Franziska Lamm
„Es sind doch nur zwei Wochen.“ Welche Tochter würde sich nicht freuen, wenn sie zwei Wochen mit ihrem Vater verbringen dürfte? Anders ist es jedoch bei Christine, die schon 45 Jahre alt ist und in ihrem wohlverdienten Urlaub ihren Vater Heinz umsorgen soll. Denn dieser ist farbenblind und schafft es nicht einmal sich Essen zu kochen, ohne dass er es anbrennen lässt und einen Großeinsatz der Feuerwehr auslöst. Nur widerwillig nimmt Christine den Wunsch ihrer Mutter an, die für eine Knieoperation nach Hamburg ins Krankenhaus muss. „Ich würde mit meinem Vater Ferien machen. Das erste Mal nach dreißig Jahren. Die letzte Reise endete damit, dass er mich aus pädagogischen Gründen auf dem Rasthof in Kassel stehen ließ. (…) Und nun, nach dreißig Jahren, fingen wir wieder damit an. Wenigstens führte die Fahrt dieses Mal nicht über Kassel.“ Trotz aller Vorkommnisse in der Vergangenheit fahren Vater und Tochter zusammen nach Norderney, denn Christine hatte ihrer besten Freundin Marleen versprochen, ihr beim Renovieren zu helfen. Kaum dort angekommen übernimmt Heinz die Leitung der Renovierungsarbeiten und macht alles anders, als Marleen es eigentlich wollte. Als die Möbel für das neue Lokal geliefert werden, hält Heinz sich nicht an den Plan, in dem genau steht, was wohin soll, sondern lässt seiner Phantasie freien Lauf. Entsprechend fällt Marleens Reaktion aus: „Das Bild, das sich uns bot, ließ mich an ,Versteckte Kamera‘ denken: (…) Mein Vater sah aus wie ein Lehrer in einem leeren Klassenzimmer. (…) ,Wo ist denn der Plan von Nils?‘ Marleens Stimme klang ein bisschen angestrengt. (…) Marleen schwieg.“ Die Kneipenbesitzerin versucht angesichts dieses Chaos‘ Ruhe zu bewahren und nicht ausfallend zu werden. Es ist sehr bewundernswert, dass sie es auch schafft. Die Renovierungsarbeiten sind aber nicht das einzige, um das sich Heinz kümmert. Er lässt nämlich auch einen Artikel über das neue Lokal drucken, in dem er sich als Leiter der Renovierungsarbeiten darstellt und Marleen als Besitzerin der Kneipe mit keinem Wort erwähnt. „Marleen knallte die Zeitung auf den Tisch und schlug auf die Stelle, wo das Konterfei meines Vaters dem Leser fröhlich entgegenlächelte. Marleen fixierte den prominenten Inselkenner [Heinz], der zufrieden auf seinem Stuhl saß. (…) Marleen schnappte nach Luft und brüllte fast. (…) ,Heinz!‘ Marleen war nicht zu beruhigen, sie hatte schon rote Flecken am Hals. ,Das ist doch keine Werbung für mich, da steht doch nur Blödsinn drin. (…)‘ Marleen war am Ende. Sie ließ sich auf den Stuhl sinken, den Onno ihr hinschob und kippte den Schnaps, den Kalli ihr einschenkte. Dann sah sie meinen Vater lange und konzentriert an. ,Sei froh, dass ich mit deiner Tochter befreundet bin. Aber ich warne dich. Beim nächsten Mal bist du tot. Kalli, ich brauch noch einen. Prost.‘“ Doch damit nicht genug. Als sich ein Mann für Christine zu interessieren beginnt, stellt Heinz mit Hilfe eines Reporters namens Gisbert Nachforschungen an. Der Liebhaber soll ein Heiratsschwindler sein. Christines Vater hatte es von Anfang an gewusst, denn der junge Mann hat so „tückische Augen“. „Gisberts Antwort kam wie ein Schuss. ,Ich sage nur: Heiratsschwindler auf der Flucht. Er wird auf den Inseln vermutet.‘ (…) ,Die Vorgehensweise dieses Subjekts ist immer gleich. Er mietet sich in ein Hotel ein und bandelt mit einer Angestellten an. Ihr verspricht er die große Liebe, sie erzählt, ohne sein perfides Spiel zu durchschauen, von anderen Gästen. (…) Man vermutet ihn auf den Inseln. Entweder hier oder auf Juist oder Borkum.‘ (…) Mein Vater schlug auf den Tisch. ,Genau, Thiess. Der hatte was Merkwürdiges an sich. Und er hat sich gleich an Christine rangemacht, Das ist doch eindeutig.‘“ Heinz sammelt Gleichgesinnte um sich, um zu verhindern, dass seine Tochter ausgenommen wird. Christines Befürchtungen, dass dieser Urlaub weder friedlich sein noch ohne Katastrophen ablaufen wird, scheinen sich zu bewahrheiten. Denn sie kann und will nicht glauben, dass dieser attraktive junge Mann ein Heiratsschwindler sein soll.
Dora Heldt wurde 1961 auf Sylt geboren und arbeitet wie ihre Romanfigur Christine in Hamburg als Verlagsvertreterin. Mit ihrem Roman „Urlaub mit Papa“ eroberte sie alle Bestsellerlisten. Weitere Bücher dieser Serie sind „Tante Inge haut ab“ und „Kein Wort zu Papa“.
Christine wird als Tochter dargestellt, die ihre Eltern liebt, auch wenn sie Schwierigkeiten mit ihrem Vater hat. Viele ihrer Beziehungen scheitern. Hein treibt sie mit Worten und Taten oft an den Rand des Wahnsinns, gerade wenn er ihre Lebenspartner auf ihre Tauglichkeit hin überprüft.
Heinz wird von seinen Kindern folgendermaßen beschrieben: „,Er hat Augen wie Terence Hill und Schiss wie Rantanplan.‘“ Einerseits ist er unglaublich liebenswürdig und aufmerksam. Andererseits aber hat er einen Hang dazu, sich überall einzumischen, was ihm oft Ärger einbringt. Dadurch, dass er farbenblind ist und sich nicht einmal selbst Kaffee kochen kann, wird er als so schwach dargestellt, dass man das Gefühl bekommt, ihn bemuttern zu müssen.
Dieser Roman ist die perfekte Urlaubslektüre, egal ob man zuhause bleibt oder mit der Familie verreist. Dora Heldt erzählt frisch und mit viel Witz von der teilweise doch schwierigen Beziehung zwischen Vater und Tochter. „Ich lächelte sie verständnisvoll an. ,Schätzchen, er regt mich seit Samstag auf. Wenn ich richtig nachdenke, regt er mich eigentlich schon seit 40 Jahren auf. Aber man lernt damit zu leben.‘“ Trotz aller Schwierigkeiten haben sich Vater und Tochter lieb. Ihre Geschichte bietet viele Lachsalven und Lachtränen. Sie ist so slapstickartig geschrieben, dass jede Tochter etwas von sich und ihrem Vater wiederfinden kann.
Dora Heldt: Urlaub mit Papa. Deutscher Taschenbuch Verlag. 320 Seiten. ISBN 978-3-423-21143-7. Preis: 7,95 €