Mitteilung des Erzbischöflichen Ordinariats
Erzbischof Ludwig Schick zum 75. Jahrestag der Reichspogromnacht: „Auch wer über Judenwitze lacht, macht sich schuldig“ / Erinnerung auch an die Widerstandskämpfer
Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick hat zum Jahrestag der Reichspogromnacht zu Toleranz, Respekt und gegenseitiger Wertschätzung aufgerufen. „In einer pluralen Gesellschaft muss eine Kultur des Wohlwollens und der Hochachtung vorhanden sein, dann ist Pluralität für alle bereichernd, wie auch die Geschichte beweist“, sagte Schick. Auch 75 Jahre nach den organisierten Übergriffen der Nazis gegen Juden sei in den Köpfen vieler Menschen immer noch judenfeindliches Denken verankert. „Der unauffällige Alltags-Antisemitismus in der Gesellschaft ist eine latente Gefahr, auch wenn er nicht zu Gewalt führt, sondern sich in scheinbar harmlosen Witzen und Bemerkungen äußert“, sagte der Erzbischof und rief zur Wachsamkeit auf: „Auch wer zu Judenwitzen schweigt oder mitlacht, macht sich mitschuldig.“ Es gelte: „Wehret den Anfängen“.
Auch bei den als „Reichskristallnacht“ verharmlosten Pogromen habe eine Mehrheit zugeschaut, abgewartet und geschwiegen und damit das grausame Unrecht möglich gemacht. „Es gab damals zu wenige, die aufgestanden sind, als sie hätten aufstehen müssen“, so Schick. Zivilcourage sei eine Tugend, die jedem Christen eigen sein müsse, wenn christliche Werte missachtet würden. Das sei in der Nazizeit der Fall gewesen und auch heute nicht überwunden. Die Reinigung des Bewusstseins und Gedächtnisses, auch Gewissenserforschung genannt, gehöre zum authentischen Christsein unabdingbar dazu.
Erzbischof Schick erinnerte auch an die enge Verwandtschaft des jüdischen und christlichen Glaubens, die als Schwesterreligionen zu betrachten seien. „Vielfalt muss keine Angst machen, sondern darf als Bereicherung erfahren werden“, mahnte Schick. „Der Keim einer gegenseitigen Verantwortung, die über Rassen- und Religionsgrenzen hinauswächst, muss in frühester Kindheit gelegt werden“, sagte er. Die Gleichheit aller Menschen müsse jedem Christen einleuchten, da sie in der Erschaffung durch Gott nach seinem Ebenbild begründet sei. Jede Art von Fremdenfeindlichkeit oder Intoleranz sei daher mit dem Evangelium und dem christlichen Glauben unvereinbar. Der eine und einzige Gott gebe und garantiere jedem Menschen unantastbare Würde und Rechte. Aus diesem Grund dulde die Kirche keine rassistischen Tendenzen in den eigenen Reihen und im kirchlichen Raum.
Die Reichspogromnacht vor 75 Jahren habe den traurigen Auftakt zu einem der dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte gegeben. Feindseligkeit und Aggression gegenüber Menschen anderer Überzeugungen und anderen Glaubens seien leider noch immer aktuell. Das dürfe nicht geleugnet werden, sagte der Bamberger Oberhirte. Umso wichtiger sei es für jeden Menschen guten Geistes „wachsam zu bleiben und aller menschenverachtenden Ideologie mit aller Kraft entgegenzuwirken“.
Die Erinnerung an die Verbrechen der Nazis sei aber auch verbunden mit der Erinnerung an diejenigen, die Widerstand geleistet und dies mit ihrem Leben bezahlt haben. Schick erinnerte insbesondere an den seligen Bernhard Lichtenberg, dessen 70. Todestag diese Woche begangen wurde. Der Berliner Dompropst starb auf dem Weg ins KZ Dachau im oberfränkischen Hof. „Auch das gehört zur Geschichte der Grausamkeiten des Nazi-Terrors: Es gab Menschen, die sich ohne Furcht für die Verfolgten und Verurteilten einsetzten. Diese Menschen sollten wir als Vorbilder in Erinnerung behalten. Das Christentum lehrt den Widerstand gegen das Böse und zugleich das Böse durch Gutes zu überwinden.“ Der Mut von Bernhard Lichtenberg und anderen Widerstandskämpfern, ihr Einsatz für Menschenrechte und Menschenwürde sollten den Christen von heute Mut machen, für eine Kultur der Liebe und Menschlichkeit unerschrocken einzustehen.