Dr. Franz Pichler
Die Lange Straße, eine der (oder die) schönsten Straßen der Stadt mit ca. 38 Einzeldenkmälern, Welterbeensemble, entstand im 18. Jahrhundert als großbürgerliche Wohnstraße, wie sie es größtenteils heute noch ist. Mit ihr sind berühmte Namen verbunden wie Johann Jakob Michael Küchel, Baumeister und Mitarbeiter von Balthasar Neumann, die Beamtenfamilie Karg, der allseits bekannte Dr. Adalbert Friedrich Marcus, seine von E.T.A. Hoffmann verehrte Nichte Julie Marc, um nur einige zu nennen. Heute ist die Lange Straße in beiden Richtungen eine der wichtigsten Durchgangsstraßen für Radfahrer, vor allem für Schüler und Studenten, sowie Autoverkehr in Richtung Gaustadt auf dem innerstädtischen Ring, für Touristen (Flußkreuzfahrer) das Eingangstor zur Innenstadt. In der ehemals eleganten Straße, herrscht drangvolle Enge, nichts erinnert mehr an die „feine Adresse“, die sie bis in die 1960er Jahre war.
Die Vielzahl der Funktionen überfordert die Straße mit ihrem mittelalterlichen Querschnitt.
So gibt es große Probleme zwischen Radfahrern und Fußgängern in Richtung Schönleinsplatz, hier ist der Radweg mit dem Fußweg niveaugleich. Bei Müllabfuhr, Papier- oder Plastiksackabfuhr weichen Radfahrer auf den Gehweg aus und provozieren gefährliche Situationen.
In Richtung Obstmarkt sind oft große Touristengruppen unterwegs, manchmal 3-5 Busse (aus der Promenade) auf einmal. Auch hier ergeben sich gefährliche Situationen, weil diese Gruppen stellenweise den Radweg benützen und manche Radfahrer zwischen den Fußgängern zu schnell unterwegs sind. Im Bereich der Cafes ist die Situation unhaltbar. Begegnungsverkehr mit Fußgängern oder Eltern mit Kinderwagen ist fast nicht möglich. Die Lieferzone vor dem Lebensmittelgeschäft ist von PKWs oft zugeparkt, die liefernden Fahrzeuge weichen auf den Radweg und den Gehweg aus, das Problem haben Fußgänger und Radfahrer.
Es ist aus meiner Sicht höchste Zeit, das Platz- und Sicherheitsproblem in der Langen Straße anzupacken. Erfreulicherweise nimmt die Zahl der Radfahrer und Fußgänger in der Stadt immer mehr zu. Diesen schwächsten Verkehrsteilnehmern muss Mobilität und Aufenthalt „barrierefrei“ ermöglicht werden, nicht zuletzt auch im Hinblick auf den zunehmenden Anteil älterer Menschen.
Was ist zu tun ?
Die Lange Straße muss ein „verkehrsberuhigter Geschäftsbereich“ werden.
Ein solcher Bereich ist eine Tempozone mit einer Höchstgeschwindigkeit von weniger als 30 km/h. Er empfiehlt sich in zentralen städtischen Bereichen mit hohem Fußgängeraufkommen und überwiegender Aufenthaltfunktion, was ja gewünscht ist. Durch die herabgesetzte Geschwindigkeit erhöht sich die Sicherheit bei gleichzeitig verbesserter Nutzung des öffentlichen Raumes durch Fußgänger, der Radfahrer und gastronomische Aufstellflächen. Die ehemalige Prachtstraße würde aufgewertet und belebt werden, geschäftliche und private Interessen rückten zusammen, gemäß dem Grundsatz „Leben und Leben lassen“. In einem überschaubaren Straßenabschnitt kämen alle Verkehrsteilnehmer gut mit einander aus, eine Verkehrsberuhigung, von der alle profitieren.
Konkret ?
Mehr Platz für Fußgänger, Radler und gewerbliche Nutzung
würde für mehr Sicherheit sorgen, die Aufenthaltsqualität steigern und ein freundlicheres Ambiente in der Langen Straße schaffen. Erreicht werden kann das durch kleinere bauliche Anpassungen und durch Umnutzung von Flächen, d. h. Wegfall der oberirdischen Kurzparkplätze, wobei die Haltemöglichkeit für Behinderte, Handwerker oder Lieferverkehr erhalten werden muss. Eine flächige Umgestaltung wäre nicht erforderlich. Im Einzelnen:
In Verkehrsrichtung ( Schönleinsplatz – Kranen ): Auflösung des Radwegs, Radfahrer auf die Straße.
Gegen Verkehrsrichtung ( Kranen – Schönleinsplatz ): Ab Theatergassenpassage Verlagerung des Radwegs auf die Fahrbahn (Abtrennung durch kleine bauliche Maßnahme), Wegfall von 14 Kurzparkplätzen.
Vorteile: Fußgänger gewinnen Platz, Gefahrensituationen zwischen Fußgängern und Radfahrern werden entzerrt, Begegnungsverkehr in Höhe der Cafes entspannt sich, Geschäften bietet sich die Möglichkeit der Außenpräsentation. Insgesamt optische Aufwertung, z. B. durch höherwertigere Möblierung, weil mehr Raum zur Verfügung steht. Reduzierung des Autoverkehrs (kein Parksuchverkehr), denn wo es keine Parkplätze gibt, sucht man sie auch nicht.
Grundsätzlich handelt es sich um einen Abwägungsprozess: 14 Kurzparkplätze à 20 Minuten gegenüber mehr Raum und Sicherheit für Fußgänger und Radfahrer, mehr Aufenthaltsqualität für Kundschaft, Passanten und Touristen. Für mich ist es ein Gebot der Vernunft, die Koordinaten in der Langen Straße zu Gunsten von Fußgängern und Radfahrern zu verschieben, dem Trend zur Entschleunigung und positiver Einstellung zur Umwelt Rechnung zu tragen. Die Stadt wird davon profitieren.
Als Stadtrat muss ich in erster Linie das Gesamtwohl der Stadt im Blick haben.
Handel und Gewerbe werden darunter nicht leiden, im Gegenteil, es wird zu einer ähnlich positiven Entwicklung kommen wie in der Sandstraße, Austraße, Kleberstraße. Eine 1 A Lage, wie am Grünen Markt kann man nicht gleich erwarten, aber die Lange Straße wird ein Stückchen näher heranrücken.
Wir müssen den Worten Taten folgen lassen
Noch eine Anmerkung: Nicht wenige Parteifreunde (CSU, Anm. d. Red.) und Kollegen werfen mir vor, Mittelstand, Gewerbe, Handel und Freiberufler zu „verraten“, weil ich mich für die Lange Straße als verkehrsberuhigten Geschäftsbereich einsetze. Dazu kann ich nur sagen: Eine große, moderne, werteorientierte Volkspartei wie die CSU kann nicht ausschließlich von Handels- und Gewerbeinteressen geprägt sein. Der Umweltgedanke (laut Seehofer Megathema) ist auch in der CSU verwurzelt und muss mit Leben erfüllt werden. Wir müssen den Worten Taten folgen lassen und zeigen, dass zukunftsweisende Ideen und der Wille zu Veränderungen in der CSU ihren Platz haben. Aus diesem Grund bekenne ich mich im Fall Lange Straße in der Abwägung für Fußgänger und Radfahrer vor 14 Kurzparkplätzen für mehr Raum, für die Bewohner und die Besucher der Stadt.
Und schließlich: Als Mediziner weiß ich, dass unsere Gesundheit durch den allgemeinen Bewegungsmangel in vielerlei Hinsicht beeinträchtigt wird. Eine Zunahme des Radverkehrs, ein paar Schritte mehr vom Parkhaus zum Flanieren in unserer schönen Stadt haben mit Sicherheit eine förderliche Wirkung auf unsere Gesundheit.
Die noch unter Richard von Weizsäcker erarbeitete – und, ich glaube: 1978, beschlossene – Fassung des Grundsatzprogramms der CDU enthielt nachfolgende Passage: „Wenn Wirtschaftswachstum zu einer unvertretbaren Beeinträchtigung der natürlichen Lebensgrundlagen führt, muss auf dieses Wachstum und die damit verbundene Einkommensmehrung verzichtet werden.“
Ich kann mir vorstellen, Ähnliches steht auch in dem einen oder anderen CSU-Papier. Wer allerdings die konkrete Politik betrachtet (gilt genauso für die SPD; ob die FDP ehrlicher ist und derartiges gar nicht erst niederschreibt, kann ich mangels Kenntnis nicht beurteilen), findet die alte Weisheit vom geduldigen Papier nachdrücklich bestätigt.
Man muss nicht mit jedem Detail, das Herr Dr. Pichler beschreibt, übereinstimmen. Aber seine Ideen stellen einen großen Schritt in die richtige Richtung dar. Respekt vor diesem Mut – und Kopf hoch: Wie einem anderen Artikel in der Bamberger OnlineZeitung zu entnehmen ist, liegt er offensichtlich nicht weit von seinem Landesumwelt- und -gesundheitsminister.
Konservativ heißt übrigens: bewahrend. Was gibt es Wichtigeres zu bewahren als das natürliche Erbe, nämlich eine lebenswerte Welt mit sauberer Luft und intakter Natur – und warum nicht ergänzt durch die kulturellen Werte?
Das C (wie Christlich) im Parteinamen? In Genesis (1. Buch Moses), Kap. 2, Satz 15, ist zu lesen: „Gott nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, auf dass er ihn bebaue und bewahre.“ Die Umwelt ist kein neutrales, uns nicht betreffendes „Um-uns-herum“. Sie ist, korrekt ausgedrückt, Mitwelt: Wir sind Teil dieser Mitwelt (= Schöpfung), existenziell mit ihr verwoben. Sie zu zerstören, rücksichtslos Raubbau zu betreiben, bedroht irgendwann unser eigenes Dasein. Viele, viele einzelne spüren das schon heute, wenn sie auf Grund von Lärm und Schadstoffen oder in Folge unmenschlich geplanter, seelenlos gebauter Städte körperlich und geistig erkranken.
Zwei Gedanken noch: Es gibt nicht wenige Geschäftsleute, die Fußgängerzonen und andere Formen der Verkehrsberuhigung vergeblich bekämpft haben. Später verlegten sie ihre Geschäfte in genau diese beruhigten Bereiche.
Etliche Untersuchungen belegen, daß zu Fuß oder mit dem Rad kommende Kundschaft mindestens den gleichen Umsatz bringt, oft sogar mehr, als Auto fahrende. Sie nehmen zwar je Einkauf weniger mit – und das wird aufmerksam registriert -, kommen aber um so öfter – das merkt dann keiner!