Vision „Autofreies Welterbe“

Verkehrsclub Deutschland, Kreisverband Bamberg
Autoabgase. Foto: Erich Weiß

Während der Europäischen Woche der Mobilität hat der VCD beim Mobilitätstag der Stadt Bamberg am 21. September 2019 auf dem Maxplatz die Vision eines autofreien Welterbes in Bamberg vorgestellt und sowohl mit Bamberger*innen als auch mit Tourist*innen ausführlich im Rahmen eines Mitmachcafes diskutiert.

Das positive Echo überraschte. Viele sehen die Möglichkeiten, die eine neue Aufteilung des öffentlichen Raums bietet. Die stark reduzierte Zahl an Fahrzeugen erlaubt, die Flächen wieder stärker für Begegnung, Aufenthalt, Spielen – kurz: Leben und Wohnen zu nutzen. Dies gilt für Familien, Kinder, Senior*innen etc. aus Bamberg und gleichermaßen für Tourist*innen, die alle darauf hoffen, sich angstfrei und sicher zu Fuß und mit dem Rad in der Innenstadt bewegen zu können.

Viele sehen aber auch die Herausforderungen, die ein autofreies Welterbe an Stadtplaner und -gesellschaft stellt. Thematisiert wurde die Sorge um den Parkplatz für das eigene Auto, die Zugänglichkeit für Handwerksbetriebe, die Nahversorgung sowie Krankentransporte und die Erreichbarkeit für die Feuerwehr.

Zusammengefasst wird ein autofreies Welterbe in Bamberg sehr positiv gesehen. Inzwischen gibt es viele Vorreiter-Städte, die entweder schon autofreie Innenstadtbereiche haben oder derzeit entsprechende Planungen umsetzen: Pontevedra/Spanien, Houten/Niederlande, Oslo/Norwegen, Kopenhagen/Dänemark, Hamburg, Brüssel/Belgien etc. Dort könnten sich Stadtrat und Verwaltung nach Lösungen für die Herausforderungen umsehen, die natürlich auch in Bamberg zu bewältigen wären, z. B.:

  • Der öffentliche Verkehr muss gestärkt werden. Dies gilt sowohl für den Verkehr im Welterbe als auch für die Anbindung von Stadt und Landkreis.
  • Innerhalb des Welterbes müssen die Wege für den Fußverkehr verbessert werden, insbesondere für Personen mit eingeschränkter Mobilität müssen sie barrierefrei werden.
  • Als ideales Verkehrsmittel für mittlere Distanzen muss das Fahrrad (einschließlich Lastenrädern) einen großen Anteil der Mobilität leisten, entsprechend benötigt es Infrastruktur für den rollenden und den ruhenden Radverkehr.
  • Für die Versorgung der Läden und Anwohner sowie den Transport der Einkäufe braucht es neue Konzepte.
  • Schaffung von Mobilitätspunkten am Rand eines autofreien Welterbes für die Anwohner.

Der VCD unterstützt Maßnahmen, mit deren Hilfe die Lebensqualität in den öffentlichen Raum zurückkehrt und die Städte damit lebenswerter machen. Davon könnte auch die wachsende Zahl der Senior*innen profitieren, wenn sich in lebendigen Quartieren wieder funktionierende Nachbarschaften entwickeln. Die Vision eines autofreien Welterbes Bamberg kann den Weg weisen. Die Vorreiter-Städte belegen dies ganz eindrücklich. Neben erwartungsgemäß weniger Luftschadstoffen berichten Handel und Banken von deutlich erhöhten Umsätzen in den betreffenden Gebieten. Außerdem wird der Raum sehr schnell von Menschen belebt. Letztlich wird damit auch die empfindliche Substanz des Welterbes geschützt. Ein autofreies Welterbe ist nicht über Nacht zu erreichen, aber wir sind überzeugt, dass mit guter Bürgerbeteiligung Lösungen für die Herausforderungen gefunden werden können.

„Die Verkehrswende beginnt im Kopf“. Auch diese nicht neue Erkenntnis wird von einem Gesprächsteilnehmer zu Protokoll gegeben. In den Köpfen vieler Bamberger*innen und Tourist*innen ist die Verkehrswende bereits angelegt. Wie lange dauert es noch, bis die Verkehrswende auch in den Köpfen des Stadtrats stattfindet? Die Entscheidung über den Bürgerantrag in der Sitzung des Umweltsenats am 26. November 2019 wird es zeigen.

8 Gedanken zu „Vision „Autofreies Welterbe“

  1. „autofrei“ wird – zumindest auf sehr lange Zeit – immer Utopie, also bei Nutzung des Etiketts Schwindel sein. Denn es wird stets nachvollziehbare Gründe geben, ein Auto nutzen zu müssen (auch CarSharing ändert das nicht – mit was fährt man denn da?). Ob es das schwere oder sperrige Transportgut ist, die schlechte öffentliche Verkehrsverbindung, ein körperliches Handicap oder was auch sonst – die Totalsperrung großer Bereiche trifft immer irgendwen hart, der keine (zumutbare) Alternative hat.

    Überdies könnten „Inseln der Glückseligkeit“ wie autofreie Innenstädte selbst bei Realisierung zwar punktuelle Erleichterung schaffen, nicht aber die großen Probleme des Autoverkehrs (Rohstoffvergeudung, Flächenfraß, Unfallgefahr …) lösen. Die für das Engagement benötigte und aufgebrauchte Energie (Zeit, Motivation, …) fehlt für die richtigen Ansatzpunkte.

    Davon unbenommen ist, daß der motorisierte Individual- wie auch der Straßengüterverkehr deutlich reduziert bzw. auf andere, verträglichere Verkehrsmittel verlagert werden muß. Das geht nur, wenn

    – die Notwendigkeit zur Autonutzung verringert wird (Siedlungs- und Raumpolitik, attraktive Alternativen) und

    – das Auto nicht mehr als Statussymbol gilt (heute wird doch schon vom Kindergarten an vermittelt, daß nur, wer hinter dem Steuer sitzt, ein vollwertiger Mensch ist).

    Ist das Auto endlich (auch im Kopf der Menschen) auf die Rolle reduziert, die es sinnvollerweise einnehmen sollte (Ergänzung da, wo notwendige Mobilität anders nicht herzustellen ist), gäbe es nur noch verhältnismäßig geringe Probleme seinetwegen. Daß es unter Sicherheits- und Umweltaspekten technisch optimiert sein muß, versteht sich dabei von selbst.

  2. Ohne Auto geht es oftmals nicht. Habe gestern einen Sack Zement und einige Dachlatten im Baumarkt geholt. In den Stadtbus hätte man mich damit nicht rein gelassen. Mein Nachbar arbeitet fast ausschließlich Nachtschicht im Landkreis. Zu dieser Zeit fährt kein Bus mehr, er braucht einfach sein Auto.

    • So ist es. Diejenigen die eine andere Arbeitsschicht haben, wären aufgeschmissen. Und wenn man dann sehr spät nach Hause kommt ist alles sehr duster. Die Gemeinde muss ja wegen Energiesparen und Lichtverschmutzung auch noch die letzte Funzel abschalten. Die Unterstützer von Klima-Gretchen haben dabei ihre Freude.

    • Carsharing? Für den gelegentlichen Nutzer gibt es vom Kleinwagen bis zum Bus alles. Und wenn sich mangels Nutzung das nicht rechnet, dann kann man bereits für sehr kleines Geld ein Auto mieten oder man kann gar liefern lassen. Ist doch wirklich cool, je nach Bedarf mal einen Transporter, mal ein Sportcabrio, einen SUV-Schützenpanzer oder mal eine kleine, sparsame Karre zu fahren, ohne einen Fuhrpark haben zu müssen.
      Als Anwohner darf man in gesperrte Zonen nach Muster der zona a traffico limitato ohnehin rein.

      • Ja, wir haben Carsharing in der Familie. Haben einen gebrauchten Kombi trotz seiner Neuwertigkeit auffallend preisgünstig erworben (ein ehemaliges Mietfahrzeug !) und den kann jeder in der Familie nutzen: Ehefrau, Ehemann, Sohn, Tochter, Schwiegersohn, Schwager, usw..
        Fahrzeug wird eigentlich nur dann genutzt, wenn sperrige, schwere oder große Gegenstände transportiert werden sollen. Ansonsten nahezu alles zu Fuß oder Stadtbus. Hat sich wirklich bewährt.

        • Ja, halt bedarfsorientiert, genau das ist intelligent.

          Wenn ich in arabischen und nordafrikanischen Ländern das Sammeltaxiwesen sehe, bin ich auch a weng neidisch. Für wenig Geld kommt man, zwar ein paar mal umgestiegen, bis ins letzte Kaff. Nahezu jederzeit, reibungslos und flexibel.

          • In afrikanschen Ländern habe ich nach Dienst die einheimischen Mitarbeiter in ihre Slums, Townships gebracht, zuweilen 8 Personen in einen VW Käfer, denn nachts sind keine Sammeltaxis vorhanden. War eine gefährliche Sache, denn als Bleichgesicht durfte ich da nicht rein und hätte dann mit den sehr strengen Gesetzeshütern bestimmte Schwierigkeiten. Die andere bestand, ob ich da lebend wieder herauskomme. Reibungslos mit Stress, aber Glück gehabt!

  3. Schwierige Aufgabe für eine Verkehrswende. Die wichtigsten Einnahmequellen für den Staat sind eben mal alle die, die sich mit den Autos erzielen lassen. Noch schwieriger wäre die Idee einer U-Bahn.

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