Tubatabu aufgehoben – Das Melton Tuba Quartett und die Bamberger Symphoniker begeistern mit einer bayerischen Erstaufführung auf der Landesgartenschau

Von Musicouskuß

Melton Tuba Quartett

Für gemeinhin ist die Spezies Tubist (oder Tubistin, beispielsweise Carol Jantsch, die mit einundzwanzig Jahren von dem auch in Bamberg oft gastierenden Christoph Eschenbach ins Philadelphia Orchestra geholt wurde) hinten rechts zu finden im Kreise der Kollegen vom tiefen Blech, Takte zählend, lange Pausen, den Mitspielern lauschend oder den Sportteil lesend, eher noch im „Feinschmecker“ blätternd. Beim Freiluftkonzert der Bamberger Symphoniker auf der Landesgartenschau war, für das eine Mal, das in der symphonischen Musik so verbreitete Tubatabu aufgehoben.

 

Konzertpublikum. Foto: Christiane Hartleitner

Gleich vier vorzügliche Tubisten hatten in der vorderen Mitte der Bayernhafen-Bühne Platz genommen, denn es galt, sich der bayerischen Erstaufführung des „Grand Concerto 4 Tubas“ aus der überaus tubakundigen Feder von John Stevens anzunehmen. Eine einmalige Sache, denn es ist das weltweit einzige Konzert für Tuba-Quartett und Orchester überhaupt. John Stevens, selbst ein begnadeter Tubist und Professor für Tuba und Euphonium an der Universität von Wisconsin in Madison, hat es in den Jahren 2009 und 2010 dem Melton Tuba Quartett auf den Leib geschrieben. Uraufgeführt wurde das viersätzige Auftragswerk der Duisburger Philharmoniker, der Dresdner Philharmonie und der Bamberger Symphoniker im November vergangenen Jahres unter Carl St. Clair in Duisburg.

Jetzt stand Markus Poschner am Pult der Bayerischen Staatsphilharmonie. Der Generalmusikdirektor der Hansestadt Bremen hat es sich zur Aufgabe gemacht, musikalische Spannungsfelder zu erzeugen und neue Horizonte aufzustoßen, also genau das, was John Stevens und das Melton Tuba Quartett mit dem „Grand Concerto 4 Tubas“ tun. Auch die Vergangenheit als Jazzpianist prädestinierte Poschner für diesen Programmhöhepunkt, denn Stevens bewegt sich „firmly within the American grain, or idiom“, lässt also an George Gershwin, an Aaron Copland und Leonard Bernstein denken.

Wuchtig und mit harten Paukenschlägen setzt die Intrada ein. Jeder der vier Meltons darf seine Trümpfe in Solopassagen ausspielen, doch steht insgesamt der Ensembleklang im Vordergrund. Bei aller Tieftonpower bleibt das Klangbild doch erfrischend rund und butterweich (gute Butter, also gesalzene, aus der Bretagne). Quicklebendig und munteren Leichtfußes kommt das Scherzo daher. Bisweilen glaubt man fast, einem Posaunenquartett zuzuhören, so dicht und nahezu glissandohaft gelingen die Legati. Wie zart und hochromantisch man auf einer Tuba zu singen vermag, ist dann in der Ballade zu erleben. Slow laid-back music at its (American) best ist das. Lenny – auch schon wieder über zwei Jahrzehnte tot – lässt grüßen, den Ballantine‘s in der Rechten, die Zigarette im Mundwinkel inklusive.

Das Tango-Tarantella-Finale präsentiert zunächst die unbegleiteten Solisten. In extremste Tiefen geht es mit der Kontrabasstuba. Tritt das Orchester schließlich hinzu, beginnt die wild-virtuose Tarantella. Ein mitreißender, beinahe schwindelig machender Schluss, unmittelbar gefolgt von einem Beifallssturm. Auch für John Stevens, der die weite Anreise aus dem Mittleren Westen nicht gescheut hatte. Sowieso hatte ihm ja Triebener, wie der Sechzigjährige hernach im Gespräch erzählt, immer von Bamberg vorgeschwärmt. Dieser Begeisterung für die Domstadt und ihre – nicht nur kulinarischen – Reize konnte sich Stevens nur anschließen.

Mit zwei Zugaben ganz unterschiedlichen Charakters bedankte sich das Melton Tuba Quartett – der Duisburger Philharmoniker Ulrich Haas, Jörg Wachsmuth von der Dresdner Philharmonie, Lokalheld Heiko Triebener und Hartmut Müller, Tubist im Sinfonieorchester Wuppertal und charmanter Conférencier bei Konzerten des Quartetts. Im Allegro aus Gioachino Rossinis Ouvertüre zu „Wilhelm Tell“ schlugen die Vier das Publikum mit atemberaubender Virtuosität in den Bann, während „What a wonderful world“ die Phrasierungskunst und das kantable Spiel der Tubisten ausstellte. Ja, die Welt an diesem Spätjuniabend auf der Landesgartenschau 2012 in Bamberg, sie war eine wundervolle. Nicht nur für Anhänger der deutschen Fußballnationalmannschaft.

Wer das Spektakulum auf der Gartenschau verpasste, kann dies am Wochenende zweimal wiedergutmachen. Am heutigen Samstag kommt das „Grand Concerto“, wiederum flankiert von Haydn und Beethoven, um 19.30 Uhr in der Stadthalle Fürth zu Gehör, tags drauf wird das Programm im Theater der Stadt Schweinfurt wiederholt, abermals von 19.30 Uhr an. Und wer auch diese Konzertabende nicht besuchen kann, dem bleibt immer noch die Möglichkeit, dem „Grand Concerto 4 Tubas“ auf der gleichnamigen CD (bei acousence records) zu begegnen, die neben Werken für Tuba auch zwei Orchesterstücke von Stevens enthält.

Erinnert sei noch an ein Solorezital von Triebener & Co.: Am 1. Juli ist das Melton Tuba Quartett von 16 Uhr an in Würzburg mit einem Picknick-Konzert im Rosenbachpark zu Gast. Auf dem MozartFest sollen auch Vorläufer und obskure Spielarten der Tuba vorgestellt werden, etwa der Serpent und die Orphikleïde.

Seinen Anfang genommen hatte dieser sehr besondere Sommerabend mit Joseph Haydns G-Dur-Symphonie Nr. 92, die den Beinamen „Oxford“ trägt. Deren melancholisch eingefärbte Adagio-Einleitung mündet in ein Allegro spiritoso, dessen lebensfroh-lichter Schwung Poschner fein herausarbeitete. Dieselbe Vitalität eignete auch dem Presto-Finale. Sehr schön, und sehr sauber, die munteren Holzbläser.

Beethovens Siebte in A-Dur ist das von den Bamberger Symphonikern am häufigsten aufgeführte Werk in ihrem Repertoire. Dass sich Poschner gerade auf Beethoven versteht, hat sich herumgesprochen. Mit überschäumendem Brio stürzte er sich in das Opus 92. Bisweilen ruderte und kraulte Poschner sogar mit den Armen. Ja, diese Siebte hatte etwas in positivem Sinne Sportliches. Mal lockendes, mal frohlockendes Holz, flinke Streicher, triumphierende Hörner. Ein Musik gewordenes Antidepressivum war das, zu goutieren in der wunderbaren Landschaft des Gartenschaugeländes. Jubel auf der Faltenwiese um die Bayernhafen-Bühne herum, Jubel in Danzig, Jubel in Bambergs Straßen auf dem Nachhauseweg. Den man beschwingt antrat, nach der keinesfalls minder beschwingten „Figaro“-Zugabe. Mehr Mozart wird es vom 6. Juli an geben, denn der Salzburger Meister steht im Mittelpunkt der zweiten Biennale Bamberg der Bayerischen Staatsphilharmonie.