Am kommenden Mittwoch soll der Stadtrat in einer Vollsitzung die vom städtischen Immobilienmanagement gewünschte Parkierungsanlage um St. Getreu durchwinken (Parken und Verkehr im Berggebiet). Der Verein Bewahrt die Bergstadt richtet sich in einem Appell an die 44 Mitglieder des Stadftrates und zieht gleichzeitig Bilanz der Versprechungen von städtischer Seite, die nicht eingehalten wurden.
Bewahrt die Bergstadt
Sehr geehrte Frau Stadträtin, sehr geehrter Herr Stadtrat,
Sie haben bereits ein Schreiben der denkmalschützenden Vereine erhalten (hier). Wir möchten uns trotzdem noch mit detaillierteren Aussagen an Sie wenden. In der Presse war von einer „Kriegserklärung“ uns gegenüber die Rede. Das beschreibt zutreffend, was wir mit vielen Bürgern empfinden. Das Vorgehen der Stadtspitze und, wie zu befürchten ist, auch einer Mehrheit des Stadtrates, reißt Gräben auf, wo in der Vergangenheit mühsam Wege zu einer Verständigung bereitet worden waren.
Zahlreiche Gutachten wurden in Auftrag gegeben
Wie wir alle wissen, bedürfen die Verkehrsprobleme im Berggebiet dringend einer Verbesserung. Seit Jahrzehnten ringt man um eine Lösung, hat Gutachten über Gutachten in Auftrag gegeben, aber jedes Konzept zu einer möglichen Verkehrsberuhigung wurde letztlich von einer Mehrheit von Stadtpolitikern, die die Verantwortung scheuten, verworfen. Zuletzt führte man mit großem Aufwand 2009/2010 das Mediationsverfahren „Mobilität im Berggebiet – Lösung der Verkehrsprobleme“ durch, an dem fast 40 Bürger und Interessenvertreter in enger Zusammenarbeit mit ausgewiesenen Fachleuten intensiv diskutierten.
Oberbürgermeister Starke sagte damals zu Recht: „Die Überlastung durch den motorisierten Individualverkehr verlangt nach einer Verkehrsreduzierung im Berggebiet“.
Die Grundlage aller Diskussionen war die Erkenntnis, dass das Berggebiet durch zahlreiche Institutionen (Schulen, Kindergärten, Kinderhorte, Internate, Altersheime, das Klinikum am Michaelsberg, das Erzbischöfliche Ordinariat mit zahlreichen Dienststellen usw.) derart belastet ist, dass eine weitere Verdichtung durch zusätzliche Einrichtungen nicht mehr hingenommen werden kann. Darüber hinaus waren sich alle Teilnehmer einig, dass zwingend etwas unternommen werden muss und verabschiedeten einen Katalog mit Maßnahmen zu einer wirksamen Verkehrsreduzierung und Verkehrsüberwachung. Von diesem Maßnahmenkatalog hat die Stadt bisher nichts Entscheidendes realisiert!
Weitere Institutionen bringen mehr Verkehr
Obwohl auch das Stadtentwicklungskonzept (SEK) eine weitere Verdichtung und Verkehrsbelastung im Berggebiet ablehnt, nehmen viele aus Ihrem Gremium das nicht zur Kenntnis, sondern lassen zu, dass sich die Verhältnisse immer noch mehr verschlechtern. Trotz aller Beteuerungen, das Berggebiet in Zukunft zu verschonen, wurde die Einrichtung weiterer Institutionen genehmigt. So hat die Caritas ihre Altenpflegeschule vom Haingebiet in das Haus St. Elisabeth verlegt. Man versprach vorher zwar, die Schülerinnen und Schüler durch günstige Angebote auf den ÖPNV zu verweisen – aber dieses Versprechen wurde nicht eingehalten. Im Dezember 2011 beschloss der Stadtrat den Umzug der Musikschule in das ehemalige Propsteigebäude von St. Getreu.
Verkehrsproblematik bleibt ungeklärt
Damals versprach Bürgermeister Hipelius: „Auch der Stadt Bamberg ist daran gelegen, dass durch die Verlegung der Musikschule keine zusätzlichen verkehrlichen Belastungen auf die Anwohner zukommen“. Aber man hat bis heute nicht überzeugend geklärt, wie die 1.200 Schülerinnen und Schüler transportiert werden sollen. Und neuerdings wird der Südflügel des Abteigebäudes von St. Michael saniert, um mehrere städtische Dienstellen mit 75 Mitarbeitern aufzunehmen – auch hier ohne Klärung der Verkehrsproblematik.
Keine Reduzierung der Verkehrsbelastung
Während aber auf der einen Seite eine Stadtratsmehrheit ständig neue Verdichtungen im Berggebiet genehmigt, werden von dieser zugleich alle Maßnahmen abgelehnt, die auf eine Reduzierung der Verkehrsbelastung abzielen. So wies der Umweltsenat am 16. November 2011 zwar die Stadtverwaltung an, einen einjährigen Verkehrsversuch zu einer möglichen Diagonalsperre am Torschuster vorzubereiten. Nachdem dies geschehen war, lehnte eine Mehrheit des gleichen Umweltsenats in seiner Sitzung am 10. Juli 2012 diese vorher selbst beschlossene Maßnahme wieder ab!
Zu den wichtigsten Forderungen der Teilnehmer des Mediationsverfahrens gehörte die Einführung einer kommunalen Geschwindigkeitsüberwachung. Zuletzt hatte eine von der Stadt in Auftrag gegebene Studie ergeben, dass sich die Autofahrer an die vorgegebenen Geschwindigkeitsbeschränkungen in Bamberg kaum halten, manche sogar komplett ignorieren – ein verheerendes Zeugnis für die Missachtung eindeutiger Verkehrsvorschriften durch die Autofahrer. Dennoch findet sich im Stadtrat keine Mehrheit für die Einführung der Geschwindigkeitsüberwachung – gegenwärtig wird der Tagesordnungspunkt mit entnervender Regelmäßigkeit jedes Mal wieder verschoben.
Geradezu unfassbar sind die Statements einiger Stadträte, man wolle keine „Abzocke von Autofahrern“. So wird immer noch die Lebensqualität der Anwohner, das Sicherheitsempfinden der schwächeren Verkehrsteilnehmer und die Bausubstanz der historischen Gebäude dem Wunsch der „freien“ Bürger nach freier Fahrt geopfert! Die mittlerweile zur Gewohnheit gewordene, rücksichtslose Missachtung der Verkehrsregeln zu Lasten der Anwohner und die Gefährdung der übrigen Verkehrsteilnehmer sind keine Kavaliersdelikte, sondern potentielle Straftaten, die unterbunden werden müssen!
Eine Partei und Stadträte, die aus Gründen des Stimmenfangs oder aus Angst vor Verlust von Stimmen gegen die offenkundige Notwendigkeit stimmen, verlieren aus unserer Sicht jegliche moralische Legitimation und sollten, sofern sie der fraglichen Partei angehören, das „C“ und das „S“ aus ihrem Parteinamen streichen.
Jetzt steht die Entscheidung für eine weitere Zunahme der Verkehrsbelastung an: In der Sitzung am 24. Oktober 2012 sollen Sie darüber entscheiden, ob im Berggebiet bei St. Getreu der Bau eines Parkhauses mit mindestens 100 (vielleicht auch 141 oder 195!) zusätzlichen Stellplätzen gebaut werden darf! Angeblich ist das Parkhaus für die Mitarbeiter der Sozialstiftung nötig.
Wäre es nicht sinnvoller, darüber nachzudenken, ob man für die 2,4 bis 3,5 Mill. €, die ein Parkhaus kosten würde, nicht Abteilungen aus dem Klinikum am Michelsberg in das Klinikum am Bruderwald verlegen könnte, wo sie längst hingehören? Jeder weiß schließlich, dass es eine katastrophale Fehlentscheidung des damaligen Stadtrats war, die Nervenklinik am jetzigen Standort neu zu bauen!
Geradezu zynisch ist es auch, wenn der Parkplatzbau damit begründet wird, dass man sonst keine Mitarbeiter finden würde. Würde die sog. Sozialstiftung faire Löhne und Gehälter zahlen, dürfte sich diese Frage von selbst erledigen.
Ebenso merkwürdig klingt auch die Begründung, man brauche für die Mitarbeiter der Sozialstiftung mehr Parkplätze, während gleichzeitig die Musikschule und Teile der Stadtverwaltung hinzukommen, für die man angeblich nie Parkplätze einrichten wollte. Im Hof der Abtei St. Michael und rings um St. Getreu gibt es aber jetzt schon über 250 Parkplätze! Mit Sicherheit wird das neue Parkhaus dazu dienen, auch für die Nutzer der Musikschule Parkplätze anzubieten.
Die Beteuerungen der Verantwortlichen – vom Oberbürgermeister bis zum Kämmerer – man werde keine neuen Parkplätze zulassen, waren also von Anfang an falsch!
Und jeder weiß: Je mehr Parkplätze angeboten werden, desto mehr wird der Verkehr in diesem Bereich zunehmen!
Fakt ist, dass die Stadt in Gefahr ist, in fataler Weise das falsche Signal zu setzen und damit der CSU folgt, die nach Aussage Herrn Dr. Müllers jetzt wieder eine konservative Verkehrspolitik betreiben möchte, damit sie keine Stimmen verliert.
Anstatt die Chance zu ergreifen, die in den Strukturveränderungen der Bergstadt auch gesehen werden können und in nachhaltiger Weise auf den ÖPNV zu setzen, wie dies bei der LGS in hervorragender Weise gelungen ist, wollen einige Politiker und Manager ein abgewirtschaftetes System des motorisierten Individualverkehrs tradieren und manifestieren, das die lokale und globale Katastrophe erzeugt hat und weiter verschärfen wird.
Und schon wieder werden Stimmen laut, die wegen der unerträglichen Verkehrsbelastung den Bau neuer Straßen fordern! Das ist doch eine Spirale, die sich ständig nach oben dreht, weil neue Straßen natürlich auch wieder mehr Verkehr anziehen würden. Soll das endlos so weitergehen? Hat eine Mehrheit der Politiker keinerlei Verantwortungsgefühl für den behutsamen Erhalt des wertvollen Berggebiets?
Machen Sie endlich Schluss mit diesem Teufelskreis und lehnen Sie das geplante Parkhaus ab!
ich würde ja gerne „hurra“ zu diesem artikel rufen… ABER
das ganze gezetere bekommt einen faden beigeschmack, wenn von „straftaten“ die rede ist. wer eine ordnungswidrigkeit als straftat bezeichnet, stellt jemanden, der 10 kmh zu schnell fährt auf eine stufe mit einem vergewaltiger oder bankräuber.
wobei letztere ja auch die anlageberater und direktoren sein könnten?
wer eine solch hanebüchene oder ketzerische aussage tätigt, dem entgleitet auch in anderen bereichen die sachlichkeit und das so wichtige thema verliert jegliche glaubwürdigkeit.
schade drum
Jetzt schießen Sie aber deutlich übers Ziel hinaus: Nur weil EIN Begriff nicht korrekt ist, verlieren die SchreiberInnen doch nicht „jede Glaubwürdigkeit“. Die vorgebrachten Argumente sind doch allesamt triftig. Und diese Argumente werden auch durch den einen Fehler nicht falsch.
Aber wenn man schon Begriffskritik üben will, dann wäre sie beim Terminus „Kriegserklärung“ wesentlich angebrachter. Denn dieser Begriff in DIESEM Zusammenhang impliziert eine Relativierung der Leiden, die mit einem tatsächlichen Krieg verbunden sind.