Pimpinella Dotterweich
Was duftet doch der Flieder
So mild, so stark, so voll!
Mir löst er weich die Glieder,
Will, daß ich was sagen soll.
Wenn Hans Sachs in den Meistersingern den ,Flieder’ bedichtet, hat er es in Wirklichkeit auf den Schwarzen Holunder (Sambucus nigra) abgesehen, der auch in diesen Tagen wieder überall im Bamberger Stadtbild zu sehen ist. Der echte Flieder war damals gerade erst aus Konstantinopel nach Mitteleuropa eingeführt worden und galt Hans Sachs und seinen Mitbürgern als „Türkischer Holler“. Der Holunder wurde hingegen noch lange als „gewöhnlicher Flieder“ bezeichnet. Diese Tradition steckt auch noch in unserer Bezeichnung „Fliedertee“.
Die nährstoffliebende Pflanze, die bis zu 11 m hohen Sträuchern oder sogar kleinen, stark verzweigten Bäumen heranwachsen kann, sucht die Nähe der Menschen (Stickstoffanzeiger). Als typischer Strauch am Haus galt der Hollerbusch als Lebensbaum; sein Aushacken oder Verstümmeln brachte nach dem Volksaberglauben Unglück, sein Verdorren kündigte angeblich Krankheit oder Tod eines Familienmitglieds an. Man glaubte auch daran, dass der Holunder gute Geister beherbergte, die das betreffende Haus vor böser Magie, Schlangen und lästigen Stechmücken beschützten.
Ab Mai entwickelt das junge Holz des Schwarzen Holunders (in Mitteleuropa gibt es noch zwei andere Holunder-Arten) große flache Schirmrispen, die aus vielen Einzelblüten bestehen. Deren fruchtiger Duft ist unverwechselbar. Holundersaft und die Holunderbeeren, aber auch Tees aus der Rinde und den Blütenständen werden traditionell als Hausmittel gegen Erkältung, Nieren- und Blasenleiden sowie zur Stärkung von Herz und Kreislauf eingesetzt. Seine Beeren enthalten den violetten Farbstoff Sambucyanin, der früher zum Färben von Haaren und Leder verwendet wurde, heute vornehmlich von der Lebensmittelindustrie genutzt wird. Angeblich reduziert dieser Stoff auch freie Radikale und damit die Wahrscheinlichkeit von Herzerkrankungen und Krebs. Die Beeren der anderen bei uns heimischen Holunderarten (Hirsch- bzw. Traubenholunder, Attich oder Zwerg-Holunder) sind recht giftig. Schwach giftig sind übrigens auch die Beeren des Schwarzen Holunders, weshalb anzuraten ist, sie vor dem Verzehr zu erhitzen.
Mit dem Hollerbusch verknüpfen sich bekannte Kinderreime und Ringeltänze. Einen solchen Tanz mit Spiel und Gesang nannten die Deutschen früher einen Leich (vom Gotischen laikan = spielen, hüpfen). Diese alten Tanzspiellieder unserer Vorfahren waren kurz und einfach. Sie ähnelten damit den heutigen Kinderreigen, die auch ihre legitimen Nachfolger sind. Viele Ringeltänze unserer Kinder haben mythische Hintergründe oder beziehen sich auf Märchen (z.B. auf das der Frau Holle).