Touristenbusse versus Denkmäler jüdischer Kultur

Villa Wassermann. Foto: Erich Weiß

OFFENER BRIEF an den Oberbürgermeister der Stadt Bamberg

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Starke,

vor kurzer Zeit haben sich Nachfahren der jüdischen Familie Wassermann aus drei europäischen Ländern in Bamberg getroffen, um die noch sichtbaren Spuren ihrer von den Nationalsozialisten verfolgten, vertriebenen und zum Teil ermordeten Angehörigen zu suchen. Vielleicht haben Sie den Bericht im „Fränkischen Tag“ vom 18.4.2012 gelesen. Ich habe diesen Besuch vorbereitet und schreibe Ihnen diesen Brief im Namen von Christine Gillliéron-Wassermann, Richard und Peter Wallace (ehemals Wassermann).

Besonders beeindruckt waren wir vom Besuch des ehemaligen Bankgebäudes der Familie, der gründerzeitlichen „Villa Wassermann“ am Schönleinsplatz. In diesem Haus befand sich nicht nur die über die Stadt Bamberg hinaus bekannte Bank A.E. Wassermann, sondern hier wohnte auch der Bankier Julius Wassermann  mit seiner Frau Elsa und den beiden Töchtern Alice und Edith. Nach dem Tode von Julius Wassermann im Jahre 1939 wurden seine Frau und seine Töchter des Hauses verwiesen und im November 1941 nach Riga deportiert und ermordet.

Villa Wassermann. Foto: Erich Weiß

Wir konnten uns davon überzeugen, mit wieviel Liebe zum Detail das Haus bereits zu großen Teilen denkmalsgerecht wieder hergestellt wurde. Hierfür ist Frau Hochmuth als neuer Besitzerin aufrichtig zu danken. Wir freuen uns, dass sie für ihr Engagement mit der bayrischen Denkmalschutzmedaille ausgezeichnet wurde. Dank ihres Einsatzes ist die „Villa Wassermann“ als sichtbares Zeugnis der jüdischen Vergangenheit Bambergs erhalten.

Erschreckt hat uns, dass das Haus offenbar dem erheblich gestiegenen Verkehrsaufkommen seit der Einrichtung von Bushaltestellen an der südlichen Promenade und den dadurch hervorgerufenen massiven Erschütterungen nicht zu trotzen vermag, seitdem zusehends Schaden nimmt und bereits tiefe, lange Risse bekommen hat, die mittlerweile durch das gesamte Gebäude laufen.

Wie wir erfahren haben, wurde der Vorschlag für eine Belastungsminderung für das Haus und zur gerechteren Verteilung der Busverkehrslast – Verbleib des Schulbusverkehrs an der Promenade, aber Verlagerung der Touristenbusse auf andere Stadtgebiete – ohne Begründung abgelehnt.

Wir haben Verständnis dafür, dass es nicht einfach ist, die vielen Touristenbusse in Ihrer Stadt sinnvoll zu lenken, dennoch meinen wir, dass es nicht hinnehmbar ist, dass ein Baudenkmal derart belastet wird und Schaden nimmt – zumals es eines ist, das die Geschichte der heutigen Weltkulturerbe-Stadt in Verbindung mit einer einst in Bamberg sehr angesehenen und weit über die Stadt hinaus wirkenden  jüdischen Familie widerspiegelt.

Wir bitten Sie deshalb eindringlich, so schnell wie möglich Abhilfe zu schaffen hinsichtlich der beschriebenen Belastung der Villa Wassermann durch die Touristenbusse.

Im Namen der Nachfahren der Familie Wassermann verbleibe ich mit freundlichen Grüßen

Gudrun O’Daniel-Elmen                                                            Berlin, im April 2012