Ein Leserbrief von Vera Stadler
Letzte Woche am Montag haben wir mit der ganzen Familie den Steigerwald besucht, wie so oft. Von Hundelshausen die Steigerwaldstraße entlang Richtung Fabrikschleichach und gegenüber vom Parkplatz Zabelstein rechts in den Wald Richtung Geusfeld. Wir sind allesamt Querfeldeingänger, die sich am Reichtum der Natur laben. Auch am drauf folgenden Samstag waren wir wieder dort. Diesmal aber packte uns das blanke Entsetzen über den Zustand des Waldes. Innerhalb von nur vier Tagen waren in einem offenbar atemberaubenden Tempo ca. 15 Gassen in den Wald geschlagen worden. Die Tage vorher hatte es viel geregnet, so das die schweren Maschinen tiefe Profilspuren ihrer Räder und Kettenbespannung in den aufgeweichten Waldboden hinterlassen hatten. Wir fanden bis zu 40 cm tiefe bis 2 m lange Löcher, teilweise bis obenhin mit Wasser gefüllt.
Die zwei schweren Ernte-Maschinen und ein dazugehöriger Tankwagen mit Thüringer Kennzeichen aus Sonneberg parkten noch am Wegesrand. Erste Maschine, ein Harvester wiegt 24 Tonnen, die zweite, ein Rückegerät, 16,3 Tonnen bzw. im beladenen Zustand ca. 30 Tonnen. Ist das gut? Gut für den Waldboden, in dem auf einem 0,3 Kubikmeter 6,3 Billionen Bodenlebewesen und Microoranismen leben, die den Boden umwandeln, Nährstoffe liefern und Garant für ein gesundes Gleichgewicht im Wald sind. Was macht die tonnenschwere Belastung mit den Pilzen, die Schwermetalle aus dem Wald filtern und die in enger Symbiose mit den Bäumen leben? Deren gigantisches Versorgungsnetz aus feinster Fäden, jeden Quadratzentimeter des Waldboden durchzieht? Über das der Baum wichtige Nährstoffe und Informationen bekommt, die ihm helfen sein Überleben zu sichern und die Pilze vom Baum den lebensnotwendigen Zucker. Ja, vielleicht tut auch unserem Wald ein wenig Diät ganz gut?
Aber erfüllt der Wald nicht auch eine extrem wichtige Funktion als Wasserspeicher, wirkt er nicht wie ein riesiger Schwamm und speichert Regenwasser und filtert es zu sauberem Trinkwasser, und hilft uns so Trockenperioden zu überstehen? Zusammengequetscht kann kein Schwamm Wasser aufnehmen. Was hat die Verdichtung des Bodens für langfristige Auswirkung auf den gesamten Wasserhaushalt in der Region? Überschwemungen durch zu schnell abfließendes Wasser wie in den Hassbergen, Schlammfluten?
Und überhaupt?: Bäume im Sommer fällen? Hatten wir nicht gelernt, dass Bäume von Oktober bis April gefällt werden? Dass das Waldleben im Sommer dagegen besonderen Schutz braucht? Gibt es da nicht Vögel, die um diese Zeit ein zweites Mal in den Bäumen brüten. Dass dann viele Insekten die blattreichen grünen Baumwipfel, die Rinde und den Boden bewohnen, die den Vögeln und Kleintieren eine extrem wichtige Nahrungsgrundlage sind? Was geschieht mit den seltenen Fledermausarten, oder mit der Hohltaube, dem Marder etc. wenn ihr Baum gefällt wird? Oder was wird jetzt aus der scheuen fast ausgestorben geglaubten Wildkatze und ihrem Nachwuchs, den drei Jungtieren, die ganz in der Nähe gesichtet wurden? Sensationsmeldung des Forstbetriebs Ebrach erst vor einer Woche. Stolz des Naturparks Steigerwald.
Die vielen Schmetterlinge wie Kaisermantel und den seltenen Russischen Bär, die Bienen, Käfer, Schwebfliegen, die wir am Montag noch entzückt bewundert hatten, waren jedenfalls nicht mehr da. Die Nektar spendenden Wildblumen entlang der Wege waren plattgewalzt. Statt dessen lagen die Stämme der frischgeschnittenen Buchen aufeinandergestapelt, obenauf ein wertvoller Biotopbaum, der aus Artenschutzgründen – weil er Schutz und Nahrung bietet für Fledermäuse und unzählige Insektenarten – stehen bleiben sollte.
Nachhaltige Waldbewirtschaftung sieht in unseren Augen anders aus. Wie ich mir im Nachhinein habe sagen lassen, werden die Gassen zur Erschließung in den Wald getrieben, damit man weitere Eingriffe vornehmen und das Holz gewinnbringender abtransportieren kann. Ich frage mich: Wieso muss unser Wald denn maschinengerecht gemacht werden, damit Holz immer schneller und gewinnbringender auf den globalen Markt kommt? Wie wäre es denn, wenn sich zumindest die staatliche Forstwirtschaft den Bedingungen des Waldes anpassen würde statt umgekehrt? Ich hoffe inständig auf ein Umdenken. Denn ein „weiter so“ bedeutet, es wird uns der kostbare Lebensraum, der den Namen „Wald“ verdient, bald unwiederbringlich verloren sein.