Fahrradstadt Bamberg?

Wolfgang Bönig

Soll ich nun in einem heftigen Anflug von Galgenhumor lauthals lachen? Oder wäre es angebrachter, mit einem Blick auf die Realität hemmungslos zu weinen? Die Selbstdarstellung der selbsternannten Fahrradstadt Bamberg hinsichtlich ihrer angeblich radfreundlichen Verkehrspolitik läßt von der täglich erlebbaren Wirklichkeit praktisch nichts erkennen:

https://agfk-bayern.de/mitglieder/bamberg/

Nur einige Beispiele mögen dies illustrieren:

Von einem systematischen Ausbau des Radverkehrsnetzes kann keine Rede sein. Und nahezu alle – einschließlich neuer – Anlagen für (?) den fließenden Radverkehr sind – neben einer Vielzahl weiterer Mängel – nicht nur untermaßig, sondern weisen keine bzw. allenfalls unzulängliche seitliche Sicherheitsräume zu benachbarten Verkehrsräumen (Gehweg, Parkstreifen, Fahrbahn) auf:

https://www.infranken.de/regional/bamberg/radfahrer-in-bamberg-bekommen-zwei-meter-breiten-fahrstreifen;art212,4213860

Sie lassen überdeutlich erkennen, was ihr eigentlicher Zweck ist: Abdrängen der Radler in den Seitenraum, selbst unter Inkaufnahme hoher Gefährdung, um dem motorisierten Individualverkehr freie Bahn zu schaffen. Erst kürzlich haben Studien der deutschen Unfallversicherer belegt: Ist eine Fahrradspur (Radweg, Radfahrstreifen, sogenannter „Schutzstreifen“, Seitenstreifen mit Fahrradpiktogrammen) ausgewiesen oder markiert, mit oder ohne Benutzungspflicht, hält ein großer Teil überholender / vorbeifahrender Kraftfahrer keinen ausreichenden Seitenabstand mehr ein:

https://udv.de/de/publikationen/unfallforschung-kommunal/sicherheit-und-nutzbarkeit-markierter-radverkehrsfuehrungen

Auch auf der Friedrichstraße ist kein seitlicher Sicherheitsraum vorgesehen, obgleich die Verwaltungsvorschrift zur StVO ihn für Straßen mit starkem Kfz-Aufkommen ausdrücklich vorsieht.

(Geh- und) Radwegparken wird großzügig geduldet, Müll- und Wertstofftonnen stehen spätestens nach (!) der Leerung auf den Radwegen, die Stadtwerke sehen trotz großer zeitlicher Angebotslücken und dank weitgehend radial ausgerichteten Busnetzes ohne Querverbindungen schlechter Erschließung keinen Bedarf für Fahrradabstellanlagen an den Haltepunkten. Die Radmitnahme im Bus wird nicht nur nicht gefördert. Etliche Busfahrer schikanieren Fahrgäste, die ihr Fahrrad mitnehmen wollen, sogar bei weitgehend leerem Bus geradezu. Die Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen.

Das miserable, seit Jahren stetig schlechter werdende Ergebnis des ADFC-Fahrradklimatests für Bamberg kommt nicht von ungefähr:

https://object-manager.com/om_map_fahrrad_if_2018/data/2018/Bamberg.pdf

Die Note 3,9, also ein beinahe glattes „Ausreichend“, stellt für eine „Fahrradstadt“ ein ausgesprochenes Armutszeugnis dar. Die Menschen fahren in Bamberg nicht wegen, sondern trotz der kommunalen Verkehrspolitik Fahrrad. Die Gründe sind nachvollziehbar:

  • Alt- und Innenstadt sind auf Grund der historischen Bausubstanz nicht autogerecht ausbaubar, wenngleich es in früheren Jahren entsprechende Pläne gegeben hatte. Mehr Autos als derzeit passen nicht hinein.
  • Bamberg erreicht in seiner größten Ausdehnung keine 12 Kilometer.
  • Der hohe Anteil Studierender an der Wohnbevölkerung spielt eine große Rolle.
  • Die menschen-, stadt- und umweltverträglichen Alternativen, Gehen und öffentlicher Personenverkehr, weisen gleichfalls eine sehr unattraktive Qualität auf.

Auch der große Zuspruch, den der Bamberger Radentscheid trotz einiger unfallträchtiger und ökologisch nicht zu Ende gedachter Forderungen erfahren hatte, beweist in aller Deutlichkeit: Die Menschen wollen eine andere Politik, die nicht mehr wie bisher den motorisierten Individualverkehr zum Maß aller Dinge erhebt. Die derzeitigen Verhältnisse sind in ihren Augen alles andere als fahrradgerecht. Eine vergleichbare Initiative zu Gunsten besserer Bedingungen für fußläufige Mobilität und kundenfreundlichen ÖPNV erbrächte sicher ein ähnliches Ergebnis.

Die Schönfärberei, welche die Stadt Bamberg in ihrer Schilderung der Verhältnisse betreibt, läßt vermuten: In der Sache soll sich nichts ändern, es bleibt beim „Weiter so!“ Die Erfahrungen, seinerzeit nach der reinen PR-Aktion „Kopf an! Motor aus!“ und jetzt nach Übernahme der meisten Radentscheidforderungen – der Ratsbeschluß hatte offensichtlich allein den Zweck, den Bürgerentscheid zu verhindern, nicht aber, sinngebende Taten folgen zu lassen –, wecken keine Hoffnung auf Besserung.

4 Gedanken zu „Fahrradstadt Bamberg?

  1. Dieses ganze grüne Gedudel kann man nicht mehr hören, nur noch Aktionismus überall.

    Sie fordern noch breitere Fahrradspuren, wohlwissend das es niemals funktionieren kann, wenn keine ordentliche Verkehrsschulung für die Fahrradfahrer erfolgt.
    „Autos weg und Räder her und mit THC im Kopf radeln sie umher“!

    Das selbe in grün, beim Umweltschutz. Da werden „vorsichtshalber“ schon die wenigen Bäume in der Stadt abgeholzt, weil die angeblich wegen Klimawandel verdorrt sind.
    Ja wie wäre es denn mit etwas Wasser? Ach, das geht uns ja auch schon aus, bis vermutlich die Privatisierung selbigen geschafft ist!

    Menschenskind, der Wahnsinn greift rasant um sich, bei unseren Umweltschützern und pseudo Weltenrettern. Hauptsache aber ihr ganz bestimmtes Hanfpflänzchen gedeiht ihnen noch!

    • Versuchen Sie es doch mal mit a weng THC, könnte was bringen, wobei ich eher konservativ zu Mirtazapin raten würde. Und wenn Sie sich so aufregen würde ich mir dringend mehr Bewegung verschaffen und Zugang zu einem Stressbewältigungstraining sowie Entspannungsübungen, sonst ist die Apoplexia cerebri nimmer fern und dann ist eh Schluss mit Autofahren. Also rauf auf’s Rad, sonst ist man früher in der Kiste oder in der Klapse. ;-)

      • Auch ich fahre Rad, mein Guter, nur muss ich das nicht in der Stadt tun., da gehe ich zu Fuß oder nehme den Bus. Auch meide ich die Straßen der Autos und fahre in schöner Natur ganz ohne Kfz Verkehr!

  2. Sie haben vollkommen recht, in allem. Auch dass der sog. Radentscheid unausgegoren ist. Z.B. jüngst habe ich wieder eine zwölf Mann starke Radlergruppe beim Linksabbiegen nach „den neuen Regeln“ an der Ottokirche beobachten können. War spannend, hätten die nicht noch den Gehweg blockiert, wären entweder die Radler oder der sonstige Verkehr zum Erliegen gekommen. Wer so etwas plan und umsetzt, muss entweder ahnungslos oder bekifft sein. Man hat es geschafft, einen der unproblematischsten Vorgänge im Radverkehr brandgefährlich zu machen.

    Was aber ist die Lösung? Außer Sperrung der Innenstadt für den motorisierten Individualverkehr sehe ich wenig, das die notorisch klamme Stadt aus dem Stand machen kann.
    Man sollte den ÖPNV mittels dezentralisierter Umsteigemöglichkeiten und günstiger Tarifstruktur attraktiver machen, aber ob das bei der aktuellen Finanzlage und unter dem Zeichen des VGN gelingt, das ist zu bezweifeln. Vielleicht geht ja ein hochperformantes P&R-Konzept. Um die „Spinnerei“ über eine Seilbahn zu konkretisieren, ein Großparkplatz im Westen wäre über eine Kaulbergseilbahn elegant an die Innenstadt anzubinden.
    Auch „Vaporetti“ von einem Hafenparkplatz in die Innenstadt würden sowohl Touristenbusse als auch individuelles Innenstadtparken weitgehend obsolet machen. Den Fluss als Verkehrsader zu nutzen, wäre höchste Zeit. Eine eher touristische Linie zum Leinritt via Gaustadt und eine performantere Linie über Ketten- und Marienbrücke bis zum Hain. Die Schiffe kann man ja, je nach Gusto, mit Strom oder Gas betreiben.
    Die gewaltigen Radverkehrsanlagen niederländischer Großstädte sind im kleinen, engen Bamberg nicht indiziert weder vom Raum noch vom Geld her.

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