Winnie Wenzel
Zum dritten Mal schaffte der amtierende Weltmeister das Kunststück, den 2007 in Mexiko errungenen Titel zu verteidigen. Boris Gelfand hatte ihm in der Moskauer Tretjakow-Galerie einen zähen, allerdings nicht immer absolut hochklassigen Fight geliefert, bei dem nur allzu viele Partien remis ausgegangen waren. Beobachter der WM sind sich weitgehend einig, dass Anand dieses Mal nicht so stark aufgetreten war wie bei seinem Bonner Erfolg 2008 gegen Wladimir Kramnik. Ein Stück weit mag dieser Eindruck auch dem Gegner geschuldet sein.
Der Israeli Boris Gelfand war während der regulären Partien zumeist bestens präpariert und verstand es, die Angriffsversuche des Weltmeisters frühzeitig abzublocken bzw. zu ersticken. Als große Ausnahme wird die achte Partie im Gedächtnis der Schach-Welt verbleiben, bei der Anand in der kürzesten WM-Partie der Schach-Historie seinem Herausforderer einen bösen Konter verpassen konnte, nachdem dieser unmittelbar zuvor die Führung im Match übernommen hatte. Nachdem sich die Kontrahenten bei Abschluss der vereinbarten 12 Normalpartien die Punkte geteilt hatten, ging es in den Tie-Break mit zunächst vier Schnellschach-Begegnungen. Anand gilt hier weltweit als unumstritten Bester und in der Tat behielt er auch schon in der ersten Runde des Stechens – zu „Blitz“ und „Armageddon“ sollte es also nicht mehr kommen – gegen Gelfand, der als Weißer alles versuchte, die Oberhand.
Während viele der regulären Partien von einer gepflegten Langeweile begleitet waren, ging es beim Schnellschach turbulent und spannend zu. Wenn man danach fragt, woran es am Ende gelegen hat, dass Anand das bessere Ende für sich hatte, wird man auf sein überlegenes Zeitmanagement verweisen müssen. Gelfand brachte sich selbst fast immer frühzeitig in Zeitnot und hätte auf diese Weise schon die erste Schnellschach-Partie leicht verlieren können. In der zweiten war es dann so weit; der Israeli hatte sein Bedenk-Polster verspielt und musste sich lange mit den 10 Sekunden pro Zug behelfen, die ihm dann noch zustanden. Das konnte auf Dauer nicht gut gehen. Anand setzte ihn permanent unter Druck und gewann schließlich ein Turmendspiel. Seine zweite Weiß-Chance legte Gelfand einmal mehr kreativ an, kam aber wieder mit der Zeiteinteilung nicht gut zurecht. Anand trotzte ihm ein Remis ab und musste bei der letzten Partie nichts mehr riskieren. So endete die WM wie sie begonnen hatte: Mit einem Unentschieden in der Partie und dem gleichen Weltmeister. Das Preisgeld von knapp zwei Millionen Euro wird zwischen beiden Spielern im Verhältnis 55:45 geteilt.
Wie wird’s weitergehen? Viswanathan Anand soll seinen Titel Ende 2013 auf’s Neue verteidigen, wahrscheinlich im indischen Chennai. Sein nächster Herausforderer wird im kommenden Frühjahr in London ermittelt. Da ein Turnier gespielt wird, sind die Chancen für Magnus Carlsen nicht schlecht. Das könnte spannend werden, wenn ein besonnener Weltmeister auf einen kreativen Heißsporn trifft …