Berlin, 13.02.2012. Kurz vor einem Treffen von Bundesumweltminister Röttgen (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Rösler (FDP), bei dem sich die beiden auf eine gemeinsame Haltung zur geplanten EU-Energieeffizienzrichtlinie einigen wollen, forderten Umweltschützer Röttgen vor dem Umweltministerium auf, nicht einzuknicken. Eine Person mit überdimensionaler Rösler-Maske rang mit einem überdimensionalen Röttgen, wobei „Rösler“ mit einem Hammer versuchte, die Energiewende in Form von Dämmmaterial zu zerschlagen. Gleichzeitig protestierten Aktive des Kampagnenetzwerkes Campact lautstark dagegen. Auf Plakaten forderten sie „Energiewende retten“ und „Energieeffizienzrichtlinie nicht verwässern“.
„Wirtschaftsminister Rösler versucht die EU-Energieeffizienzrichtlinie zu verhindern und schädigt damit das ehrgeizigste Projekt der Bundesregierung, die Energiewende, nachhaltig. Umweltminister Röttgen darf in dieser Situation auf keinen Fall vor seinem Kabinettskollegen einknicken“, forderte Fritz Mielert von Campact. „Ohne einen effizienteren und sparsameren Einsatz von Energie droht die Energiewende zu scheitern. Es wäre deshalb fatal, wenn es Rösler gelänge, die EU-Energieeffizienzrichtlinie total zu verwässern.“
Ohne Effizienzverpflichtungen für die Energiekonzerne und die Vorgabe, neue thermische Kraftwerke nur noch mit Kraft-Wärme-Kopplung zu genehmigen, werde die geplante EU-Richtline völlig wirkungslos. „Rösler sabotiert nicht nur die Energiewende, er verhindert auch, dass Deutschland unabhängiger von teueren Energieimporten wird und die Energiekosten senken kann. Sein Widerstand gegen die EU-Richtlinie gleicht damit einem wirtschaftlichen Schildbürgerstreich“, sagte Mielert.
Am Dienstag beraten die EU-Energieminister über den Vorschlag der EU-Kommission zur Energieeffizienzrichtlinie. Deutschland wird in der morgigen Runde von Rösler vertreten. Im Internet haben über 74.000 Menschen einen Appell für die Rettung der Energiewende unterschrieben, der bereits an die beiden Minister übergeben wurde. Die Unterzeichner wenden sich gegen den Versuch von Bundeswirtschaftsminister Rösler (FDP) die geplante EU-Energieeffizienzrichtlinie zu „verwässern“. Deutschland dürfe die EU-Richtlinie für einen sparsamen und effizienteren Umgang mit Energie nicht länger blockieren, sondern müsse mutig voranschreiten, heißt es in dem Online-Appell (http://www.campact.de/klima/sn15/signer).
Und eine Stellungnahme aus dem betroffenem Gewerbe
von Dipl.-Ing.(FH) Christoph Götschel
Es ist schon unglaublich, was die beiden Minister Röttgen und Rösler da zusammengebastelt haben:
Es geht schlichtweg um den kompletten Kahlschlag der deutschen Photovoltaikbranche!
Mit einem Schlag soll die Vergütung für Strom aus Photovoltaik (PV) angeblich um bis zu 30% reduziert werden; in Wirklichkeit (da außerdem noch eine Kappung der vergüteten Strommenge vorgesehen ist, beträgt die Absenkung zwischen 32,2 und 33,8%, bzw. sogar 39,2% in der Anlagengröße 10 bis 30 kWp, wovon viele Dächer mit etwa 100 bis 250 mÇ Größe betroffen wären. Innerhalb von 70 Tagen (-15% zum 1.1.2012) würden demnach die Erträge um 42 bis 48 % zusammengestrichen!
Hinzu kommt eine große verfahrenstechnische Unsicherheit: wie schon 2010, soll das Gesetz rückwirkend wirksam werden, d.h. auch wenn das parlamentarische Verfahren einschl. Vermittlungsausschuss mehrere Monate dauern wird, bereits zum 9.3.2012. Richtiges Chaos würde entstehen, wenn eine Klage dagegen erfolgreich wäre.
Ich finde es hanebüchen, dass mit dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) die vermutlich erfolgreichste Gesetzesinitiative Deutschlands so leichtfertig auf´s Spiel gesetzt wird. In der Öffentlichkeit ist viel zu wenig bekannt, dass gerade der Strom aus PV die früheren Spitzen- Strompreise zur Mittagszeit an der Strombörse weitgehend beseitigt hat; und auf den gesamten EEG-Bereich bezogen, kam das „Röttgen-Ministerium“ BMU in seiner Veröffentlichung „Erneuerbare Energien in Zahlen“, von Juli 2011 zum Ergebnis, dass in 2008 und 2009 die Stromersparnis durch den sog. „Merit-Order-Effekt“ 0,58 bzw. 0,61 ct/kWh betrug, während die „privilegierten Unternehmen“ nur eine reduzierte EEG-Umlage von 0,05 ct/kWh bezahlen mussten. Das zusätzliche Stromangebot sorgte also zu einer kräftigen Entlastung bei den großen „Strom-Fressern“ während der Kleinverbraucher dies mit bezahlen musste.
Was bedeutet nun dieses Gesetz – sollte es so umgesetzt werden – für unsere Region? Da die Module nur noch weniger als die Hälfte der Gesamtkosten ausmachen, müsste man diese ab dem 9.3. umsonst bekommen, um den Einbruch halbwegs wettzumachen. PV-Anlagen müssen und sollen wie auch andere Energiegewinnungsanlagen über eine gewisse Zeit finanziert werden; aber selbst über 20 Jahre gerechnet, könnte mit den vorgesehenen Erträgen nicht mal die Finanzierung geschultert werden. Folglich werden in Deutschland bis auf Weiteres keine PV-Anlagen mehr ausgeführt. Am schlimmsten wird es die Produktionsstätten treffen; Bosch hat ja beispielsweise diesen Bereich gerade erst neu aufgebaut und wird die Investitionen vermutlich abschreiben müssen. Andere große und kleinere Unternehmen (Planer, Dienstleister und Handwerker) werden aufgeben, soweit sie nicht – wie z.B. IBC, immerhin einer der größeren Arbeitgeber im Landkreis Lichtenfels- auch international tätig sind.
Privatleute und Gewerbetreibende können zukünftig kein Geld mehr mit ihren Dachflächen verdienen (Im Gegensatz zu den Energieriesen, z.B. RWE im Jahre 2009 mit 26,6 % Rendite im Energiebereich, konnte man davon eh nicht reich werden). Eine Vielzahl von geplanten Projekten und unterschriebenen Verträgen können nicht ausgeführt werden. Auf dem teils erheblichen Zeit- und Geldaufwand bleiben die Betroffenen sitzen.
Die Solarbranche, lt. BMU 2010 mit 120.900 Beschäftigten und eigentlich mit besten Erfolgsaussichten, wird sterben; und glaubt jemand noch ernsthaft, dass wir dann noch PV-Anlagen nach Griechenland exportieren können, was eine der wenigen Möglichkeiten wäre, dort wieder Wachstum zu generieren.
… und vor allem wird die unerlässliche Energiewende verzögert und aus meiner Sicht insgesamt gefährdet. Dies lässt sich ganz gut an den vernünftigen Zielen der Bamberger Klima-Allianz festmachen:
Das „Fraunhofer-Institut UMSICHT, Oberhausen“ schreibt in seiner Zusammenfassung vom 28.5.2010, Seite 29: „Um das Ziel Energieautarkie 2035 zu erreichen, …“ müssen neben Steigerung der Energieeffizienz „… möglichst alle Potenziale zum Ausbau erneuerbarer Energien im Gebiet von Stadt und Landkreis Bamberg ausgeschöpft werden“. Für die Dachflächen in Stadt und Landkreis wird dort ein Energieerzeugungspotential von immerhin 361 GWh/a ermittelt. Gemäß des 2011 durch die Büros Holl und EGS erstellten Solarkatasters für Stadt und Landkreis sogar 743 GWh/a aus PV-Anlagen (nur Dächer außerhalb des Welterbes) erzeugt werden, immerhin mehr als 66% des für 2035 prognostizierten Strombedarfs. Angesichts der drastisch gefallenen Preise zeichnet sich ja durchaus ab, dass diese zukunftssichere Stromerzeugung, Klima und Ressourcen schonend, zudem mit überschaubaren, anfänglichen Mehrkosten, diesen gewaltigen Beitrag zur zukünftigen Energieversorgung leisten könnte, … wenn man Sie denn ließe!
Mit dem von den Bundesministerien geplanten Gesetz werden also Arbeitsplätze zerstört und die Energiewende beerdigt. Landrat und Oberbürgermeister müssten – wenn sie noch hinter den Zielen der Klima-Allianz stehen- schon längst bei Röttgen und Rösler dagegen protestiert haben.
Abschließend einen schönen Gruß nach Berlin:
Meine Herren Minister Rö & Rö: Stampfen sie diesen Gesetzentwurf ersatzlos ein, die bisherigen Absenkungen und die bereits gesetzlich vorgegebene zum 1.7.2012 (mindestens um 15%) treffen die Branche schon hart genug, wie an der bereits stattgefundenen „Wettbewerbsbereinigung“ (sprich: Insolvenzen) erkennbar. Eine Verstetigung weiterer Vergütungsansenkungen, z.B. monatlich ab dem 1.8. könnte noch obendrauf kommen, aber bitte in Maßen! Packen Sie stattdessen doch die dringend und tatsächlich anstehenden Probleme an: sie sollten z.B. mit einer gesetzlichen Regelung dafür sorgen, dass es finanzielle Anreize für die bitter notwendige Energiespeicherung gibt, z.B. durch Einführung einer Mindestdifferenz für die Speicherung nach Bedarf, gestaffelt nach unterschiedlichen Zeiträumen und sollten den Netzausbau beschleunigen, der im Wesentlichen durch die fragwürdige Priorität von offshore-Windanlagen erforderlich wurde (auch da sind sie den „4 Großen“ richtig auf den Leim gegangen!“; das wäre aber schon das nächste, durchaus ergiebige Thema. Beachten Sie: Die 4 Energieriesen sind lt. Aktienrecht nur ihrem eigenen Gewinn und den Aktionären verpflichtet, nicht jedoch an irgendeiner Lösung von gesellschaftlichen Problemen interessiert; also denkbar schlechte Ratgeber.