Andrea Lösel
Ein Seminarraum wird zur Buchwerkstatt. Studierende probieren sich dabei als Autoren und Lektoren aus. Mit Erfolg: Druckfrisch ist zu Beginn des Wintersemesters das Buch Unsere Uni – unsere Stadt. Ein Leitfaden von Studis für Studis erschienen. Der Studienführer ist Ergebnis einer Germanistik-Übung zum Thema Sachbuch-Lektorat.
Einmal als Autor einen Text verfassen. Und ihn dann gedruckt zwischen zwei Buchdeckeln in Händen halten. Einmal als Lektorin redigieren, korrigieren und ein Manuskript bis zum Druck begleiten: In der Übung Sachbuch-Lektorat konnten Studierende der Germanistik sich im Wintersemester 2014/15 und im Sommersemester 2015 als Literaturschaffende ausprobieren. Und schlüpften nebenbei auch in die Rolle von Werbebeauftragten und Illustratoren.
Entstanden ist eine 80-Seite starke Broschüre, die Anfang Oktober erschienen ist. Erstauflage: 500 Stück. Ein Leitfaden von Studis für Studis soll es sein – so steht es in dicken Lettern auf dem Cover. Begeisterte Leserinnen und Leser hat es auch schon gefunden: Im Rahmen der Ersti-Begrüßung am 9. Oktober erhielten die Neueingeschriebenen eine Ersti-Tasche; darin steckte auch der Studienführer.
Ein Buch machen – mit allem Drum und Dran
Von der Konzeption über das Texteschreiben bis hin zum Finanzierungskonzept und zur Druckvorlage: „Die Studierenden wissen nun, was es bedeutet, ein Buch zu machen – mit allem Drum und Dran“, freut sich Seminarleiterin Christiane Hartleitner, die als Kunsthistorikerin und freiberufliche Lektorin arbeitet. Die meisten der rund 60 Teilnehmenden aus beiden Übungen absolvieren den Masterstudiengang Germanistik: Literaturwissenschaft und Literaturvermittlung. „Neben dem Erwerb fachwissenschaftlicher Kompetenzen spielt in diesem Studiengang gerade auch die berufspraktische Komponente eine entscheidende Rolle“, erklärt Prof. Dr. Hans-Peter Ecker, Inhaber der Professur für Neuere deutsche Literaturwissenschaft und Literaturvermittlung. „Dafür gibt diese Sachbuch-Übung ein gutes Beispiel ab, insofern die Studierenden hier an einem konkreten Projekt einschlägige Arbeitsprozesse kennenlernen und ausführen konnten, wobei sie der reale Nutzwert ihres Produkts motivierte .“
Eine Seminarsitzung im November 2014: Um zu lernen, was lektorieren bedeutet, möchten die Studierenden einen Studienführer für Neuankömmlinge in Bamberg konzipieren. 90 Minuten rege Diskussion bestimmen die Sitzung. Am Ende steht die Idee: Der Studienführer soll ein Mix aus Informationen, Tipps und persönlichen Erfahrungen werden. „Und kein allzu dicker Schinken“, gibt Studentin Alice Hörnecke zu bedenken. Lieber Pocketformat. „Klein und handlich, so dass man ihn immer dabei hat.“
Mischung aus Information und persönlichen Erfahrungen
Einen Monat später steht das Inhaltskonzept. Ann-Kathrin Schrenk will über ihr Germanistikstudium mit Kind einen Essay schreiben. „Ich habe eine zweijährige Tochter. Als Mutter wird man an der Universität einfach anders wahrgenommen“, erklärt sie der Gruppe. Eher wissenschaftlich angehaucht soll der Text von Christian Forche werden. Der Student hat ein Faible für Sprache, einschließlich Dialekte. „Ich bin selbst Bamberger – für Nordlichter ist der Dialekt nicht ganz einfach“, erklärt er augenzwinkernd. Seinen zukünftigen Kommilitoninnen und Kommilitonen will er diese Hürde erleichtern.
Auch an praktischen Informationen darf es nicht fehlen. „Wir wollen die anderen für ihren Studienstart gut wappnen“, erklärt Alessa. Daher auch mit dabei: Texte zu Bambergs Studentenwohnheimen, Erklärungen zu den Teilbibliotheken und eine Schritt-für-Schritt-Anleitung hin zum eigenen Stundenplan.
Autor und Lektor arbeiten als Team
In den folgenden Wochen und Monaten trudeln die ersten Texte ein. Dann geht es für die Studierenden in die Lektoratsphase. Ann-Kathrins Essay trägt jetzt den Titel Stolpersteine und geht zu Alessa. Christians Dialekt-Text wird von Kommilitone Michael Wagner überarbeitet. „Jeder erlebt, wie es ist, selbst zu schreiben“, erklärt Hartleitner das Konzept. „Und umgekehrt müssen alle auch mal lektorieren.“
Michael hat Ideen, wie Christian seinen Text sprachlich verbessern kann. Auch hinsichtlich des Aufbaus macht er Veränderungsvorschläge. Lange diskutieren die beiden – eine ganze Sitzung lang. Seminarleiterin Hartleitner freut der fruchtbare Austausch: „Zwischen Autor und Lektor braucht es ein Vertrauensverhältnis sowie einen sachlichen Ton. Nur so kann ein Text gut werden“, erklärt sie. „Den Studierenden ist dieser vertrauensvolle, engagierte Austausch gelungen.“
„Jeder ist für alles zuständig“
Als Schreibende und Lektorierende tragen alle Studierenden zum inhaltlichen Gelingen des Buchprojekts bei. Auch die finanzielle Seite liegt in der Verantwortung aller. Gemeinsam werden in einer Sitzung Mitte März Förderanträge an den Universitätsbund verfasst. Parallel dazu begeben sich die Studierenden auf die Suche nach Werbepartnern. Ende April hat Studentin Alice erste Erfolgsmeldungen zu verkünden. Sie hat bei Bamberger Cafés und Kinos angefragt. Drei Werbepartner konnte sie gewinnen.
Alice arbeitet neben dem Studium als Autorin und Lektorin in einem Bastelverlag. „Mit dem Thema Finanzierung hatte ich bisher allerdings kaum zu tun“, erklärt sie. „Im Seminar konnte ich auch in diesen Bereich mal reinschnuppern.“ Von der produktiven Arbeitshaltung in der Übung ist Alice begeistert: „Alle fühlen sich verantwortlich. Man kommt in die Übung rein und hat richtig Lust, gemeinsam an dem Buchprojekt weiterzuarbeiten.“
Diese Leidenschaft hat auch Christiane Hartleitner in den vergangenen beiden Semestern immer wieder begeistert. Mit dem gedruckten Buch in der Hand resümiert sie. „Die Studierenden arbeiteten mit Hingabe und Herzblut an dem Projekt und hatten großartige Ideen.“ Bei manchen ist sie sich sicher: „Das wären später mal richtig gute Lektoren.“ Freilich, die Stellen im Lektorat sind rar gesät. „Aber die Hingabe ans Buch, wie wir sie in der Übung erlebten, ist die wichtigste Voraussetzung, um im Beruf erfolgreich zu sein.“
Unsere Uni – unsere Stadt
Christiane Hartleitner (Hg)
80 S., 37 Abb., 19 x 12 cm,
ISBN: 978-3-940821-45-4
Preis; 7,00 EUR