeit im Ausland lebten, blieben die physischen Verfolgungen der Stalin – Ära zwar erspart, von ihren kulturellen Wurzeln waren aber auch sie abgeschnitten.
Henri Wieniawski (1835- 1880) war der Sohn eines polnisch – jüdischen Arztes und zeitweilig in St. Petersburg tätig und dann, als wichtigster Vertreter der franko – belgischen Geigenschule, am Brüsseler Konservatorium. Er ist für alle Geiger einer der bekanntesten romantischen Komponisten virtuoser Violinmusik. Er schrieb 2 Violinkonzerte und viele von polnischer Musik inspirierten Mazurken und Polonaisen. Auch sein Studienwerk „L. ecole moderne“ wird noch heute viel gespielt.
Maurice Moszkowski (1854 – 1925) Komponist polnisch – jüdischer Abstammung, wurde in Breslau geboren und galt als einer der besten Klaviervirtuosen seiner Zeit. (Th. Beecham war sein Schüler). Er lebte in Paris, schrieb viele Klavierwerke z. B. die „Spanischen Tänze“, Kammermusik, ein Klavierkonzert, Opern, eine sinfonische Dichtung sowie verschiedene andere Orchesterwerke.
- Darius Milhaud: Sonate für 2 Violinen und Klavier (1914)
(1892 – 1974) Animé, Modéré, Très vif - Erwin Schulhoff: 5 Etudes de Jazz für Klavier (1927)
(1894 – 1942) Charleston, Blues, Chanson, Tango, Toccata - Ernest Bloch: „Nigun“ für Violine und Klavier
(1880 – 1959) (Nr.2 aus „Baal Shem“ – „Bilder aus dem Chassidischen Leben“) - Joel Engel: Zwei Stücke op. 20 für Violine und Klavier
(1868 – 1927) 1. Chabader Melodie, 2. Frejlachs - H. Wieniawski: „Etude – Caprice” (Tempo di Saltarella)
(1835 – 1880) op.18 Nr. 4 für 2 Violinen solo - Joseph Achron: „Hebräische Melodie“
(1886 – 1943) - Maurice Moszkowski: Suite für 2 Violinen und Klavier
(1854 – 1925) Allegro energico, Allegro moderato, Lento assai, Molto vivace
Es spielt das „Bamberger Violinduo”
Eva Wengoborski – Sohni (1. Geigerin der Bamberger Symphoniker) und
Manfred Wengoborski Violine
Theodore Ganger Klavier
Der Eintritt ist frei. Um eine Spende wird gebeten.