Naturforschende Gesellschaft Bamberg e.V.
Matthias Hammer von der Universität Erlangen berichtet bei der Naturforschenden Gesellschaft Interessantes und Neues aus der Fledermausforschung
Bei Kindern kämen Fledermäuse in ihrer Beliebtheit gleich nach den Dinosauriern, konstatierte Biologe Matthias Hammer von der Koordinationsstelle für Fledermausschutz, auch wenn sie durch ihre nächtliche Lebensweise nicht leicht zu beobachten seien. In Bayern sei ihnen ein Experten-Netzwerk von etwa 500 Personen auf der Spur, darunter viele Ehrenamtliche. Von den 25 im Freistaat vorkommenden Arten habe man in Stadt und Landkreis sage und schreibe 19 Arten gefunden. Das Spektrum reiche von der nur 5 Gramm schweren Zwergfledermaus bis zum 30 Gramm schweren Großen Abendsegler, von Kulturfolgern wie dem Mausohr, dessen Kolonien in Dachstühlen von Kirchen über tausend Tiere umfassen können, bis zur Mopsfledermaus, die in kleinen Gruppen unter Baumrinden in naturnahen Wäldern lebt.
Fledermäuse seien außergewöhnliche und faszinierende Geschöpfe. Sie sehen die Welt mit ihrem Gehör. Mit ihrem Ultraschallradar bauen sie sich ein Hörbild von ihrer Umgebung auf. Das war bis 1940 unbekannt, als es den instrumentellen Radar längst gab. Fledermäuse haben diese Technik bereits vor 50 Millionen Jahren „erfunden“. Sie stoßen pro Sekunde 10–15 Rufe aus in einem Frequenzbereich zwischen 18 und 110 Khz, den der Mensch zum großen Teil nicht hören kann, weil die Töne zu hoch sind. Glücklicherweise, meinte der Referent, da sonst die Nächte ziemlich laut sein würden. Nach den Menschen bilden die Fledermäuse unter den Säugetieren die größten sozialen Gruppen. Die Weibchen versammeln sich in mehr oder weniger großen Gebärgemeinschaften, sogenannten Wochenstuben. Jedes Weibchen gebäre pro Jahr nur ein Junges, das ausschließlich mit Muttermilch versorgt wird, bis es flügge ist. Die Paarung finde im Spätsommer nach der Aufzucht statt. Die einzelgängerischen Männchen warteten damit, bis die Wochenstube aufgelöst sei. Lange Zeit rätselte man, woher die Weibchen im nächsten Frühjahr ihre Jungen bekämen, liege doch der Winterschlaf dazwischen, währenddessen sie starr und bewegungslos in Höhlen hängen, mit einem Puls, der gegen Null geht, und einer von 37 Grad auf 4–6 Grad abgesenkten Körpertemperatur. Der geniale Trick bestehe darin, dass die Fledermausweibchen die Spermien der Männchen, die sie im Herbst begatten, speichern können und die Befruchtung erst nach dem Winterschlaf stattfindet. Der Winterschlaf, erläuterte der Referent, dauere von November bis April und werde in Höhlen, Kellern, Gemäuern und Stollen abgehalten. Im Bundesnaturschutzgesetz sei geregelt, dass die Quartiere von 1.10. – 31.3. nicht betreten werden dürften. Das sei, meinte Hammer lakonisch, vielleicht für Berlin so, in Bayern würde der Winterschlaf sich oft bis in den April hineinziehen, sodass man Höhlen nicht vor dem 1. Mai aufsuchen sollte.
An dem zackigen Gebiss sei leicht zu erkennen, dass Fledermäuse Räuber sind. Sie leben von Insekten und Spinnen und werden deshalb manchmal auch „Schwalben der Nacht“ genannt. Selbst sind sie Beute der ebenfalls nachtaktiven Eulen.
Im zweiten Teil seines Vortrages ging der Referent auf einzelne Arten ein, so das Mausohr mit seinen großen Kolonien in Kirchen. In Bayern gebe es 290 Kolonien, in Nordbayern 120, etwa 50.000 Tiere. Die Art habe sich durch die Arbeit der Fledermausschützer gut erholt. In den 80er Jahren waren ihre Bestände stark eingebrochen. Eine der größten Kolonien sei einstmals in der Bamberger Martinskirche zuhause gewesen. Derzeit habe die individuen-reichste Kolonie Bayerns mit 2500 Tieren ihre Wochenstube im Landkreis Bamberg. Insgesamt gebe es 5 Kolonien im Landkreis. Heutzutage werde bei Kirchensanierungen routinemäßig die Koordinationsstelle für Fledermausschutz eingeschaltet, um Bauzeiten und Vorgehen auf den Lebenszyklus der streng geschützten Tiere abzustimmen.
Eine andere bemerkenswerte Art in der Umgebung von Bamberg sei die Nymphenfledermaus. Man habe sie dort erst 2014 entdeckt, östlich der Stadt im Hauptsmoorwald. Überhaupt sei diese Art erst sehr spät als eigene Spezies erkannt worden. Ihre Erstbeschreibung fand 2001 nach einem Fund in Griechenland durch Professor Helverson von der Universität Erlangen statt. Intensive Nachforschungen der letzten Jahre im Auftrag des Landesamtes für Umweltschutz und der Regierung von Oberfranken ergaben, dass die Art gar nicht so selten ist, aber ziemlich versteckt in naturnahen, bachdurchströmten Wäldern lebt.
Nach der allgemeinen Erholung der Fledermausbestände in den vergangenen 20 Jahren, schloss Hammer seine Ausführungen, sei jetzt durch Ausbau der Windenergie eine neue Gefahrenquelle für die Tiere aufgetaucht. 9 der 25 bayerischen Arten seien schlaggefährdet. Dabei spiele nicht nur die direkte Verletzung durch Windflügel eine Rolle, sondern der Unterdruck, der durch ihre Drehung in der Umgebung erzeugt wird. Er führe zum sogenannten Barotrauma, dem Platzen der Lungen, wenn die Tiere zu nah an den Rotor geraten. Dem wirke man entgegen, indem man die Betriebszeiten der Windräder auf die Aktivitätsphasen der Fledermäuse abstimme. Sie würden durch ein sogenanntes „Gondelmonitoring“ bestimmt, aus dem Steuerungsalgorithmen entwickelt würden. Das funktioniere gut. Man könne die Zahl der Todesopfer dadurch deutlich absenken. Das koste nur 1–3% des Jahresertrages an Energie.