Eine Betrachtung von Christiane Hartleitner
Welch eine Gnade! Die Bamberger dürfen sich glücklich schätzen, hier zu leben. Die Dichte hochanspruchsvoller Kunst aller Gattungen vor der eigenen Haustür ist bekanntlich in Bamberg enorm. Ja, sie macht glücklich. In diesem Jahr darf man als Bamberger getrost auf die beliebten Kunsttripps verzichten. Köln – Barcelona – Paris? Nein, heuer ist Daheimbleiben angesagt.
„Ein Spaziergang durch die Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts“
(Richard H. Mayer)
Die Ausstellung 12 Kunsträume von Picasso zu Beuys ist wahrlich ein „Spaziergang durch die Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts“. Der Bamberger Sammler und international gefragte Leihgeber Richard H. Mayer hat die Schau mit über 200 Druckgrafiken und Aquarellen von Picasso, Chagall, Dalí, Kandinsky, Nolde, Lichtenstein, Beuys und vielen anderen Künstlern bestückt und konzeptionell begleitet. Ideengeber war der Förderverein der Landesgartenschau Bamberg e.V. unter Vorsitz von Dr. Hohmuth. Gemeinsam mit Dr. Saalmann von den Museen der Stadt Bamberg konnte Mayer für die nicht leicht bespielbare Villa Dessauer ein überzeugendes Konzept mit den 12 Kunsträumen entwickeln. Schwerpunkte liegen auf grafischen Arbeiten und Unikaten, aber auch Modelle, wie die „Wurst“ von Christo und Jeanne Claude der documenta IV in Kassel von 1968, und Mirós Illustrationen in Buchform.
12 Künstler – 12 Entwicklungslinien – 12 künstlerische Positionen. Chronologisch aufbereitet führt die Ausstellung den Besucher entlang der Brüche und der Vielfalt, die die Kunst des 20. Jahrhunderts prägen.
Der wohl einflussreichste Künstler der Moderne, Pablo Picasso, empfängt mit meisterhaften Werken den Besucher, leitet weiter an die spanischen Landsleute und Vertreter des Surrealismus in seiner Bandbreite, Joan Miró und Salvador Dalí. Hans Bellmer schließt den Reigen der Surrealisten im Untergeschoss, bevor im Obergeschoss der Staffelstab an den Expressionismus mit den Künstlergruppen Brücke und Blaue Reiter weiter gereicht wird. Max Beckmann, Ernst Ludwig Kirchner, August Macke, Franz Marc, Emil Nolde, George Grosz …
– gehängt Rahmen an Rahmen, mehrfach übereinander, einer Atelierwand gleich, vorwiegend in Schwarz/Weiß in Anlehnung an die Gruppenausstellung des Blauen Reiters von 1912 in München. Daneben Marc Chagall mit typischem Parisbild und Liebespaar, bevor ein Tauchgang in die vegetabile Formensprache von Friedensreich Hundertwasser erfolgt.
Im Lichthof gehen die kontrast- und formenreichen Grafiken von Victor Vasarely eine faszinierende Synthese von Exponat und Architektur ein. Die Klein- bis Kleinstserien der Verpackungskünstler Christo und Jeanne Claude verdeutlichen den Werkprozess des Verbergens. Zur Bandbreite der Kunst des 20. Jahrhundert gehört die Pop Art, hier vertreten durch Roy Lichtenstein und Andy Warhol, und deren idealtypischem Gegenspieler Joseph Beuys, dem der letzte Raum gewidmet ist und der den Reigen beschließt.
Eine Ausstellung von hohem Anspruch mit den namhaften Künstlern des 20. Jahrhunderts – eine Herausforderung, besonders in einem zwar repräsentativen, aber letztendlich doch privaten Wohnhaus, der Villa Dessauer. Ein informativer und hochwertig gestalteter Katalog (15 €) vermag eine Fortsetzung des Kunstvergnügens auf dem heimischen Sofa. Alles in Allem eine respektable Leistung für eine Stadt mit 70.000 Einwohnern: Baasd scho
Die Ausstellung 12 Kunsträume von Picasso zu Beuys hat nicht nur zahlreiche Besucher verdient, die inspiriert und beglückt die Villa Dessauer verlassen, sondern eine besondere Art der Würdigung. Der möchten wir gerecht werden – mit 12 Würdigungen. Denn Erfreuliches blieb bislang unerwähnt, wie die sorgfältige Hängung von Dalìs Die Fruchtverkäuferin über dem Kamin zwischen den Dessauer-Eltern. Daher wollen wir in loser Folge mit 12 Beiträgen durch die Ausstellung führen: von Raum zu Raum – von Bild zu Bild – von Künstler zu Künstler.
Eine Breker Plastik in der Jüdischen Villa!
Das kann doch nur Unkenntnis der Ausstellungsmacher sein… Aber nein, sie wird unkommentiert auch in der Heimatzeitung abgebildet. (… und auch hier. s.Oben, von Vorne und Hinten). Gibt es denn kein Korrektiv, keinen Sachverstand in der Stadt?
Da bin ich dankbar über diesen Kommentar von M. Spiegel in der Onlinezeitung. Gibt es sonst niemand, der daran Anstoß nimmt? Liegt Bamberg so tief in der Provinz, dass ein Werk von Hitlers Lieblingsbildhauer nun exponiert in der Villa Dessauer stehen darf, aus der Ihre jüdischen Besitzer deportiert wurden? – und fast KEINEN interessiert das???
Ist der Kunstverstand auf große Namen abonniert und dann ist alles kritiklos einfach nur toll??? Hauptsache die Namen und Köpfe der berühmten Künstler sind präsent und professionell mit großem Werbeaufwand aufbereitet. Da schaut man die Werke (die übrigens von den Abbildungen ihrer Macher optisch erschlagen werden) nicht mal richtig an.
Schade, dass die Qualität der Ausstellung den Aufwand und die Kosten, die meines Wissens aus öffentlichen Töpfen und Stiftungen bezahlt wurden nicht rechtfertigt. 140.000,00 € hätte man auch Anders investieren können. – und Herr R. Mayer ist nicht nur Leihgeber, er ist Händler, und in dieser Profession wurde er für seine „Leihgaben“ natürlich auch ordentlich bezahlt. Aber auch das sagt Keiner, obwohl es nicht verwerflich ist in seinem Beruf auch Geld zu verdienen.
Muss man für die Bamberger Landesgartenschau mit einer Skulptur von Arno Breker werben? Es ist schon ein Treppenwitz der Geschichte, dass ausgerechnet dem Bildhauer Arno Breker die Ehre zukommt, auf dem Titelbild des Fränkischen Tages für die Kunstausstellung der Bamberger Landesgartenschau zu werben.
Arno Breker war der prominenteste Bildhauer des Dritten Reiches. Er arbeitete eng zusammen mit Albert Speer und bekam immer wieder Aufträge für Bauplastik an den gigantomanischen Gebäudeentwürfen der Architekten, die Hitlers monumentale Umgestaltung Berlins zur „Hauptstadt des Großgermanischen Reiches“ vorantrieben. Breker schuf 1937 die Großplastik „Prometheus“ für das Propagandaministerium in Berlin, den „Ikarus“ für die Dresdner Luftkriegsschule und die „Rosseführer“ für die Bauten der Wehrmacht in Dessau und bis 1939 die beiden Monumentalfiguren „Partei“ und „Wehrmacht“ für den Ehrenhof der Neuen Reichskanzlei in Berlin.
Für die geplanten Berliner Großbauten, darunter eine Halle mit der damals weltweit größten Kuppel, entwarf Breker bis in die 1940er Jahre Skulpturen für den „Brunnen am Runden Platz“, Reliefs für die geplante „Soldatenhalle“, für einen 240 Meter langen Relieffries an der geplanten Nord-Süd-Achse, eine Reihe heroisierender Darstellungen mit den Titeln „Fackelträger“, „Opfer“, „Rächer“, „Wächter“ und „Vergeltung“, „Kameraden“, und schließlich Reliefs für den „Großen Triumphbogen“ und den „Führerbau“.
Breker lieferte der nationalsozialistischen Rasselehre das entsprechende Bildmaterial: in seinen Skulpturen stellte er den Idealtyp des „gesunden arischen Menschentyps“ dar. Seine monumentalen Kriergerreliefs zielen auf eine äthetische Überhöhung von Kampf und Gewalt.
Breker nahm großen kulturpolitischen Einfluß auf die offizielle Präsentation der Kunst im Dritten Reich, indem er 1937 bis 1944 in der Jury zur „Großen Deutschen Kunstausstellung“ darüber urteilte, welche Künstler der offiziellen Linie entsprachen (also nicht im Sinne der „entarteten Kunst“ arbeiteten) und damit austellungsfähig waren.
Nach dem Kriegsende erhielt Breker keine öffentlichen Aufträge mehr, schuf aber eine Reihe von Porträtskulpturen für befreundete Industrielle (Hermann Josef Abs), Kunstsammler (Irene und Peter Ludwig) und Künstler (Salvador Dali).
Brekers kleine Bronzebüste von Salvador Dali, wie sie in der Ausstellung 12kunsträume in der Bamberger Villa Dessauer gezeigt wird, ist dennoch kein Unikat. Sie ist eine von 999 Exemplaren, die man aktuell im Internet-Kunsthandel für 6.880€ erwerben kann. Lieferzeit ca. 2-3 Wochen.
Auch die Architekturmodelle von Hundertwasser findet man im Übrigen beim „renommierten Kunsthandel“ Ars Mundi, limitierte Auflage 999 Exemplare, Lieferzeit 2-3 Wochen. Ob sch auch noch Exponate bei „Pro Idee“ finden lassen?