Fortschreibung städtebauliches Entwicklungskonzept: „Im Augenblick hat niemand Interesse Wohnungen abzureißen“

Redaktion

Bis hinein in die SPD verspürte der Bamberger Stadtrat das „Unbehagen“ in der Bevölkerung über den empfohlenen Abriss von Wohnhäusern auf dem Konversionsgelände. So sprach Stadtrat Kuntke (SPD) vom schlechten „Image“, das der Konversionsprozess und auch der Stadtrat genieße, weil in den diskutierten Planunterlagen Häuser an der Pödeldorfer Straße nicht mehr auftauchen. Oberbürgermeister Starke sieht sich und den Stadtrat als Wohnraumvernichter regelrecht „diffamiert“. Also einigte man sich in der abschließenden Abstimmung auf eine Formulierung, die die bestehende Wohnbebauung in die Planungen des Konversionsgeländes bis auf weiteres belässt. Ursula Sowa vermeldete auf facebook sogleich: „Gute Nachricht ! Unser GAL-Antrag fand Gehör … der Konversionssenat beschließt einstimmig die Gebäude möglichst zu erhalten und den Leerstand ebenfalls möglichst zu vermeiden ! Ein erster Erfolg in dieser Wahlperiode!!“

Fällt es dem aufmerksamen Leser auf? Gleich zwei Mal das Wort möglichst. Tja, möglich scheint dem Lebenserfahrenen so allerhand, doch das wenigste wird erreicht – bisweilen bleiben von den Träumen nur Schaum

Trotz oben genannter Bedenken stimmte man der Fortschreibung des Gesamtstädtischen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes zu, das Professor Wachten in seinem ausführlichen Vortrag dem Konversionssenat und den gut 30 Zuschauern aus der Bevölkerung darlegte. Inhaltlich nichts Neues, denselben Vortrag hatte er in der Langfassung bereits in der Arena 4 im Mai gehalten. Die Stadt strebe demnach bis 2030/35 ein Wachstum auf 75.000 Einwohner an. Dazu werden ca. 2500 Wohnungen benötigt. Professor Wachten will „ein Stück normale Stadt mit guten Ansätzen entwickeln“, aber nicht mit den vorhandenen 2500 Wohnungen, sondern die bestehenden Häuser nur vereinzelt stehen lassen und dazwischen in verdichteter Bauweise Siedlungsarchitektur verwirklichen. 2500 Wohnungen sind bereits vorhanden und könnten sofort genutzt werden. Professor Wachten beschwört aber die extrem hohen Kosten des vermuteten Leerstands von ungenutztem Wohnraum und so spricht er immer wieder von Entwicklung, von Planung, von guten Ansätzen, von Qualität usw., meint also Abriss und Neubau.

Widersprüche in sich: eigentlich Wohnungen erhalten, doch planen, planen, planen

Den Stadträten gefällt das, die CSU und SPD bestreiten Planungen zum Abriss von Wohnungen, finden aber die Ausführungen von Professor Wachten, der immer wieder von Planungen und von Neubau spricht, gut. „Das mache,“ so Stadtrat Stieringer (SPD), „Lust auf die Zukunft“. Und: „Im Augenblick hat niemand Interesse Wohnungen abzureißen. Es solle keine Besiedlungskonversion sein, sondern eine Gestaltungskonversion.“  Gestaltungskonversion? Stieringer ist bereits auf der Suche nach einer Neuwortschöpfung, das alte Wort trägt ein schlechtes Image. Grundsätzlich umweht den Gestalter den Hauch des positiven Taten. Fast ein wenig Zauberei steckt dahinter, nicht wahr? Das Versprechen alles wird gut, lasst mich mal machen. Macht nur mal kurz die Augen zu, lasst mich gestalten, wenn ihr sie wieder öffnet – ihr werdet staunen!

DAS ist Politik!

Wie schon bei der Arena 4 geht Professor Wachten wieder von 250 benötigten Wohnungen pro Jahr aus. Er stützt sich dabei auf die Aussagen der Stadtbau GmbH, die feststellt, dass pro Jahr 250 Wohnungen neu errichtet werden und dies als tatsächlichen Bedarf annimmt. Es heißt jedoch nicht, dass es keinen größeren Bedarf gibt, es heißt nur, dass eben lediglich 250 Wohnungen erstellt werden. Stadtrat Schwimmbeck von der BaLi konstatiert allerdings derzeit einen Bedarf von 1500 Wohnungen und verweist außerdem darauf, dass Arbeitskräfte und Studenten zurzeit zur Hälfte außerhalb Bambergs wohnen und vermutlich gerne nach Bamberg ziehen würden. Er fordert, dass die 2500, dem Abriss geweihten Wohnungen so lange wie möglich im Spiel bleiben sollen. Stadtrat Schwimmbeck stellt endlich und als erster die wichtige Frage nach den Kosten für Abriss und Neubau von Wohnungen.

Frage nach Kosten für Abriss und Neubau von Wohnungen wird nicht beantwortet

Natürlich wird die Frage nicht beantwortet, stattdessen betont Professor Wachten erneut die immensen Kosten, die leerstehender Wohnraum verursachen würden. Und so doziert er entgegen aller Absichtserklärungen der Stadträte über den Planungsprozess zur Entwicklung eines Gebietes. Eigentlich vermisst man die Erkenntnis, dass vorhandene – sehr gut erhaltene und sofort beziehbare – Substanz eine wertvolle, im Besitz des Bürgers befindliche Ressource darstellt. Eine Ressource, deren Vernichtung aus ökonomischer und ökologischer Sicht ein Desaster wäre. Stattdessen soll ein Dialog mit dem Bürger aufgenommen werden, die Bürger sollen beteiligt werden – aber es wird schon mal fleißig geplant. Die „Büros“ sind schon ausgesucht, der Stadt vorgeschlagen. In dem so genannten Gutachterprozess soll kein Architektenwettbewerb stattfinden und schon gar keine von der GAL geforderte Internationale Bauausstellung (IBA), sondern eben die festgestellten „Büros“ in Abstimmung mit dem Stadtrat das Gebiet beplanen. Die „Büros“ wurden nach einem Leistungskatalog ausgesucht, der natürlich die fachliche Qualität und die Erfahrungen mit Konversationflächen beinhaltet – aber auch die kommunikative Leistungsfähigkeit – beurteilt. Kommunikative Leistungsfähigkeit könnte man auch übersetzen mit: Wie mache ich dem Volke die Suppe schmackhaft?

5 Gedanken zu „Fortschreibung städtebauliches Entwicklungskonzept: „Im Augenblick hat niemand Interesse Wohnungen abzureißen“

  1. „Niemand hat vor, eine Mauer zu bauen!“ Das Zitat kommt mir irgendwie bekannt vor… Nein, niemand. Auch die Renten sind sicher und andere Märchen.

    Immer wenn es heißt, so kommt es bestimmt nicht, dann kommt es gewiß so.
    Für wie doof halten die uns denn?

    Der Zaun soll vermeiden, daß man sieht, wie solide die Häuser noch sind.

  2. Die überschlagenen Summen, was der Erhalt kostet zeigt, daß man damit zum einen günstiger kommt und – sie sind quasi gleich bezugsfertig.

    Was soll man auch von der Aussage „Wohnungen u. a. im Bereich der “Flynn Housing” mit 4o3 Einheiten (immerhin 85 bis 115 qm) sei angesichts der zu erwartenden Bevölkerungsentwicklung nicht zu empfehlen“ halten?
    Das wären Wohnungen, in die auch Familien ziehen könnten.
    Ist das nicht mehr gewünscht? Ist es Platzverschwendung wenn eine Familie angemessen Platz bekommt?
    Oder reichen neu gebaute Kaninchenställe, in die sich die Familien dann bescheiden sollen?
    Man kann einfach mehr rausholen, wenn man auf dem gleichen Platz mehr Wohnungen baut.
    Ekliger Versuch, für die Lobbyisten das Feld zu bereiten und dabei andere Gründe vorzuschieben.
    Das Hinreden auf Neubau mit dem entkräfteten Vergleich was der Unterhalt koste, dient eindeutig nur dazu, den dahinterstehenden Investoren den Weg zu ebnen.

    Die nicht genannten Kosten für Abriss sollen vermutlich vom Steuerzahler übernommen werden. Die Investoren sind nur für den Profit da.

    • Fast richtig. Ganz richtig ist es andersherum: Der Profit ist nur für die Investoren da.

  3. Im Verlauf der ARENA 4 vom 13. Mai 2o14 in der Graf-Staufenberg-Schule wurde seitens der Herren Wachten und Selle behauptet, der Erhalt der Wohnungen u. a. im Bereich der „Flynn Housing“ mit 4o3 Einheiten (immerhin 85 bis 115 qm) sei angesichts der zu erwartenden Bevölkerungsentwicklung nicht zu empfehlen.

    Vor dem Hintergrund dieser – diskussionswürdigen – Auffassung sind diese Wohnungen in der „Entwicklungsstufe 7“ der „Fortschreibung Gesamtstädtisches städtebaulichen Entwicklungskonzept“ vom Juni 2o14 „konsequenterweise“ auch nicht mehr enthalten, d. h. – jetzt oder bald – zum Abriss empfohlen.

    Dazu ist zu sagen:

    – es trifft ohne Frage zu, dass der Erhalt zwar bestens bewohnbarer, jedoch für längere Zeit unbewohnter Wohnungen nennenswerte Unterhaltskosten verursacht;

    – allerdings wurden in diesem Fall Unterhaltskosten von nahezu apokalypti schen Ausmaßen ins Feld geführt: 1.5oo bis 2.5oo €/Wohnung + Jahr fielen angeblich an, d. h. Ø 2.ooo €/Wohnung + Jahr und dies wären – rechnerisch korrekt – in diesem Fall (4o3 Einheiten x 2.ooo €) ≈ 8oo.ooo €/Jahr.

    Eine derartige Berechungsweise überzeugt allerdings wenig, da sie zu erwähnen vergisst, dass derartige Unterhaltskosten ja nicht in den Sand gesetzt sind; vielmehr würde es sich dabei um Kosten handeln, die dazu dienen, Werte nicht verkommen zu lassen, sondern auf Sicht für künftige Bedarfe zu erhalten.

    Dies zu vernachlässigen wäre ähnlich fragwürdig, als wenn z. B. jemand die jährlichen Kosten für Mitarbeiter einer Wach- und Schließgesellschaft einzusparen empfiehlt und zu erwähnen vergisst, dass ohne deren Tätigkeit der Wert der bewachten Einrichtung in Gefahr geriete, vernichtet zu werden.

    Dazu kommt, dass die der o. g. Einschätzung zugrunde liegenden Annahmen betr. möglicher natürlicher und wanderungsbedingter Bevölkerungsentwicklung dieser Stadt auf vergleichsweise vagen Annahmen beruhen; im Gegensatz dazu sind durchaus optimistischere Prognosen denkbar.

    Ergo und mit den (vermutlichen) Worten von Karl Valentin: „Prognosen sind schwer, besonders wenn sie die Zukunft betreffen“.

    • … und man könnte auch mal versuchen, ganz grob auszurechnen, was der Neubau von sagen wir mal 400 Wohnungen zu 100 qm im Durchschnitt kosten würde. Bei Neubaukosten von 1100 € pro qm errechnen sich:
      400 Wohnungen * 100 qm * 1100 € Neubaukosten pro qm =
      44.000.000 € (in Worten: 44 Millionen).

      Eine Verschwendung, wenn man durchschnittlich 5 Jahre Leerstandskosten von 400 Wohnungen zu 2000 €/Jahr (= 4 Millionen) investieren würde??

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