Dr. Christoph Schindler
Seit einigen Monaten wählt der Freundeskreis des Naturkunde-Museums regelmäßig ein spezielles Ausstellungsstück aus den reichen Schätzen des Hauses aus, um diesem besondere Aufmerksamkeit zu schenken. So wurde diese Ehre in den letzten Monaten beispielsweise schon dem Quagga oder dem Schaubild der am Bamberger Dom verbauten Werksteine zuteil. Zur jeweils hervorgehobenen Musealie gibt es einen kleinen Essay, der Hintergründe und kulturhistorische Bezüge ausleuchtet. In diesem Monat geht es um nichts weniger als eine Bamberger Legende: den Burgbären „Poldi“ und dessen Ahnenreihe. Verfasser des nachfolgenden Artikels ist Dr. Christoph Schindler, dem der Verein auch die Anregung zur Institution ,Objekt des Monats‘ verdankt.
„Poldi“ und die Bamberger Burgbären
„Das Leben ist leider nicht so gebaut wie ein guter, altmodischer Roman. Vielmehr endet es, wenn sich diejenigen, die sich erschöpfen sollen, erschöpft haben. Alles, was bleibt, ist die Erinnerung“ schreibt der amerikanische Autor John Irving, in dessen Werk Bären eine große, oftmals tragische Rolle spielen.
Passen könnten diese Worte auch auf den letzten Bamberger Burgbären „Poldi“, an den sich sicher noch etliche von uns erinnern können. Weniges zeigt besser den Zeitgeist im Umgang mit Tieren als das Schicksal der „Maskottchen“ der Altenburg.
Anfang des neunzehnten Jahrhunderts hatte der Arzt und Mäzen Adalbert Friedrich Marcus die Ruine der Bamberger Burg erworben und begonnen, das Areal im Sinne eines Landschaftsparks neu zu gestalten; die Restaurierung der Gebäude gilt manchem als Geburtsstunde des modernen Denkmalschutzes. Zwei Jahre nach Marcus’ Tod, im Jahre 1818, wurde der „Verein zum Erhalt der Altenburg“ gegründet, der weitere Renovierungen und Zubauten, ganz im Sinne des jeweilig modernen Kunststils, ersann und ermöglichte. Nach der Neuerrichtung des Pallas im Jahre 1900 sollte als weitere Attraktion ein Burgbär Publikum anlocken. Schon vier Generationen zuvor, 1769, war nämlich der letzte freilebende Bär in Franken erlegt worden. Im Jahre 1902 konnte dann endlich „Hassan“, ein Braunbär, der Hagenbeck’schen Menagerie für 700 Mark abgekauft werden. Dieser verbrachte 14 Jahre im Zwinger, bis er im Hungerwinter 1916 einging. Wie übel die kriegsbedingte Nahrungsknappheit den Zootieren mitspielte, soll ein Bild im Anhang vergegenwärtigen, das einen Bären des Schönbrunner Tiergartens in Wien zeigt. Bereits kurz nach dem Zweiten Weltkrieg bezog die bereits ältere Bärendame „Toni“ das lange verwaiste Gehege; die Idee, ihr mit einem jungen Spielgefährten das einsame Leben zu versüßen, ging nicht auf und endete schließlich in heftigen Revierkämpfen. So wurde entschieden, die alte Problembärin zu beseitigen; am Vorweihnachtsabend des Jahres 1952 durfte ein Bamberger Fabrikant sein zweifelhaftes Jagdglück finden. Der übriggebliebene „Poldi“, übrigens nach dem damaligen Bamberger Oberbürgermeister und Paten Luitpold Weegmann benannt, „belustigte“ dann für drei Jahrzehnte Wochenendausflügler und Schulklassen mit kleinen Kunststücken und wurde schließlich zu seiner eigenen Legende. Altersschwach und blind wurde auch er in der Weihnachtszeit in die Ewigen Jagdgründe entlassen, allerdings durch eine Spritze des Amtstierarztes. Und hier sind wir nun wieder bei John Irving. Nicht wenige der „Familienlieblinge“ in seinen Romanen enden als Stopfpräparat. Wenn dann heute so mancher von uns, der als übermütiges Schulkind ein rohes Ei auf der Nase von „Poldi“ platzierte, mit müden Knochen ins Naturkundemuseum schleicht, wird er mit ewig junggebliebenem Grinsen von dem alten Recken im Foyer begrüßt. – Frei nach Irving „Poldi obenauf!“
Und Bruno, der Bär? Erstmals wieder seit über 100 Jahren hat sich dieser Bär vor nicht all zu langer Zeit nach Bayern verlaufen um ihn dann ins Jenseits zu befördern. Jetzt tot und zu besichtigen, wird er auch noch geschützt, vor Insektenbefall. Lebend wurde er nicht geschützt. Schutz der Natur scheint ein Problem zu sein für einige Behörden in Bayern.