Ein fulminantes Stipendiatenkonzert

Monika Beer

Der Spiegelsaal der Harmonie war beim Stipendiatenkonzert bis auf den letzten Platz besetzt. Foto: Erich Weiß

Von wegen »Wagnerverbandskonzert ohne Wagner«! Der Kontrabassist Justus Böhm und seine probaten Mitstreiter Dominik Schramm (Gitarre) und Harald Schneider (Klavier) spielten zwar beim diesjährigen Stipendiatenkonzert keine Note aus dem kompositorischen Schaffen des »Meisters«, aus Bayreuth. Aber der junge Musiker, der im nächsten Sommer auf Kosten unseres Verbands zu fünf ereignisreichen Festspieltagen fahren darf, baute Richard Wagner gekonnt und gewitzt in seine souveränen Ansagen ein. Und sang als Erstes jene vielsagend-magische Phrase der Rheintochter Woglinde »Nur wer der Minne Macht versagt« aus dem »Rheingold«, die verblüffender Weise fast identisch ist mit dem Beginn des Largos der Sonate in g-Moll des Barockkomponisten Henry Eccles, mit dessen Stück das abwechslungsreiche Programm begann. In den unkonventionell, in sanftem Bogen zu den Fenstern ausgerichteten Stuhlreihen blieb übrigens kein einziger Platz frei. Wer erst kurz vor Konzertbeginn kam, konnte sich nur noch aufs Podium setzen, fast 200 Besucher erlebten dann ein Konzert, in dem Justus Böhm die vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten und -techniken seines Instruments beeindruckend vorführte. Das Publikum, darunter Bürgermeister Wolfgang Metzner als Vertreter von Schirmherrn Oberbürgermeister Andreas Starke und Stadträtin Annerose Ackermann, war begeistert. Man darf gespannt sein, wie der 24-jährige Mozarteum-Bachelor sich weiter entwickelt.

Wagnerverbandsvorsitzende Dr. Jasenka Roth und die drei ausführenden Künstler Harald Schneider (Klavier), Justus Böhm (Kontrabass) und Dominik Schramm (Gitarre). Foto: Erich Weiß

Die drei Künstler mit Marlene Lou Kleinerüschkamp, unserer diesjährigen Bayreuth-Stipendiatin. Foto: Erich Weiß

Um die Ansprachen kurz zu halten, hat unsere Vorsitzende Dr. Jasenka Roth auf die im Vorfeld eingeholten persönlichen Anekdoten der drei Künstler verzichtet, die hiermit gerne nachgereicht seien.

Justus Böhm am Kontrabass Foto: Erich Weiß

Anekdote 1: Justus Böhm und sein verirrter Bogen

Bei der Generalprobe für ein Orchesterkonzert war ich früh dran, hab meine Sachen ausgepackt und mich dann erst einmal länger mit anderen Orchestermitgliedern unterhalten. Wir waren zwei Bassisten. Als ich zurück zum Pult kam – der andere Bassist war schon kräftig am Fiddeln – und meinen Bass in die Hand nahm, musste ich feststellen, dass ich offenbar vergessen hatte, meinen Bogen auszupacken. Doch im Bogenetui befand sich kein Bogen mehr. Inzwischen hatte das Orchester schon mit dem Stimmen angefangen, während ich auf der Suche nach dem Bogen durch den Raum irrte. Kurz bevor ich dem Organisator sagen wollte, dass ich meinen Bogen vergessen hatte, fiel dem anderen Bassisten schließlich auf, dass er die ganze Zeit mit meinem Bogen gespielt hatte.

Dominik Schramm und seine Gitarre Foto: Erich Weiß

Anekdote 2: Dominik Schramms Ode an die Fingernägel

Es gibt wohl bei fast allen Musikern, die ein Instrument intensiv studieren, mindestens ein Merkmal, das bei genauerer Betrachtung einen recht präzisen Schluss über dessen Instrument oder wenigstens Instrumentengruppe zulässt. Recht unauffällige Beispiele wären zum Beispiel die leicht angeschrägte Hornhaut der Harfenisten, oder die zusätzlichen Hautschichten zwischen den Fingern bei Mallet-Spielern, die dort entsteht, wo die Klöppel gehalten werden. Etwas auffälliger sind dann etwa der Bratscher- oder Geigerfleck am linken Unterkiefer, oder die sogenannten »Froschfinger« bei Kontrabassisten beziehungsweise ebenfalls die Belastungsspuren an der Seite des linken Daumens. Das mit am Abstand am meisten Zeit und Nerven in Anspruch nehmende dieser Merkmale sind aber sicherlich die Fingernägel der Gitarristen. Kaum ein Körperteil verlangt so viel Pflege und Aufmerksamkeit wie die hörnernen Kleinodien an der rechten Hand eines jeden Gitarrenspielers. Tägliche Pflege durch Feilen, auftragen von Nagelhärtern und immerwährende Vorsicht beim Anfassen von Dingen mit rauen Oberflächen, beim Entknoten von Schuhen, bei reflexartigen Bewegungen, bei allem, wo man mit Erde in Kontakt kommen könnte, beim Abspülen, beim Sport usw. Die Liste könnte wohl annähernd endlos fortgesetzt werden. Durchaus ein hoher Preis für die Fähigkeit, eine Gitarrensaite korrekt anzupfen (und sich außerdem in sehr effizienter Weise hinterm Ohr kratzen) zu können. Außerdem fällt es auf, wie viele Leute einen darauf ansprechen, oder einfach nur geistesabwesend auf meine rechte Hand schauen. Die obligatorische Frage »Warum hast du so lange Fingernägel?« kann nervig sein, aber auch durchaus erheitern, wenn man sie zum Beispiel mit »Ich kann die Nagelschere nur mit rechts halten« beantwortet, oder »Das ist Teil eines neuen Selbstverteidigungskurses«. Das eigentliche Problem ist aber nun, dass man sehr abhängig vom Wohlbefinden der Nägel wird. Bricht einer ab, ist der Finger fürs Spielen solange nutzlos, bis man entweder alle anderen Nägel kürzt, oder der betroffene Nagel wieder nachwächst. In Erinnerung blieb mir diesbezüglich ein Preisträgerkonzert von »Jugend musiziert«, dass ich in meinen frühen Jugendjahren mit meinem guten Freund und Duopartner Malte gespielt hatte im schönen Weinbrennersaal in Baden Baden. Vermutlich das Vorspiel vor den meisten Leuten bis dato, einige hundert Stühle bei Kronleuchterschein. Wenige Stunden davor war mir allerdings der Nagel meines Zeigefingers abgerissen; in der Not wurde dieser dann kurzerhand mit Sekundenkleber wieder drangebastelt. Hinter der Bühne, wenige Minuten vor dem Auftritt, riss er ein zweites Mal und musste erneut fixiert werden. Auf der Bühne hielt er für das erste Stück und verabschiedete sich dann erneut, was sich im Klangbild in einem unschönen bling-krrk-bling-krrk manifestierte. Diesen Moment werde ich wohl nie vergessen, mit improvisierten Fingersätzen und viel gutem Willen spielten wir den Vortrag dennoch tapfer zu Ende; die meisten Konzertbesucher hatten die Tortur vermutlich nicht bemerkt.

Harald Schneider ist ein versierter Begleiter am Flügel. Kontrabass spielt er übrigens auch. Foto: Erich Weiß

Anekdote 3: Wie Harald Schneider zum Wagnerverband kam

Harald Schneider ist nicht nur ein versierter Musiker und Pädagoge, sondern auch ein Rätselfreund. Und ist auf diesem Umweg zum Wagnerverband gekommen. Im Wagner-Jubiläumsjahr 2013 stellte Monika Beer, damals noch FT-Redakteurin, einen Wagner-Blog ins Netz, den H. S. aufmerksam verfolgte. Jeden Monat gab es in »Mein Wagner-Jahr« auf infranken.de, der Internetplattform der Mediengruppe Oberfranken, eine Wissenswette mit Fragen zum Thema, bei der es Bücher und andere Sachpreise zu gewinnen gab. H. S. gewann unter verschiedenen Absenderadressen gleich mehrfach und obendrein als Hauptpreis den gemeinsamen Besuch der Premiere einer Wagneroper nach Wahl mit der Bloggerin (und stellvertretenden Vorsitzenden des Wagnerverbands Bamberg). Es wurde die »Walküre« in Nürnberg, und H. S. wurde sofort als Mitglied geworben. Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.