Verkehr macht Denkmäler kaputt

Erneut erreicht uns die Klage, dass der ungehinderte und weiter zunehmende Verkehr die Denkmäler bedroht. Während vergangene Woche eine Nachricht kam, dass die steigende Anzahl Touristenbusse an der Promenade Risse am bekannten ehemaligen Bankhaus Wassermann verursachen, moniert der das bekannte Dientzenhoferhaus an der Ecke Schillerplatz/Nonnenbrücke betreuende Architekt die Erschütterung durch den Verkehr. DAS ist nun wirklich auch sehr gut nachzuvollziehen, denn jeder, der in der eng bebauten Bamberger Innenstadt wohnt, weiß aus eigener Erfahrung, dass sich über die Fachwerkkonstruktion die Schwingungen übertragen, auch wenn man nicht unmittelbar an der Straße wohnt. Die Schwingungen werden von Haus zu Haus auch auf die rückwärtige Bebauung übertragen. Resultat: Gläserklirren, Ofentüren öffnen sich wie durch Geisterhand, Stuckdecken bekommen Risse (und zwar meist entlang der Bohlen).

Nonnenbrücke 1. Foto: Erich Weiß

Daher hoffen wir auf offene Ohren bei Oberbürgermeister und Stadtplanungsamt

Unser Tipp: ENDLICH ein umfassendes Verkehrskonzept

hier der Offene Brief von Architekt Wolfgang Böhmelt

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Andreas Starke,

seit 1992 betreue ich das Einzeldenkmal Nonnenbrücke 1, das ehemalige Dientzenhofer Wohnhaus, welches im Besitz von Frau Ursula Ehler-Dorst und dem vielfach ausgezeichnetem Dramatiker Herrn Tankred Dorst ist, in baulicher Hinsicht.

Durch bauliche Maßnahmen, immer in Absprache mit der „Untersten Denkmalbehörde“ und dem Landesamt für Denkmalpflege, wurde durch eingebaute Kastenfenster der Schall soweit absorbiert, dass der Verkehrslärm in den Räumen kaum wahrnehmbar ist.

Vor 3 Jahren wurde für über 20.000,00 € der Dachstuhl im nordöstlichen Teil des Daches  verstärkt und gesichert, damit die Stuckdecke im 2. OG mit einem Deckenbild von Scheubel d. Ä. erhalten und restauriert werden konnte. Die Schäden, die hier zutage traten, sind ursächlich in dem Schwerlastverkehr der Stadtbusse zu suchen, die an der Ampelanlage vom Berg kommend abbremsen müssen, um dann bei Grünlicht anzufahren und nach ca. 15 m an der Bushaltestelle vor dem „Salino“ wieder zu halten und dann abzufahren. Die Erschütterungen sind so stark, dass in den Räumen die Gläser klirren und sich die Schwingungen über das Gebäude auf die Bewohner, Mieter und Besucher  einwirken.

Eine Abhilfe wäre trotz gegenteiliger Beurteilung durch Herrn Friedrich vom Stadtplanungsamt die Verlegung der Lichtsignalanlage in Richtung Nonnenbrücke. Auch  der Einsatz von leichteren gasbetriebenen Bussen oder Elektrobussen würde schon hilfreich sein, der sonstige Schwerlastverkehr ist sowieso schon verbannt, bis auf Zulieferer und Anlieger.
Man sollte als „Weltkulturerbestadt“ eben nicht nur den Verkehr sehen, sondern auch die Gebäude, die, wie das Gebäude Nonnenbrücke 1, zweifelsfrei das Stadtbild prägen.
Im diesem Jahr soll die Fassade des Gebäudes saniert und restauriert werden. Dazu nötige Voruntersuchungen fanden im Herbst 2010 statt, die zu Sicherungsmaßnahmen der Köpfe über den Fensterstürzen im 1.OG auf der Nordseite führten. Die Ostseite war nicht so stark betroffen. Die Eigentümer müssen mit ca. 140.000,00 € Baukosten rechnen. Bei der Restaurierungsmaßnahme wird über ca. 35 Wochen ein Gerüst entlang der Straßenfronten stehen, es wird wohl der Gehweg überbrückt werden, aber die Ampelanlage müsste anders geregelt werden, da das Gerüst auch abgeplant wird. Eine gute Gelegenheit meine ich, seitens der Stadt Bamberg über die ganze Angelegenheit mit entsprechender Vorlaufzeit nachzudenken.
In der Hoffnung auf eine positive Antwort im Sinne des Baudenkmals und der Bereitschaft der Eigentümer trotz Einwirkungen von außen, die Sie nicht zu vertreten haben (Statik des Dachstuhls, Fassadenverschmutzung, Salzzerstörungen durch winterlichen, städtischen Streudienst etc.).
Der denkmalpflegerische Wert des Gebäudes ist ausreichend von Tilmann Breuer und  Reinhard Gutbier in Stadt Bamberg 5, Innere Inselstadt beschrieben.

Wenn die Stadt Bamberg, die immer mehr vom Weltkulturerbe profitiert (mehr Touristen = mehr Gewerbesteuereinnahmen), nicht aber an die Refinanzierung in Form von anderen Verkehrsmitteln oder mehr Rücksichtnahme auf den Bestand denkt, wird – siehe Lokschuppen – bald nichts mehr davon übrigbleiben und die Touristen wegbleiben, die Einnahmen zurückgehen, die Stadt verschiedene Projekte nicht mehr finanzieren können, die Stadt nicht mehr das sein, was sie jetzt ist: liebenswert.
Ich kann mir das als Ihr Ziel für die nächsten 8 Jahre und darüber hinaus nicht vorstellen, also worauf warten Sie noch, packen Sie dieses Problem, das auch andere Denkmäler in Bamberg betrifft, an!!!!

Ich verbleibe ich mit freundlichen Grüßen und habe noch Hoffnung, aber wie lange noch?

Wolfgang Böhmelt
Architekt

5 Gedanken zu „Verkehr macht Denkmäler kaputt

  1. Ich habe in meiner mehr als 20jährigen Tätigkeit in China Änderungen im Verkehrsbereich von gewaltiger Dynamik erlebt, an denen ich ein wenig mitgestalten durfte. Zurück in Deutschland sehe ich weitgehend Stillstand. Das muss kein Nachteil sein. Eine Änderung um der Änderung willen kann nicht das Ziel sein. Aber die Randbedingungen haben sich geändert, Hier gilt es es gegenzusteuern, um Bamberg einerseits weiter umweltgerecht erlebbar zu erhalten und andererseits Mobilitätsbedürfnissen gerecht zu werden. Dieser Spagat – scheint mir – ist Bamberg noch nicht optimal gelungen. Es fehlt nicht an Ideen, aber sie müssen umgesetzt werden.
    Ich werde – nun wieder aus Nürnberg – Bamberg weiter beobachten. Vielleicht erlebe ich noch eine positive Überraschung…

  2. Vor mittlerweile über 20 Jahren, kurz nachdem ich in eben diesen Bamberger Stadtrat gewählt worden war, präsentierte ein renommierter Planer namens Dr. Gerd Stucke ein in sich stimmiges Verkehrskonzept für das Berggebiet, das jederzeit auf die Gesamtstadt hätte ausgeweitet werden können. Die CSU (damals, in dieser grauen Vorzeit, noch OB-Partei…) ließ dieses Konzept scheitern und versuchte mit Herrn Kirchhoff einen Ober-Gutachter zu engagieren, der alles nur verschlimmbesserte. Und wie gesagt: Dass ein Herr Böhmelt sich damals für dieses Konzept (das von Stucke wohlgemerkt) eingesetzt hätte, ist mir nicht erinnerlich. Er war wohl zu kurz in meiner Klasse, als dass sich mein Einfluss hätte positiv auf seine (verkehrs-)politischen Einstellungen auswirken können… (Ich würde hier gerne ein „Zwinker-Smiley“ einfügen, damit die ironie auch verstanden wird!)

    • Ich bin überrascht, dass mein damaliges Konzept noch bekannt ist. Im Grundsatz stehe ich auch heute noch dahinter, wenngleich ich mir aus heutiger Sicht einen umfassenderen Ansatz gewünscht hätte…
      In jedem Fall verspüre ich nun wieder den Wunsch zu schauen, was aus Bamberg geworden ist. Nach nunmehr mehr als 15jähriger Tätigkeit in China kommt da schon etwas Heimweh auf!

      Herzliche Grüße aus Foshan/China

      Gerd Stucke

  3. Wenn ich mich nicht irre, ist Herr Böhmelt doch CSU-Mitglied. Von entsprechenden verkehrspolitischen Vorstößen INNERHALB SEINER Partei ist mir bislang allerdings nichts bekannt geworden…

    • Mein lieber ehemaliger Schulkamerad Gerd Rudel, auch wenn man Mitglied der CSU ist , ist man nicht gleichgeschaltet, sondern hat immer zu den verschiedenen Problemen seine eigene Meinung. Es wurde in Bamberg schon viel Geld für Verkehrskonzepte ausgegeben, jedoch war der Stadtrat , in dem auch Gerd Rudel zeitweise Mitglied war, nicht in der Lage, eines einmal eins zu eins umzusetzen.
      Immer wurde nur „Flickwerk“ betrieben und sich einzelne, je nach Coleur betrachtet , „Rosinen“ herausgepickt.Die Bürger wurden zu Masterplan und Verkehrskonzept Bergstadt eingeladen, es wurden z.B. beim Masterplan ein kleinster gemeinsammer Nenner erarbeitet und von den „Teilnehmern“unterschrieben. Doch war die Tinte der Unterschriften noch nicht trocken, als sich auch gegen diesen kleinsten Konsens, Stimmen erhoben, die bei den Masterplanberatungen nur temporär anwesend waren. Im Berggebiet wollte man dies kopieren, merkte dann aber meines Erachtens schnell, dass man einen Stadtteil nicht alleine betrachten kann, sondern auch was angrenzend passiert.Schade für die Zeit der Bürger, die sich zu Recht brüskiert vorkommen.
      Man sollte sich das Regensburger Innenstadtsystem einmal anschauen,hier ist alles nach und nach umgesetzt worden, nachdem vorher umfangreich geplant wurde und die Bürger mit einbezogen wurden.Rom wurde auch nicht an einem Tag gebaut.

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