Der Schönleinsplatz – der schleichende Verfall …

… vom einst prächtigsten Stadtplatz zum vernachlässigten Verkehrsverteiler

Christiane Hartleitner

Der Schönleinsplatz in Bamberg zählt zu den aufwendigsten gründerzeitlichen Stadtplätzen des späten 19. Jahrhunderts in dieser Stadt. Abbildung 1 zeigt den Zustand um 1910 als Parkanlage mit Fontaine, Denkmal und umfangreichen Blumenpflanzungen (Abb. Bild der Stadt – Stadt im Bild. Ausstellung Stadtarchiv 1989, S. 131). Zusätzlich waren Baumreihen eine Gestaltungsmöglichkeit, sowohl zur Akzentuierung, als auch ein Beitrag zur „Gesundung“ der Stadtbevölkerung. Alleen prägten nicht nur den Schönleinsplatz selbst, sondern auch angrenzende, strahlenförmig vom Platz ausgehende Flanierwege, wie die Promenade, die Friedrich- und die Hainstraße.

Schönleinsplatz Abb. 1

Am Ostrand der Inselstadt zur Promenade gelegen, machte ihn die repräsentative Ausgestaltung zum prächtigen Eingang in die Stadt. Der Platz dient zur Erschließung einer Stadterweiterung ab den 1880er Jahren mit Trambahn, wo zuvor das Schwarze Wasser vor sich hindümpelte. Bis dahin galt der Bereich als Überschwemmungsgebiet. Für Schützenhäuser war ein solcher Standort vor den Mauern der Stadt durchaus üblich. Abbildung 2 (Abb. Wilhelm: Verlust der Hauptstadtfunktion und Rückzug ins Biedermeier (1802-1848), in: Gunzelmann, Thomas: Stadtdenkmal und Denkmallandschaft (= KDB Oberfranken), S. 509, im Druck) zeigt die Südseite des Platzes mit dem Vor-vor-vorgängerbau um 1770, errichtet als Vereinshaus und als bürgerliche Versammlungsstätte von den Schützen, 1892 abgebrochen.

Schönleinsplatz Abb. 2

Bereits damals erfolgte die Wahrnehmung als zentrale Platzanlage mit anspruchsvoller Neugestaltung. Bekannte Bamberger Kunstgärtner trugen zur gartenkünstlerischen Gestaltung des Platzes bei: 1877 Daniel Mayer und 1894 Peter Cromm.

Um diese Zeit 1892/93 errichtete Gustav Haeberle das neue Schützenhaus, ein prächtiger historistischer Bau mit überhöhtem Mittelteil und prunkvoll ausgestatteten Veranstaltungsräumen, in Abbildung 1 rechts. Gustav Haeberle berücksichtigte die proportionale Gestaltung in Abstimmung mit dem gesamten Platz bei seinem Neubau – ein Vorbild für modernes Bauen in der alten Stadt.

Bereits 1931 wurde die Platzoberfläche allerdings stark vereinfacht und große Rasenflächen geschaffen, die in groben Zügen bereits dem heutigen Zustand entsprachen. Im Jahr 1955 wurde der Haeberlebau abgerissen – intakt und ohne Not – und durch einen schlichten, dafür massiven 50er Jahre Bau ersetzt, der bereits wenige Jahrzehnte später wieder umgebaut und aufgestockt wurde (wenn ein Leser eine Abbildung hierzu zur Hand hat, veröffentlichen wir die gerne). Eine Erhöhung des Bauvolumens folgt der anderen. Die Parkgarage Schützenhaus war in den 80er Jahren erneut Anstoß. Bei Erhöhung des Bauvolumens erhöht sich auch der Druck auf angrenzende Baumreihen. Die Baumreihen am Schönleinsplatz gibt es zum Teil noch, beschatten heute einen Autoparkplatz, einen Radweg, eine Bushaltestelle. Die Allee, die in die Hainstraße weiterführt, hat durch den aufgeblähten Sparkassenbau ihren Anschluss an den Platz fast verloren. Zwei Bäume versuchen den Blick und den Bürger in den Hain zu leiten. Anstatt ihnen Verstärkung an die Seite zu stellen, werden sie zur Disposition gestellt – und somit die Verknüpfung zur Hainstraße.

In 2012 plant die Sparkasse als Besitzerin erneut eine dreigeschossige Erweiterung durch einen Glasanbau an dieser Ecke. Als Bauherrin wird sie hierfür von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit, der Anbau wird nahezu 5 Meter breit, am Schönleinsplatz 17 Meter, in der Hainstraße über 18 Meter lang sein und über eine Höhe von mehr als 11 Meter verfügen. Von einer Bereicherung an innovativer Architektur im öffentlichen Raum darf man an dieser Stelle nicht sprechen. Der Glasanbau soll den Eingangsbereich der Sparkasse aufwerten – eine Aufwertung des Schönleinsplatzes bleibt außen vor. Der Haeberle-Bau wäre heute sicherlich ein konstituierender Bau für das Ensemble Schönleinsplatz, der Sparkassen-Bau ist es nicht.

Der heutige Schönleinsplatz ist eine viel befahrene Kreuzung, sie fungiert in erster Linie als Verkehrsverteiler. Der Platz hat mit den massiven Eingriffen der 50er/80er Jahre seine ausgewogenen Proportionen an dieser Platzseite eingebüßt und dient nicht als Ort für eine Promenade. Mit der neuerlichen Diskussion rückte das schmerzlich ins Bewusstsein. Bausünden im öffentlichen Raum sind Sünden, die am nachhaltigsten schmerzen, über Generationen hinweg.

Mit dem Aufstellen von Fahnen und Werbetafeln wird der Platz zusätzlich unkenntlich. Diskussionen über eine Tiefgarage und eine Versetzung des Reiterstandbildes an den Wilhelmsplatz tragen nicht zur Aufwertung des Prachtplatzes der Gründerzeit bei. Die baulichen Einzelentscheidungen lassen ein stadtplanerisches Gesamtkonzept vermissen.

So soll die Sparkassenerweiterung aussehen.

2 Gedanken zu „Der Schönleinsplatz – der schleichende Verfall …

  1. „Um diese Zeit 1892/93 errichtete Gustav Haeberle das neue Schützenhaus, ein prächtiger historistischer Bau mit überhöhtem Mittelteil und prunkvoll ausgestatteten Veranstaltungsräumen, in Abbildung 1 rechts. Gustav Haeberle berücksichtigte die proportionale Gestaltung in Abstimmung mit dem gesamten Platz bei seinem Neubau – ein Vorbild für modernes Bauen in der alten Stadt.“

    Dies stimmt nicht ganz, die primär vorgesehene Zweigeschoßigkeit des Platzes wurde bereits zur Bauzeit aufgegeben, Vergl. Zimmermannshaus und Bamberger Hof, Dr. Probst und Staatsbank. Für einen größeren Bau an der halb leeren Platzseite war einfach auch kein Geld vorhanden. In den folgenden Jahren war es dann oft schwer das Gebäude wirtschaftlich zu nutzen.
    Was die immer gerühmte Pracht des ehem. Veranstaltungsgebäudes Schützenhaus angeht, so war es auf keinen Fall aufwendiger als die angrenzenten übrige Platzbebauung, wie ein Blick in die Brandversicherungsurkunden zeigt. Hier muß eher von einer durchschnittlichen Ausstattung ausgegangen werden.
    Schön ist, daß Sie die Maßlosigkeit der Sparkasse darstellen, die die Einheitlichkeit des Platzes zerstörte und jetzt meint, sich über Baulinie und Baumschutzverordnung sowie letzte Reste historischer Strukturen hinwegsetzen zu können.
    Schönes Wochenende
    N. Ruß

  2. „stadtplanerisches Gesamtkonzept“

    WOW… wie schafft man so viele schwarze Löcher in 2 Wörtern zu vereinen…
    Hier wurde die Lösung gefunden.
    Aber mal im Ernst – wenn man immer nur die Leute rauswirft, die angeblich keinen Taschenrechner bedienen können, wie soll da ein Konzept, geschweige denn eine bezahlbare Planung entstehen?
    Solange bürgerfeindliche Interessen der örtlichen Immobilien-Mafia (siehe Erba-, Schäffler-Gelände) einfach abgenickt werden und die Stadt (Stadtbau?) dabei fett mitkassiert, kann es logischerweise nur bergab gehen…
    Und dank einer aufklärungsunwilligen Lokalpresse wird dies sogar noch gefeiert!?

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