Redaktion
Diese Frage stellt sich zwangsläufig, liest man das ausführliche Interview des Herausgebers der ART 5/III Wolfgang Mertesheimer mit Wolfgang Heyder (SPD, Mitglied im Kreistag, geschasster Geschäftsführer der brose baskets und derzeit Manager der Coburger Handballer, Inhaber des Kulturbodens in Hallstadt). Immerhin hätten die Veranstalter, Heyder, Stieringer und Genniges (Hübscher-Buchhandlung), demnach insgesamt 80.000 € bei diversen Institutionen beantragt. Tatsächlich sind es über 110.000 €, siehe unten. Neben der Buchhandlung sind dies zwei Eventveranstalter: Wolfgang Heyder mit seinem Veranstaltungsservice Bamberg GmbH und Klaus Stieringer mit dem Stadtmarketing Bamberg. Seit August 2015 wurde im Handelsregister die Firma „Bamberger Literaturfestival“ im Handelsregister eingetragen mit der Leiterin der Buchhandlung Hübscher Asli Heinzel als Geschäftsführerin unter der Adresse Königstraße 1 in Bamberg, wo auch das Bamberger Stadtmarketing firmiert.
Ein gefundenes Fressen für Macher
Das Literaturfestival, das im Januar und Februar 2016 stattfinden soll, hängt sich an den vom Bamberger Kulturamt herausgegebenen Slogan „Bamberg – Stadt des Buches“ und an Bamberger Besonderheiten: die „Herbstlese“ und „Bamberg liest“, beides ausgesprochen feine und mit hohem inhaltlichen Anspruch versehene Reihen für interessiertes Publikum und ambitionierte Literaten. Mit sehr gutem Ruf und der Garantie für hochkarätige und lange in Erinnerung bleibende Stunden, auch die Poetikprofessur an der Universität Bamberg trägt seit Jahren hierzu bei. „Bamberg liest“ ist auch heuer wieder ein anspruchsvolles Format mit renommierten Autoren, wie Bachmann-Preisträger 2014 Tex Rubinowitz zum Auftakt im E.T.A.-Hoffmann-Theater (siehe hier). Mit der Förderung durch das städtische Kulturamt über 10.000 € ist es das offizielle Literaturfest Bambergs. Diese exquisite Standortbestimmung getragen durch jahrelanges, ehrenamtliches Engagement ist ein gefundenes Fressen für Macher. So nennt sich Heyder übrigens selbst und gibt zu, eigentlich nicht wirklich Zugang zu Literatur zu haben, nicht ohne zu versäumen, einige Semester Germanistik studiert zu haben. Gespräche im Vorfeld soll es gegeben haben, im Interview spricht Anna Scherbaum, Leitung VHS Bamberg, davon, „dass sich Stieringer sehr unangenehm verhalten habe“ (hier).
„Feindlichen Übernahmen“ gibt es allenthalben, gerade in Bamberg.
Die Eventisierung und Banalisierung: Blicken wir in Bamberg zurück
Kabarettist und Meister der Jonglage, Mäc Härder, darf als ein Geburtshelfer von „Bamberg zaubert“ bezeichnet werden (lies Interview Mäc (ver)zaubert). Gemeinsam mit seinem Zauberkollegen Rainer Wimmer und dem damaligen Citymanager Stefan Pruschwitz stellten sie ab 1999 ein Künstlerfest auf die Beine, das sich nach wenigen Jahren zu einem Eldorado der Straßenkunst entwickelte – und das es so heute nicht mehr ist. Mäc, der viel Herzblut in das Künstlerfestival „Bamberg zaubert“ – das ja irgendwie auch sein Kind ist – steckte, konstatiert das Fehlen eines erkennbaren künstlerischen Konzepts. Der Weg führte von einer überschaubaren, inhaltlich brillanten Veranstaltung zu einem Massenevent. Härders Fazit seinerzeit: „Klaus Stieringer: Kulturmanager des Jahres – eine Farce für alle Kulturschaffenden. Für mich, wie wenn der Metzger sich zum Chirurgen aufspielt“.
Jazzfreunde sollen gutbetucht und ein dementsprechend attraktives Publikum sein, Grund genug fürs Stadtmarketing, ein Jazz- und Bluesfestival aus der Taufe zu heben. Den örtlichen hochkarätigen Jazzclub in die Überlegungen und die Organisation miteinbeziehen? Nein, stattdessen wird als großer Sponsor Tucher Bräu installiert, die zur Radeberger Gruppe im Oetker-Konzern gehört. Keine heimische Institution, weder musikalisch noch kulinarisch. Lediglich der gute Bamberger Ruf wird benutzt, um den Verdrängungswettbewerb weiter anzufachen. Ist das die Aufgabe eines Stadtmarketings?
Und nun verläuft nach vergleichbarem Muster die Installation eines Literaturfestivals. Missbrauch örtlicher kultureller Strukturen zur persönlichen Überhöhung. Der Titel eines „Kulturmanagers des Jahres“ gehört Klaus Stieringer entzogen.
Schaden nimmt das bestehende bürgerschaftliche Engagement Bambergs
Vergangene Woche stimmte der Kreisausschuss gegen die zwei Stimmen der Grünen für die Durchführung eines „Internationalen Literaturfestivals“ durchgeführt von der Firma „Bamberger Literaturfestival“ – ein Widerspruch in sich, der nicht weiter auffiel. Auch nicht, dass die Förderkriterien nicht eingehalten werden.
Der uns vorliegende Sitzungsvortrag ist kurz, sehr kurz. Man muss ihn für ein solch weitreichendes Projekt als dürftig bis mangelhaft bezeichnen. Als Entscheidungsgrundlage nicht geeignet. Und offensichtlich nicht von einem neutralen Verwaltungsbeamten erstellt, liest sich vielmehr wie eine Werbekampagne des Stadtmarketings. Der größte Förderer des „(Bamberger oder) Internationalen Literaturfestivals“ ist LEADER mit über 45.000 € des anvisierten Förderpakets über 110.000 €. LEADER hat die Fördergelder bereits im Juli 2015 bewilligt, also noch vor Gründung der Firma „Bamberger Literaturfestival“ – das bestätigt den Filzcharakter des Unternehmens. Eigentlich sollen bestehende regionale Partner im europäischen LEADER-Programm vernetzt und unterstützt werden. LEADERs lokale Aktionsgruppe ist „Region Bamberg e.V.„, ein Verein mit Landrat Kalb (CSU) als Sprecher und einem Vorstand ohne Bamberger Beteiligung (S. 20 hier).
Die „Gefahr einer reinen Eventkultur ohne Stärkung der kulturellen Basisarbeit“ (S. 39 hier) war von Beginn an bei LEADER erkannt, wird aber nun mit einer intransparenten Kumpelei und dem künstlich losgetretenen und aus Steuergelder finanzierten Verdrängungswettbewerb eingeleitet. Denn eigentlich ist die „Bewahrung von kulturellen Besonderheiten eines der Ziele innerhalb der LES“ (lokale Entwicklungsstrategie). Der gemeinsame Kulturkalender von Stadt und Landkreis ist ein Zeichen, dass es gemeinsam geht. Als Handlungsziel ist die Förderung von Kunst- und Kulturprojekten bis 2018 terminiert, bis dahin dürfte man den bestehenden Initiativen den Garaus gemacht haben. Eine intensive Auseinandersetzung unternimmt Andreas Lösche (Grüne) auf seiner Homepage vor – absolut lesenswert!
Interessenskonflikte sollten vermieden werden
Das Literaturfestival ist bislang nicht unter den LEADER-Projekten gelistet, wo strenge Auswahlkriterien die Aufnahme regeln, ein ebenso strenges Monitoring und eine Evaluation begleiten diese. Ab S. 63 hier sind die Förderkriterien dezidiert gelistet und durch Punktevergabe geregelt: Die Projektauswahl erfolgt auf Basis von klar definierten und publizierten Kriterien, um eine transparente und nachvollziehbare Entscheidung für alle Beteiligten zu gewährleisten. Voraussetzung für eine Aufnahme in die LEADER-Förderung ist die Erfüllung eines Handlungszieles der Lokalen Entwicklungsstrategie. Neben der Prüfung anhand der „Checkliste für die Projektauswahl“ durch das Entscheidungsgremium wird außerdem durch den zuständigen LEADER-Manager geklärt, ob das Projekt grundsätzlich in LEADER förderfähig ist. Die Bewertung der einzelnen Projekte anhand der „Checkliste Projektauswahlkriterien“ erfolgt durch das LAG-Entscheidungsgremium. Ob dem Kreisausschuss eine solche Checkliste vorlag, war aus dem Landratsamt nicht zu erfahren.
Pflichtauswahlkriterien sollen eingehalten werden, hierzu gehören Innovativer Ansatz des Projektes, ein Beitrag zum Umweltschutz soll geleistet werden als auch ein Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels/Anpassung an seine Auswirkungen, ein Bezug zum Thema Demographie. Keiner der angeführten Punkte wird vom Literaturfestival erfüllt. Und nur wenn ein Projekt zur Umsetzung mindestens eines Handlungszieles aus einem Entwicklungsziel der Lokalen Entwicklungsstrategie beiträgt, kann es in die Projektauswahl aufgenommen werden. Die Bewertung richtet sich nach der Intensität des Beitrags, den ein Projekt zur Zielerreichung hat. Bei der Bewertung der Bedeutung eines Projekts für die Region Bamberg ist es entscheidend, welchen Umfang die Wirkung des Projektes einnehmen wird. Je nach lokaler Ausrichtung, regionaler Auswirkung (Teile des LAG-Gebiet) oder überregionaler Bedeutung (ganzes LAG-Gebiet oder Kooperation über das LAG-Gebiet hinaus) wird die Punktevergabe vorgenommen. … Darüber hinaus muss ein Konzept zur nachhaltigen finanziellen Tragbarkeit des Projekts vorliegen.
Die Beteiligung der Bürger und der weiteren in der Region aktiven Initiativen war ein wichtiges Element zur Erstellung der Lokalen Entwicklungsstrategie. Auch in der Umsetzung der Projekte zur Erreichung der festgelegten Entwicklungsziele soll die Bürgerbeteiligung fortwährend garantiert bleiben. Die Punktevergabe richtet sich daher nach Intensität der Bürgerbeteiligung bei Planung und/oder Umsetzung und/oder Betrieb.