von Christiane Hartleitner
Vor über 20 Jahren begleiteten 5 Fotografen Bamberger Gärtner und Häcker: bei der Feldarbeit, bei der Arbeit in Haus und Hof, beim Verkauf ihrer Erzeugnisse, beim Feiern und Ruhen. Der Alltag und die Feste sind dokumentiert, eben der Lauf des Jahres und des Lebens.
Benät – Keesköhl – Stazinäri
In drei Räumen in der Hofhaltung hat das Historische Museum in der Alten Hofhaltung die eindrucksvolle Ausstellung Benät – Keesköhl – Stazinäri konzipiert, die sich sehen lassen kann – nein, die man gesehen haben sollte. Auf eigens angefertigten Gestellen mit hölzernen Platten liegen die fein gerahmten Schwarz-Weiß-Bilder wie Früchte auf den Verkaufsstellagen am Bamberger Grünen Markt. Beschirmt, nebenan die Waage. Als könnte man wiegen, was solch ein Leben ausmacht. Man kann es freilich nicht, aber man erhält eine Vorstellung davon. Die Bamberger Gärtner und Häcker sind weniger Bauern als mehr Stadtbewohner mit landwirtschaftlicher Tätigkeit. Ihr Beruf dient der Versorgung mit Lebensmitteln. Dass sie dies mit Stolz erfüllt, kommt ebenso zum Ausdruck wie die Mühe und die körperliche Anstrengung. Sowie der Druck der städtischen Veränderung.
Gleich im ersten Raum treffen wir auf Margareta Erlacher. Sie muss damals 97 Jahre gewesen sein, als Erich Weiß sie während einer Ruhepause auf dem Feld antraf, in eine Wolldecke gehüllt, offensichtlich stolz auf ihr Land und stolz auf ein erfülltes Leben zurückblickend. Andere wettergegerbte Gesichter sind dabei: Adam Rost bei der verdienten Pause, ebenso wie Kuni Stürmer, beide vom Fotografen Werner Kohn porträtiert. Auch Lisl Rost ist dabei, die elegante Variante der Humsara.
Neben diesen Porträts sind es natürlich die Landschafts- und Arbeitsbilder, die das Leben der Gärtner und Häcker dokumentieren. Die Fotografen durften ihnen bei der alltäglichen Arbeit im häuslichen Umfeld zusehen, in Arbeitskleidung, mit ihren berufsspezifischen Attributen sind sie zugange. Der Betrachter erhält eindrucksvolle Einblicke in die Lebenswelt der Stadtbürger mit ihrem Vieh. Die Vertrauensbasis zwischen Fotograf und „Modell“ muss enorm gewesen sein. Aber auch atemberaubende Tätigkeiten vor der wunderbaren Silhouette Bambergs mit Dom und Altenburg. Zum das Gärtnerjahr bestimmenden Jahreskreis gehört auch das Feiern und Verehren. Die Fotografen halten die Kirchweih-Feiern, die Vorbereitungen zur Prozession und die traditionellen Flurumgänge fest. Natürlich auch die positive Sturheit, wenn man weiß, dass der Altar vor dem Autohaus Hering seit Generationen hier stand, weil dies der Standort einer alten Marter war.
Das Gärtnerland weckt Begehrlichkeiten
Doch die fotografische Intention geht weiter: Im letzten Raum bekommt der Besucher eine Vorstellung vom Druck auf die städtische Gärtnerkultur: vom Druck der Industrialisierung, vom Druck der Gewerbegebiete, vom Druck des sich immer weiter ausbreitenden Straßenraums. Zunächst ist es die Eisenbahn, die die Felder weiter parzellierte und verkleinerte. Das Gärtnerland weckt Begehrlichkeiten, bis heute. Die Wohnbebauung mit den Hochhäusern rückt den Gärtnern auf die Pelle. Die traditionellen Wege der Gärtner zum Feld sind heute betoniert, von Autos umtost, wo der Traktor zum Störfaktor wird. Der vielspurige Berliner Ring macht sich auf kostbarem Ackerboden breit. Das hochwertige Schwemmland der Regnitz, über Generationen kultiviert und Grundlage der Bamberger Lebensmittelversorgung wurde gnadenlos für minderwertige Wohnbebauung und lärmenden und stinkenden Straßenbau verschwendet: die Tragödie des 20. Jahrhunderts.
Von Januar 1990 bis Mai 1993 haben Jürgen Hoh, Paul Hovorka, Franziska Reif, Werner Kohn und Erich Weiß die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Gärtner und Häcker in mehreren hundert Bildern festgehalten. 300 davon hat das Historische Museum aufgekauft. Sie wurden erstmals im Oktober 1993 im Historischen Museum Bamberg gezeigt. 1994 konnte die Ausstellung auf der Landesgartenschau in Hof präsentiert werden. Der begleitende Bildband Benät – Keesköhl – Stazinäri. Bamberg – seine Gärtner und Häcker. Bamberg 1993 ist heute leider vergriffen. In Auszügen kann er in der Ausstellung nachgelesen werden.
Eine Investition in Kunst und Zukunft
Städte tun gut daran, solche Projekte zu fördern und deren Dokumente zu erwerben. Köln ist zu Recht stolz auf die Hinterlassenschaft August Sanders. Bamberg hat mit den historischen Fotografien von Alois Erhardt aus den Jahrzehnten vor 1900 und danach ein echtes Schatzkästchen. Sie sind aus der heutigen Bamberg-Forschung nicht mehr wegzudenken. Die Sammlung der Arbeiterfotografien wären geeignet für eine Dauerausstellung in unmittelbarer Nähe des Gärtner- und Häckermuseums, wo man sich ausführlicher – weit ausführlicher als dies hier geschehen kann – mit dieser auseinander setzen und Vorkehrungen für den Erhalt der Stadtgärtner diskutieren könnte. Die jetzige Ausstellung kann dazu anregen, in solche Projekte vermehrt zu investieren. Es ist eine Investition in die Kunst und in die Zukunft. Auch in die Zukunft des Gärtnerviertels, das fundamental zum Weltkulturerbe gehört.