Redaktion
Eisenacher Ballettfreunde sind wirklich zu beneiden! Besitzt doch das Landestheater Eisenach mit seinen 16 Tänzerinnen und Tänzern eines der größeren Ballettensembles Deutschlands – trotz des Sparzwangs. Sie waren mit „Schwanensee“ in Bamberg zu Gast und haben Ballettfreunde ob ihres tänzerischen Könnens und ihrer Interpretation des höchst anspruchsvollen Stücks nach der Musik von Peter Iljitsch Tschaikowsky nachhaltig beeindruckt.
Tschaikowskys erste Ballettkomposition von 1877 bleibt eine große Herausforderung und ist eigentlich für solch ein kleines Ensemble eine Nummer zu groß. Die Sage von der verzauberten Schwanenprinzessin, die nur durch wahre Liebe aus dem Bann des bösen Zauberers erlöst werden kann, ist bei vielen Völkern bekannt. Der junge Prinz Siegfried (fulminant von Nikolay Korobko) übernimmt in der Eisenacher Interpretation den Handlungsfaden, sein Erwachsenwerden mit Enttäuschungen einer Liebe bilden den Rahmen. Ausdruck und Sprungkraft Korobkos geben dieser Rolle eine neue Dimension. Den Reifeprozess erzeugend übernimmt Odette/Odile die Prägung des jungen Mannes. Äußerst reif Margie Coenen-Oosten in der komplexen Doppelrolle in Spielfreude und tänzerischer Leistung überzeugend.
Ästhetisch sehr ansprechend sind sowohl Bühnenbild (Christian Rinke) als auch Kostüme (Danielle Jost), die zur modernen Interpretation eines Tanztheaters beitragen. Grundstimmungen in grün und rot unterstreichen den Wandlungsprozess des Heranreifens, unterstützt durch die zunächst nahezu asexuellen Rockgebilde bis weiterhin reduzierte und aufreizende Kostüme.
Seit der Spielzeit 2009/10 wird das Eisenacher Ballettensemble von Andris Plucis geleitet, der zuvor von 1998 bis 2009 Ballettdirektor und Chefchoreograph am Theater Ulm war, geleitet. Plucis, 1959 in Zürich als Sohn eines berühmten lettischen Ballettpaars geboren, machte bereits 1985 von sich reden, als er als jüngster Ballettdirektor Deutschlands die Company des Stadttheaters Gießen übernahm. Zuvor war er jahrelang Tänzer an der Oper Bonn und an den Städtischen Bühnen Frankfurt bei Egon Madsen und William Forsythe.
Beneidenswert sind die Eisenacher auch um das Vergnügen, Tschaikowskys Musik eingespielt von Carlos Domínguez-Nieto und der Landeskapelle Eisenach hören zu dürfen. Ein Abspielen vom Tonband ist bedauerlich und wohl der begrenzten Platzverhältnisse im Bamberger Theater geschuldet.
Das Gastspiel ist der Auftakt zu einer künftigen Zusammenarbeit mit dem Bamberger Theater, die in der nächsten Spielzeit mit Tschaikowskys „Nussknacker“, dem neuen „Chaos-Ballett“ „Karlheinz: Ganz ohne Weiber geht die Chose nicht“ (Premiere im Landestheater am 27. April) und der Ballett-Uraufführung „E.T.A. Hoffmann – eine Moritat“, einer getanzten Annäherung an diesen „Dichter der entwurzelten Geistigkeit“ (Premiere im Landestheater ist in der nächsten Spielzeit am 26. Oktober 2013) fortgesetzt werden wird.