Andreas Reuß
Spekulationen um Turiner Grabtuch in Franken
Stoffe und Tücher mögen vergänglicher sein als steinerne Behausungen. In manchen Fällen können Bekleidungen Körper und Geist des Menschen jedoch länger begleiten als Gebäude, ja sogar über den Tod hinaus. Totenhemden wären da zu nennen oder Gewänder von Heiligen, die man als Reliquien möglichst für alle Zeiten aufbewahren möchte.
Die berühmten Mäntel des heiligen Kaiserpaars Heinrich und Kunigunde etwa werden von den meisten Besuchern der Weltkulturerbe-Stadt Bamberg im Diözesanmuseum aufgesucht. Weniger bekannt ist die Sage, in der ein Schleier im Mittelpunkt steht: Die heilige Kunigunde habe ihn einst von den Türmen Bambergs fliegen lassen und gelobt, sie werde den Ort mit Steinen dokumentieren – also eine Kirche bauen -, wo er sich niederlasse.
Er verfing sich in der heute 1000jährigen Linde, an einer verfallenden Steinmauer, bei Aub im Landkreis Würzburg, direkt neben einer romanischen Kunigundenkapelle. Aber die Sage lebt weiter; denn nach neueren Spekulationen soll das wohl bedeutendste Stück Stoff, nämlich das Grabtuch von Turin, in der Auber Kunigundenkapelle zeitweise aufbewahrt worden sein. Nach der Überzeugung vieler Gläubiger ist es das Grabtuch, in dem Jesus selber lag, und es gibt tatsächlich den Körper eines eingewickelten Gekreuzigten überraschend realistisch wieder.
Aber damit nicht genug; denn erst jüngst, an Pfingsten 2015, pilgerte eine „Kunstprozession“ auf dem Kunigundenweg von Aub nach Bamberg, um zum Jubiläum „1000 Jahre Kloster Michelsberg“ einen Beitrag zu leisten. Dabei führte der Auber Frauenchor einen symbolischen Schleier mit, und in der Bamberger Jakobskirche wurde schließlich das Chor- und Orchesterwerk „Schleierflug“ aufgeführt.
Im südlichen Querhaus der Jakobskirche erhebt sich – passenderweise – eine große Skulptur der heiligen Kunigunde aus dem 18. Jahrhundert, umhüllt von raffiniert in Stein gestalteten, wie vom Wind bewegten Gewändern.