Hol über! Die Fähre, ein Fährmann und die griechische Sage

 Redaktion
Fähre bei der Schleuse. Foto: Erich Weiß

Fährmann in Bamberg. Foto: Erich Weiß

Unsere Lebensader Regnitz als Wasser des Grauens? Als Styx, jener Fluss, der die Grenze zwischen der Welt der Lebenden vom Totenreich Hades trennt? Unvorstellbar?

Der griechischen Sage nach müsste jener ältere, durchaus Vertrauen erweckende Herr am Ruder den Dienst Charons nachgehen, jener Fährmann, der die Toten über den Fluss schifft und als Bezahlung einen Obulus erhält. Eben jene Münze, die man dem Toten unter die Zunge gelegt und somit in den Tod mitgegeben hat. Noch sind wir nicht so weit. Können derweil Dantes Göttliche Komödie und/oder Thomas Mann Tod in Venedig lesen. Hier nämlich spielt jeweils Styx eine maßgebliche Rolle.

Kaffee an der Schleuse. Foto: Erich Weiß

Elisabeth Barth versorgt den Fährmann. Foto: Erich Weiß

Verstorbene, denen die Münze als Obulus nicht mitgegeben wurde, mussten die Ewigkeit am Ufer des Flusses verbringen, was das Begräbnis und die ordentliche Totenweihe außerordentlich wichtig machte. In Bamberg darf man derweil einen fairgehandelten und superleckeren Kaffee vom mobilen Kaffeerad genießen. Manchmal bringen Elisabeth und ihre Kollegin auch Selbstgebackenes mit.

Ob der in der Lüneburger Heide geborene Reiseschriftsteller August Freudenthal (1851–1898) sich je in Bamberg aufhielt, ist nicht überliefert. Dass er nach seiner Lehrer-Tätigkeit seiner Leidenschaft als Journalist, Herausgeber und Zeitschriftengründer, später Redakteur verschiedener Bremer Zeitungen frönte, knüpft ein zartes Band.

Der Fährmann

von August Freudenthal

Früh Morgens, eh‘ die Sonn‘ aufgeht,
Der Fährmann schon am Ufer steht;
Den ganzen Tag mit heit’rem Muth
Lenkt er den Nachen durch die Fluth,
Hinüber und herüber!

Ob reich, ob arm der Wandersmann,
Ob Herr, ob Knecht, was liegt daran?
Der eine, wie der andre Gast
Zahlt gleichen Lohn für gleiche Last,
Hinüber und herüber!

Und kommt ein armer Bursch daher,
Das Auge trüb, die Tasche leer,
So ist schon ein „Lohn’s Gott“ genug,
Daß ihn des Fährmanns Nachen trug
Hinüber und herüber!

So geht der Fährmann Tag für Tag
Mit Lust und Lieb‘ der Arbeit nach,
Bis Strom und Tand in Nacht versinkt
Und Stern an Stern  vom Himmel blinkt
Herüber, ja herüber!

Erst wenn der Tod den Fährmann ruft
Hinunter in die stille Gruft,
Legt er das Ruder aus der Hand
Und fährt getrost zum schön’ren Strand
Hinüber, ja hinüber!