Und an der Angel ein geplatzter Gummiball: Rolf Haufs bittet zu einer „Tanzstunde auf See“. Nebst einer Einladung zu Passions-Konzerten in Würzburg und Bamberg.

Arktisch

Unser Bedarf an Passionsmusiken ist
Gedeckt. Die Kaffeemaschine surrt
Sirup eine Prise Salz
Das einzige Indiz

Jetzt sollen wir den Kaspar machen
Ostereier. Bunte Hemden. Wir suchen
Die Herztabletten

Schollenhüpfer auf dem Fluß
An der Angel ein geplatzter Gummiball
Für diesen Planeten wollen wir uns
Nicht erwärmen

Ja es ist das Seelchen
Wir hüpfen davon
Mit arktischem Groll.

Rolf Haufs

Von Chrysostomos

Zweimal hat Rolf Haufs, nämlich 1981 und 1989, das gestern in dieser Zeitung besprochene Jahrbuch der Lyrik herausgegeben, im Verbund mit der Konstante Christoph Buchwald. Etliche Male, versteht sich, ist er darin vertreten. Und auch Haufs ist bereits in Bamberg gewesen, auf Einladung Wulf Segebrechts, mit dem ihn bis heute eine herzliche Freundschaft verbindet: Im vergangenen April moderierte der Bamberger Emeritus in Berlin eine Lesung, ein Gespräch mit Haufs, den die höchstlöbliche und in Sachen Poesie arg rege Literaturwerkstatt Berlin innerhalb ihrer Reihe „Klassiker der Gegenwartslyrik“ vorstellte. Darin kommen jene Lyrikerinnen und Lyriker zu Wort, „ohne die die deutschsprachige Lyrik nicht das wäre, was sie heute ist“.

Vögel scheint Rolf Haufs zu mögen. Durch die Tanzstunde auf See – 2010 als sechzehnter Band der von Ursula Haeusgen, von dem ubiquitären Michael Krüger und von Raoul Schrott betreuten Edition Lyrik Kabinett bei Carl Hanser, also in München, erschienen – schwirren Zaunkönig und Türkentaube, Amsel und Ara, huschen Blaumeisen (die auch in Meisenkästen vertreten sind), melden sich stolz Adler und Störche zu Wort, ist Platz für Krähen und Schwan, für Ente, für Hühner, Schlachthenne und Hahnenhälse. Haufs’ „Bedarf an Passionsmusiken“ hingegen, genauer: der seines lyrischen Alter ego (siehe oben), scheint gedeckt.

Auch ist ihm nicht danach, den Kaspar zu geben, im bunten Hemd sich auf die Suche nach Ostereiern zu machen. Cholesterin, Cholesterin! Da sind die Herztabletten doch wichtiger. Geplatzt ist der Gummiball an der Angel, wie so mancher Traum hienieden wohl auch. Ach, das Seelchen. Man trollt sich, mit „arktischem Groll“.

Rolf Haufs ist an Silvester 1935 im Düsseldorfer Stadtteil Bilk (Robert Schumann war dort einst, mit Clara, zuhause) geboren. Nach einer Ausbildung zum Industriekaufmann war er im Export tätig. 1960 ging er nach Berlin, wo er bis heute lebt. Fast drei Dekaden lang war er der für Literatur zuständige Redakteur beim Sender Freies Berlin. Zwischen Havel und Spree traf Haufs auf Verstorbene, auf Brecht, Benn und Georg Heym, auf (damals oder heute) noch Lebende: Johannes Bobrowski, Nicolas Born – den er auch edierte – Christoph Meckel, Adolf Endler und Günter Grass.

In seinen Gedichten blickt Haufs, der von sich sagt, sein Ich sei gezeichnet von „Erlebnissen, die weit zurückliegen“, eben häufig zurück auf die Kindheit am Niederrhein, auf Erlebnisse im Krieg, in einem „Portrait“ des Vaters auf den „Tausendschönsommer“ anno 1900, auch auf das Alter und die damit verbundenen Krankheiten, auf die Gegenwart an der Seite seiner jungen Lebenspartnerin Kerstin Hensel – auch sie schreibt bekanntlich Lyrik – die beispielsweise „über die Schönhauser Allee“ läuft, wo „Leute lachen über französische Dessous“ und einen Kaffee trinken. Und, man ist ja auch immer wieder in Franken, in „Geißler“ (damit ist der Hamburger Autor Christian Geißler, auch Geissler, gemeint) heißt es, unterwegs im 2CV: „In Bayern schaukelte die Ente als / Lehrte sie mich das Schnattern. An der / Fränkischen Grenze hast du dich / Verfahren.“

Es sei noch vermerkt, daß die Edition Lyrik Kabinett ein haptisches Erlebnis garantiert und bis zur Einbandgestaltung, für die, jedenfalls bei Haufs’ Tanzstunde, Peter-Andreas Hassiepen verantwortlich zeichnet, mit viel Sorgfalt und Liebe aufgemacht ist. Zuletzt ist in der Edition ein Band mit Gedichten des Schotten Robin Robertson herausgekommen. Übersetzt hat sie, wie so vieles, Jan Wagner.

NB: Leser (und potentielle Zuhörerinnen), deren „Bedarf an Passionsmusik“ keinesfalls bereits gedeckt ist, seien hingewiesen auf zwei, drei anstehende Konzerte. Zum einen führt der Oratorienchor Würzburg am Samstag, den 23. März, um 20 Uhr in der Franziskanerkirche zu Würzburg Bachs Johannespassion auf. Bereits am Sonntag zuvor kann man diese Passionsmusik um 17 Uhr in St. Stephan, Bamberg, hören. Ingrid Kasper dirigiert ihre Kantorei, die Bamberger Symphoniker begleiten Solisten und Chor.

NBB: Heft 10 der Bamberger Reihe „Fußnoten zur Literatur“, 1986 herausgegeben von Wulf Segebrecht und Hans-Ulrich Wagner, erteilt Auskünfte von und über Rolf Haufs. Neben einer Gedichtinterpretation von Elisabeth Borchers bringt es autobiographische und poetologische Texte sowie Prosa und Gedichte des Autors selbst.