Stadt behält Grenzwertüberschreitungen bei Luftschadstoffen lieber für sich

GRÜNES BAMBERG

Übergeordnete Stellen nicht informiert – Grüne fordern Luftreinhalteplan – DUH bestätigt kommunalen Handlungsbedarf

„Im Rathaus legt man die Hände in den Schoß und steckt den Kopf in den Sand.“ So drastisch kommentieren Ursula Sowa und Jonas Glüsenkamp von GRÜNES BAMBERG die Untätigkeit der Stadtspitze in Bezug auf die Luftschadstoffbelastung.

Zur Vorgeschichte: Im Mai waren die Ergebnisse der Stickstoffdioxidmessungen vorgestellt worden, welche die Stadt in Eigenregie an sechs verkehrsbelasteten Stellen im Stadtgebiet vornahm. In der Unteren Königstraße ergaben sich Jahresmittelwerte, die den gesetzlichen Grenzwert von 40 Mikrogramm überschreiten. Ein Handeln erachtete man im Rathaus gleichwohl nicht für nötig, weil hierfür ausschließlich die Messwerte der bayerischen LÜB-Stelle – gelegen an der Frischluftschneise Löwenbrücke – maßgeblich seien. Außerdem würde man bei einem Durchschnitt der Messergebnisse an allen sechs Straßen ja doch unterhalb des Durchschnitts liegen, so die Argumentation im Rathaus.

Nun wird’s kompliziert. Denn im Rathaus hat man insofern Recht, als die offiziellen Messungen tatsächlich auf Regierungsbezirksebene laufen. Die LÜB-Stelle an der Löwenbrücke soll für ganz Oberfranken die Schadstoffbelastung des „städtischen Raums“ repräsentieren. Die Belastung „verkehrsnaher Raum“ hingegen wird in Bayreuth am Hohenzollernring gemessen und soll ebenfalls für ganz Oberfranken aussagekräftig sein. Und sie ist niedriger als in Bamberg an der Unteren Königstraße. Erst wenn in Bayreuth der Grenzwert überschritten wäre, müsste die Regierung Oberfranken handeln.

„Wie soll eine verkehrsnahe Messung in Bayreuth verwertbare Aussagen über Bamberg liefern?“, fragt die Grünen-Landtagsabgeordnete Ursula Sowa. „Auch wenn die Messungen formal gesetzeskonform sind, ist das doch Humbug, wenn man ganz konkret nachweist, dass es in Bamberg an einer Stelle Grenzwertüberschreitungen gibt.“

Von Seiten der Deutschen Umwelthilfe, die von den Bamberger Grünen dazu befragt wurde, kommt Zustimmung: Die untätige Haltung der Stadt bezeichnet man bei der DUH als „ganz klar rechtswidrig“. Begründung: „Wenn man Grenzwertüberschreitungen festgestellt hat, muss man auch alles unternehmen, um diese Grenzwerte schnellstmöglich einzuhalten – an jeder einzelnen Stelle“, so zitiert Jonas Glüsenkamp aus einem Mailverkehr mit einem Experten der DUH. Auch dass weiterhin der „verkehrsnahe Raum“ oberfrankenweit allein durch die Messstelle in Bayreuth repräsentiert werden soll, zweifelt der Experte an, denn höhere Messwerte in Bamberg seien ja nun nachgewiesen. Er schlägt deshalb ein zusätzliche LÜB-Messstelle an der Unteren Königstraße in Bamberg vor.

Mit dieser Sachlage hatte sich Ursula Sowa als Landtagsabgeordnete deshalb auch ans bayerische Umweltministerium gewandt. Von dort kam daraufhin die Antwort: „Informationen über Grenzwertüberschreitungen an der Unteren Königstraße liegen den staatlichen Behörden bisher nicht vor (…)“, man wolle sich nun kundig machen.

„Das heißt, die Stadt Bamberg macht ein Jahr Messungen, stellt Grenzwertüberschreitungen fest und gibt diese Ergebnisse nicht mal an übergeordnete Behörden weiter?“ fragt der grüne OB-Kandidat Jonas Glüsenkamp ungläubig. Er sieht offensichtlichen Handlungsbedarf für Bamberg. „Zumal auch das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshof von Juni 2019 einen Rechtsanspruch aller Bürger*innen feststellt, wonach die höchsten Schadstoffwerte zu erfassen sind und darauf dann weiteres politisches Handeln basieren muss.“

Glüsenkamp und Sowa: „Aber unabhängig davon, ob nun auf Bezirksebene Messstellen versetzt oder ergänzt werden, die Stadt Bamberg muss sich um die Gesundheit ihrer Bürger*innen sorgen und darf nicht immer den Schwarzen Peter woanders hin schieben.“ Die Grünen wollen, dass Stadtrat und Oberbürgermeister Initiative zeigen: „Bamberg braucht einen Luftreinhalteplan und Maßnahmen, um die Schadstoffwerte zu senken. Die Stadt muss sich umgehend an die zuständige Regierung von Oberfranken wenden, so dass ein solcher Luftreinhalteplan erstellt wird.“ Und überdies könne die Stadt auch in Eigenregie Maßnahmen in Richtung Verkehrswende ergreifen und so die Schadstoffe verringern.

Ein Gedanke zu „Stadt behält Grenzwertüberschreitungen bei Luftschadstoffen lieber für sich

  1. Da liegt der Hase im Pfeffer: Die Rechtsprechung des EuGH ist verbindlich, wonach ortsnah an den Belastungspunkten gemessen werden muß. Die Ausreden der Behörden, ob Stadt, Bezirk oder Land, verstoßen klar und eindeutig gegen geltendes Recht.

    Überdies sind Grenzwerte mitnichten ein Garant für die Unbedenklichkeit niedrigerer Schadstoffwerte. Sie stellen vielmehr die letzte Schwelle dar, ab der Handeln unausweichlich ist. Gesundheitliche Schäden und Beeinträchtigungen treten bereits bei geringerer Belastung ein. Vorsorgendes Handeln sorgte somit für eine weitestmögliche Senkung der Werte.

    Dabei kann nicht das Herumdoktern an Symptomen der Weisheit letzter Schluß sein. Für den Verkehr bedeutet das, die Wende ist endlich einzuleiten – hin zu einer Siedlungs- und Planungspolitik, die kurze Wege anstrebt, hin zu einer Mobilität, bei der nicht das ressourcenverschwendende, unfall- und schadstoffträchtige individuelle Kraftfahrzeug DAS Massenverkehrsmittel darstellt und als Statussymbol hochgehalten wird.

    Zwangsmaßnahmen können nur im Extremfall ein Dauermittel sein. Vielmehr muß das Verhalten vorrangig durch Imagebildung, Mobilitätserziehung und attraktive Bedingungen für menschen-, stadt- und umweltverträgliche Bewegung beeinflußt werden.

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