Erzwingungshaft für Straßenmusiker ?

Redaktion

Moritz Rabe am Grünen Markt. Foto: Erich Weiß

In einem öffentlichen Hilferuf wandte sich Moritz Rabe per Email an die Bamberger Presse. Wie aus dem unten vollständig wiedergegebenen Brief hervorgeht, droht ihm Erzwingungshaft, weil er mittlerweile 3715 Euro Schulden angehäuft hat. Dieser Betrag resultiert aus Sondernutzungszahlungen von jeweils 15 Euro pro Tag, die Moritz Rabe als Straßenmusiker nicht geleistet hatte.

Hier nun der Brief:

Ich bin Musiker, der seinen derzeitigen Lebensunterhalt ausschließlich durch Straßenmusik bestreitet – kein HartzIV, keine sonstigen Leistungen beziehend. Ich singe in der Bamberger Altstadt zum Großteil traditionelles Liedgut, als auch eigene Lieder von Freiheit und Abenteuer.

Etwa 4 Jahre lang hatte man mich singen lassen, ohne je mit Gesetz und Verordnungen in Konflikt zu geraten. Ich habe mir eine Existenz als gern gesehen und gehörter Sänger auf Bambergs Straßen aufgebaut. Seit letztem Jahr allerdings zum Start der „Landesgartenschau“ hier in der Stadt begann der Ärger mit den Behörden. Man müllte mich regelrecht zu mit Ordnungsstrafen, die auch ständig mein damaliger Vermieter zu Gesicht bekam, womit mein Mietverhältnis stark gefährdet wurde. Ich bin darauf hingehend zu einem Freund zur Untermiete gezogen, ohne diese Angaben der Stadt zu gemacht zu haben. Mittlerweile liegt die Ordnungsstrafe bei 525,- Euro pro „erwischtem, illegalen“ Auftritt. Die Gesamtsumme der Strafen beträgt sage und schreibe 3.715,- Euro.

Verhandlungsangebote wurden stets abgeschmettert mit der Begründung, man könne bei mir keine Ausnahme machen, obwohl ich oft genug betonte, daß mir mit der Sondernutzungszahlung von 15,- Euro täglich (etwa 300,- im Monat) für meine Darbietungen es nicht mehr möglich ist, meinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Zu einer sogenannten Anhörung beim Sozial- und Umweltreferat der Stadt Bamberg machte ich das Angebot, 100,- Euro monatlich zu zahlen. Das wurde nicht angenommen. Wenn man einem Menschen aber eine Anhörung verspricht, ist aber doch zu erwarten, daß man versucht sich zu einigen.. Das ist in keinster Weise geschehen! Die Stadt reagiert mit deutlicher Ignoranz. Bereits eine im letzten Sommer gestartete Unterschriftensammlung, mich als Teil der Kultur in Bamberg zu sehen, die ich mit 1.000 Unterschriften dem Oberbürgermeister Andreas Starke überreichte, wurde unbearbeitet ignoriert.

Aufgrund der Nichtzahlung dieser Ordnungsstrafen wurde gegen mich bereits ein Antrag auf Erzwingungshaft gestellt, obwohl ich immer wieder deutlich machte, daß mir weder die Zahlung der 15,- Euro Sondernutzungsgebühr und schon gar nicht diese immense Forderung von über 3.700,- Euro möglich ist.

In einem kürzlich gestartetem Mailwechsel mit der Frau Ulrike Siebenhaar von der Pressestelle der Stadt Bamberg kann man deutlich genug heraushören, wie persönlich attackierend man bereits mit meinem Recht als Mensch umgeht:

„Sobald Sie aus der Haft entlassen werden, und wieder beim Musizieren ohne Genehmigung erwischt werden, geht das Spiel von vorne los …“ schrieb sie mir. (Orginal Emailwechsel ist gespeichert) In meiner erneuten Antwort schrieb ich ihr unter anderem: „Dieses Spiel, das Sie da spielen ist meine Existenz!!!“ Die Ängste, die da verständlicherweise mitspielen, nahm die Frau Siebenhaar gar nicht wahr, sondern antwortete ohne Begrüßung und weiterer diplomatischer Ausschmückung: „Sie spielen ein Spiel. Wir nicht.“

Jetzt habe ich mit der Zustellung der „Ladung zum Antritt der Erzwingungshaft“ vom 25.7.2013 einen klaren Haftbefehl vor mir liegen. Geht denn das überhaupt, ohne sich vor einem Richter erklärt zu haben? Habe ich da nicht ein Recht drauf? Das ist doch reine Willkür!

Moritz Rabe

mittlerweile (heute am 12. August) hat Frau Siebenhaar von der Pressestelle auf den Beitrag reagiert und der Bamberger Onlinezeitung ihre Antwort an Herrn Rabe mit der Bitte um Veröffentlichung zugesandt.

Sehr geehrter Herr Rabe,
vielen Dank für Ihre Mail bzw. Nachricht an Oberbürgermeister Andreas Starke. Ich habe mich erkundigt und die genauen Details zu Ihrem Fall abgefragt.
Wie Sie wissen, sind bis jetzt genau 3.380,00.€ Geldbuße zzgl. 333,50 € Gebühren und Auslagen, also insgesamt 3.713,50 € aufgelaufen. Die Höhe der Geldbuße staffelt sich aufgrund der vehementen Beharrlichkeit nicht zu bezahlen. Sie weigern sich strikt, eine Genehmigung für künstlerische musikalische Darbietung zu beantragen.
Allerdings muss jeder, der Straßenmusik ausübt, eine Genehmigung beantragen, auch Sie.
Insgesamt sind 14 Verfahren anhängig, wobei 10 Fälle an die Staatsanwaltschaft zur Vollstreckung der Erzwingungshaft weitergeleitet wurden. Von welchen Verfahren Sie bereits Kenntnis haben, ist uns nicht bekannt. Sie hätten zudem die Möglichkeit gehabt, fristgerecht bei jedem Bußgeldbescheid Rechtsmittel (Einspruch) einzulegen. Von dieser Möglichkeit haben Sie jedoch keinen Gebrauch gemacht. Auch nach einer diesbezüglichen Belehrung wollten Sie davon keinen Gebrauch machen.
Ihnen wurde bereits mehrfach mündlich und schriftlich mitgeteilt, dass ein Pauschalbetrag fürs Musizieren nicht möglich ist. Um eine Überfrachtung der Fußgängerzone mit Straßenmusikanten und damit einhergehend eine Belästigung insbesondere der Geschäftsinhaber, aber auch der Passanten vorzubeugen, werden in regelmäßiger Verwaltungspraxis nur jeweils zwei Erlaubnisse für zwei Tage erteilt. Daran kann auch eine Unterschriftensammlung nichts ändern.
Sobald Sie aus der Haft entlassen werden, und wieder beim Musizieren ohne Genehmigung erwischt werden, geht das Spiel von vorne los und wir werden weiterhin die Anzeigen der Polizei bearbeiten und mit Bußgeld ahnden (natürlich wieder gestaffelt).
Ich darf darauf hinweisen, dass die Stadt Bamberg weder das Singen noch das Musizieren verbietet. Im Gegenteil, wir begrüßen diese urbane Belebung. Wir dürfen Sie jedoch höflich bitten, sich an geltende Regelungen zu halten.
Sie haben Oberbürgermeister Andreas Starke eine gleichlautende Nachricht auf Facebook geschickt. Ich gehe davon aus, dass sich diese Nachricht mit der Beantwortung Ihrer Mail erledigt hat.
Mit freundlichen GrüßenUlrike Siebenhaar
Leitung Pressestelle
Stellv. Leitung Bürgermeisteramt

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Betteln trägt zum kommunikativen Gemeinwohl beiLetzter Brief zur gütigen Einigung bezüglich der öffentlichen Darbietung meiner Kunst mit Ankündigung des durch Sie nun erzwungenen, zivilen Ungehorsams.

7 Gedanken zu „Erzwingungshaft für Straßenmusiker ?

  1. Hätte er das Musizieren als Form von Betteln deklariert, hätte ihn ein geschickter Advokat da vielleicht heraushauen können.
    Schon Heinrich Heine glaubte, man könnte vielleicht Schilda für seine Heimatstadt halten, Herr Rabe wird wohl Bamberg für Schilda halten – und jeder Steuerzahler auch.
    Auch wenn es formaljuristisch korrekt ist, hier wird Steuergeld für eine Haftstrafe ausgegeben, weil jemand sein eigenes Geld verdienen wollte statt sich aus Steuermittel Hartz geben zu lassen… Trägt irgendjemand das Licht in Eimern ins Rathaus?

  2. Die einen, die Kulturschaffenden, sonnen sich im „Erfolg“ eines Jazz- und Bluesfestivals, die anderen, die Künstler, holen sich den Blues in der JVA.
    Bamberg – ein lebenswertes Weltkulturerbe!

  3. ….ja, genau, sperrt ihn ein und macht ihn damit vollends zum Märtyrer und mobilisiert seine wütende Anhängerschar. Du meine Güte – in dieser Stadt wird über so vieles großzügig hinweg gesehen, muss jetzt an Moritz Rabe unbedingt ein Exempel statuiert werden? Hat die Stadt aus ihrem Vorgehen beim Stadtbad, Hainbad, Kettenbrücke etc.immer noch nicht gelernt und ein bisschen was verstanden, wie hier das Leben tickt? Oder fehlt Herrn Rabe einfach nur ein wichtiger Mensch, der sich für ihn einsetzt? Soll das die Schlagzeile werden: „Stadt der Bamberger Symphoniker verfolgt mittellosen Künstler?“ Also, bitte: Schaut endlich weg von den Paragraphen und auch dem inneren „ich bin aber im Recht“ und lieber Euch ins Gesicht. Redet miteinander! Man muss nicht mögen, was dieser Straßenmusikant äußert und lebt. Aber genau wie viele andere schräge Vögel in dieser Stadt ist er inzwischen ein Bamberger Gesicht und gehört dazu. Und so komplex ist die Problematik nun auch wieder nicht, dass sich nicht eine Lösung finden ließe. Wenn – beide Seiten es wollen und sich darum bemühen…

  4. Von Seiten der Stadt und vor allem des OBs aus, geht es doch nur um die Existenz seines Busenfreunds Stieringer, dem mit seinem Stadtmarketing das alleinige Verkaufsrecht der Tagesgenehmigungen für Straßenmusiker zugeschanzt worden ist.
    Gerüchte sagen, daß er für die Übernahme dieser eigentlich behördlichen Tätigkeit bis zu 100% der 15,00€ Sondernutzungsgebühr als „Aufwandsentschädigung“ behalten darf.
    Da sich in Bamberg immer mehr Kritik an Stieringer und seinen Lärm-Events (Aktuell: Blues&Jazz-Vestival mit dieser ekelhaften Industrieplörre) bildet, sollen die Kritiker nun mit aller Gewalt eingeschüchtert (Siehe dazu FT vom 10.08.2013 Seite 9: „Mittelalterliche Verhältnisse“) bzw., sofern möglich, gleich weggesperrt werden.
    Irgendwie erinnert mich das an den Fall Mollath.

  5. „Das ist doch reine Willkür!“ Nein.
    Das ist Gesetz und es geht auch darum, das nicht jeder wild durch die Gegend trällert. Ich bin grundsätzlich froh, das man ihn nicht mehr sieht. Mich nervt die Musik eher und seitdem er weg ist die Musikauswahl auch besser.

    • so so… du findest die vielen grässlichen ostblockheulbojen besser? geh mal zum ohrenarzt!

      bei denen steckt viel zu oft auch die rumänische bettelmafia dahinter. die werden immer mehr, immer aggressiver und machen auch vor dubiosen methoden nicht mehr halt. manchmal spielen rund 10-15 von denen in den tourismusstrassen – haben die wirklich allle bezahlt? bestimmt nicht.

      und was die laut jammernden bettler betrifft so frag ich mich schon warum da niemand einschreitet? das kotzt mich so richtig an, wenn die einen auch noch anlabern oder gar zettel oder blumen verteilen wollen.

      und nebenbei empfehle ich mal nen abendspaziergang am kanal und pass auf dass du kein bettlercamp zertrampelst. grauenvoll diese zustände.

      und dann bekommt die überragende leistung beim kampf gegen einen einzelnen deutschen, horror-gebühr-prellenden musiker einen sehr faden geschmack.

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