Christiane Hartleitner
Dass Fotografen – besonders die ihrer Welterbestadt zutiefst verbundenen – mehr können, als ihre Stadt und seine BewohnerInnen abzubilden, attraktiv aufzubereiten (was diesen eher ein Graus ist) und irgendwie massentauglich in Szene zu setzen, dürfte hinlänglich bekannt sein. Spätestens seit den Arbeiterfotografien zu den Bamberger Gärtnern. Diese fanden Eingang in die durchaus sozialdokumentarische Fotoarbeit „Benät – Keesköhl – Stazinäri. Bamberg, seine Gärtner und Häcker“ (hierzu „Das Antlitz der Bamberger Gärtner und Häcker“) und nach jahrelangem Durchhaltevermögen in die 2012 präsentierte Ausstellung Benät, Keesköhl, Stazinäri │ Bamberg – seine Gärtner und Häcker des Historischen Museums.
Nun ist erneut nach – jahrelanger Reifezeit – ein überaus attraktiver und ebenso hintergründiger Bildband zum Bamberger Bier, seiner Herstellung und seinen Verwertern im Erich Weiß Verlag entstanden. 160 Schwarz-Weiß-Fotografien sind das Ergebnis langjähriger Forschungsreisen in die Hinter- und Abgründe eines der Nahrungsmittel, deren Ingredienzen auf drei Zutaten, ja Elemente beschränkt, jedoch die Vielfalt im Krug durch die Kunst des Handwerks immer wieder überraschend ist. Selbst dem bekennenden Nichttrinker mag man diesen Band mit dem erhellenden Essay von Ekkehard Arnetzl ans Herz und gar unter den Weihnachtsbaum wünschen, offenbart sich doch ein Zustand, der vielfach verflossen, weil durch Normierungen unhaltbar und doch präsent, weil gelebt ist.
Ein Zustand, der dann eintritt, wenn die Bereitstellung der Zutaten – Wasser, Malz und Hopfen – gewährleistet ist, die Brauer ihrer Passion dank Altbewährtem und neuem Equipment frönen und schließlich der Verwerter das Produkt kostet, in Maßen genießt oder in Massen wegkippt. So versammelt der Bildband nicht nur das schrittweise Herantasten an die Zutaten, er geht weiter: Die Fotografen gehen den Herstellungs- und Produktionsbedinungen auf den Grund, dem Miteinander der Hersteller und Konsumenten und all der nötigen Zwischenschritte bis hin zur Segnung der Brauereigäule, um den unterschiedlichsten Verkostungsgelegenheiten mit den Nebenschauplätzen den nötigen Raum zu lassen.
Die Authentizität des Gewerbes, seines Produkts und seines Kunden darf im Mittelpunkt stehen. Das dargestellte Brauereigewerbe darüber hinaus eine Stadt repräsentieren, die sich ihrer Reize auf weiten Feldern nur schrittweise bewusst ist und dem marktschreierischen Massen zu erliegen droht – ein solcher Bildband kann zur Bewusstwerdung des Eigentlichen beitragen. Ebenso des Veränderungsdrucks der letzten 20 Jahre. Die Photographien dokumentieren die 90er Jahre, seither schraubten die Stellwerke mit ihren Vorschriften eifrig, der Druck vor allem auf die kleinen Betriebe – und das nicht nur im Brauereigewerbe – bündelt sich, sodass die Brauer erhebliche Bedenken für die Zukunft äußern. So liegt bereits im Titelbild „Der Schaumtester“ nicht nur der Kennerblick des Bierliebhabers, sondern ebenso ein trauriger Beigeschmack „Es ist viel verloren gegangen“ bis hin zum Brauerspruch „Am Bier ist nix verdient, aber am Schaum“.
Der Kult ums Bier besteht – sie haben den Kult erforscht
Für den tiefen Einblick in den Krug und seines Inhalts sei den Photographen Johannes Karch, Werner Kohn, Gudrun Pimpl, Georg Pöhlein, Franziska Reif und Erich Weiß herzlich gedankt. Ihrem Spürsinn liegt ein tiefes Bekenntnis zur Heimat zugrunde. Die traditionellen handwerklichen Tätigkeiten zu dokumentieren, macht dem Betrachter den zuweilen achtlosen Wandel bewusst und kann einen häppchenweisen Verlust vorbeugen. Eine städtische Gemeinschaft täte gut daran, solche Projekte zu durchdringen und tatkräftig zu unterstützen. Die Folgen politischer Entscheidungen sind bisweilen erst nach Jahren feststellbar – dann, wenn vieles bereits verschwunden ist.
Ein ganz wunderbares Buch mit ganz wunderbaren Photographien, denen ein hoher dokumentarischer Wert eignet. Chapeau!