Wagner, der „trumpistische“ Selbstinszenator

Richard Wagner Verband

Cosima und Richard Wagner, 1874 von Franz von Lenbach auf die Rückseite eines Patronatsscheins gezeichnet. Vorlage ©: Ulrich Drüner „Richard Wagner. Die Inszenierung eines Lebens.“

Ulrich Drüner stellt am 21. Februar im Hotel Bamberger Hof seine neue Wagner-Biografie vor.

Postfaktische Techniken schreibt man automatisch dem amerikanischen Präsidenten zu. Aber Richard Wagner? Der Stuttgarter Antiquar, Bratscher und Musikwissenschaftler Ulrich Drüner hat genau das getan, allerdings nicht mit diesem Ausdruck, denn der kam erst so richtig auf, als seine neue und tatsächlich auch mit Neuem aufwartende Biografie „Richard Wagner. Die Inszenierung eines Lebens“ (Blessing Verlag, 832 S., mit 123 Abbildungen, 34,99 €) schon auf dem Markt war. Aber immerhin ein Journalist schrieb daraufhin, dass Wagner unter anderem „ein Virtuose in der Handhabung postfaktischer Techniken“ und somit gewissermaßen „trumpistisch“ gewesen sei.

Es ist nichts Neues, dass der Faktencheck nicht nur im Notfall ergibt, dass Richard Wagner immer wieder und auch bis zur Selbstverleugnung gelogen und Tatsachen so umgebogen hat, wie es ihm aktuell und vor allem nachträglich in den Kram passte. Beziehungsweise in seine Selbstinszenierung, die darauf abzielte, auch aus dem eigenen Leben einen Mythos zu formen. Was man mit offenen Augen in seinen Schriften nachlesen kann, zum Beispiel in seiner Autobiografie „Mein Leben“, die er von 1865 bis 1880 seiner zweiten Frau Cosima diktierte. Und nicht nur dort.

Ulrich Drüner deckt unter anderem auf, dass die „Hungerjahre“ in Paris so harmvoll gar nicht gewesen sein können, weil Wagner 1842 allein an den Opernbearbeitungen für Maurice Schlesinger das Jahresgehalt eines Musikers verdiente. Der Autor zielt mit seinen deutlichen Klarstellungen,  auch was den von manchen Biografen immer noch gern verharmlosten Antisemitismus betrifft, aber nicht darauf ab, Wagner zu demontieren. Sondern er versucht, dessen ideologisch stets nach der einen oder anderen Seite verzerrtes Bild zurecht zu rücken.

Ob und wie ihm das gelingt, dürfen hiesige Musik- und Kulturfreunde am 21. Februar um 19.30 Uhr in einer Veranstaltung des Richard-Wagner-Verbands Bamberg im Hotel Bamberger Hof erfahren. Ulrich Drüner wird über seine Wagner-Biografie, seinen Zugang zu und seine Auseinandersetzung mit Wagner berichten. Als Mensch sieht er ihn in einigen Facetten, die bisher so noch nicht wahrgenommen worden sind. Und als Musiker sieht der Musiker Drüner ihn so, dass niemand Wagner politisch zu verurteilen, zu beschönigen oder zu verteidigen brauche, denn „die Werte schöpfende Wirkung seiner Kunst kann ihm niemand nehmen.“

Weil ihm als Musikantiquar nicht nur faktisch erstaunliche Funde gelingen, zeigt Ulrich Drüner in seinem Buch und in Bamberg unter anderem eine bisher unbekannte treffliche Karikatur des hohen Wagner-Paares, die der Wagner- und Cosima-Porträtist Franz von Lenbach auf die Rückseite eines nicht ausgefüllten Bayreuther Patronatsscheines bannte, dessen Großbuchstabentexte bei dem sehr dünnen Papier etwas durchscheinen. Dass Drüner im Buch noch mutmaßt, Lenbach habe bei den Wagners nur gerne kassiert und nichts gegeben, hat er inzwischen revidiert: Wie er von Wagnerforscher Egon Voss erfuhr, ist Lenbach „zu einem späteren Zeitpunkt doch noch Subskribent der Firma Bayreuth geworden. Das als Ergänzung der Bildlegende S. 637; bei Abfassung derselben wusste ich das noch nicht“, schreibt er nach Bamberg. Wie war das doch gleich mit postfaktisch?