Mobilitätsumfrage 2015: Fahrrad und Nahmobilität statt Auto

Mitteilung der Stadt Bamberg

Ergebnisse zum Verkehrsverhalten der Bamberger Bevölkerung

„Bamberg ist die Fahrradstadt Süddeutschlands“ – so das Ergebnis der Mobilitätsbefragung 2015 aus Sicht des beauftragten Ingenieurbüros Helmert (Aachen). Die repräsentative Studie zum „werktäglichen Verkehrsverhalten der Bevölkerung in Bamberg“ zeigt: 30 Prozent aller Wege werden mit dem Rad zurückgelegt.

Eine Bewertung, die bei der Vorstellung im Umwelt- und Verkehrssenat (9.3.2016) überraschte aber gerne zur Kenntnis genommen wurde. Dabei sind die gewonnenen Informationen für künftige verkehrspolitische Entscheidungen von großem Interesse. Projektleiterin Kathrin Henninger: „1.093 Haushalte haben ihr persönliches Verkehrsverhalten dokumentiert. So konnten „Wegeinformationen“ von mehr als 2.220 Personen gewonnen werden.“ Und bemerkenswerte Zahlen: Pro Bürgerin und Bürger 3,6 Wege pro Tag bzw. hochgerechnet auf die Gesamteinwohnerzahl rund 291.500 Wege. Davon 82 Prozent innerhalb der Stadtgrenzen. Im Schnitt sind die Bamberger so täglich etwa eine Stunde für ca. 27 Kilometer unterwegs.

Die zurückgelegten Wege bzw. der Verkehrszweck oder das Ziel standen im Mittelpunkt des Interesses der Planer. Mit welchem Verkehrsmittel geht es zur Arbeit und Ausbildung, zum Einkauf, zu Besorgungen oder Freizeitaktivitäten? Welcher Zeitaufwand ist für die Mobilität erforderlich? Bei der Verkehrsmittelwahl, dem „Modal Split“, sind insgesamt 40 Prozent mit dem Auto („Motorisierter Individualverkehr“) unterwegs. Danach folgt das Fahrrad mit einem Anteil von 30 Prozent. 20 Prozent der Wege werden zu Fuß zurückgelegt, Öffentliche Verkehrsmittel nutzen 10 Prozent. Damit setzen rund 60 Prozent auf umweltfreundliche Verkehrsmittel („Umweltverbund“) bei ihren alltäglichen Verkehrswegen. Besonders erfreulich: Die Zahlen zeigen für Bamberg mit 50 Prozent einen hohen Wert für die Nahmobilität per Rad oder zu Fuß.

INFO: Verkehrsmittelwahl 

Ergebnisse von drei Haushaltsbefragungen zum Verkehrsverhalten:

Jahr Kfz ÖPNV Rad Fuß
2015 40 10 30 20
2005 44 12 22 22
1997 43 13 20 24

Fahrradstadt Bamberg

Bamberg ist der Studie zufolge mit Recht eine Fahrradstadt. Im Vergleich zu den vorherigen Haushaltsbefragungen von 1997 und 2005 hat sich der Radverkehrsanteil am Gesamtverkehr stetig erhöht. Bereits 1997 hatte Bamberg mit 20 Prozent Radverkehrsanteil einen im Städtevergleich überdurchschnittlich hohen Radverkehrsanteil. Dieser konnte von 22 Prozent (2005) auf heute 30 Prozent gesteigert werden. Das spricht für die Fahrradfreundlichkeit der Stadt Bamberg – und gegen anderslautende Studien und Meinungsumfragen. Damit ist Bamberg seit Jahren eine der fahrradfreundlichsten Städte in Bayern. Mit durchaus günstigen Rahmenbedingungen für Radler: Die Größe des Stadtgebiets entspricht einer optimalen Radfahrdistanz und die Topographie ist größtenteils radlerfreundlich. Weitere Pluspunkte: eine hohe Bewohnerdichte in der Innenstadt mit einem hohen Anteil an Studierenden sowie die mittelalterliche Stadtstruktur, die Radfahrern im Vergleich zum Auto viele Vorteile bietet.

Vorrangiges Ziel der städtischen Verkehrspolitik ist – so der Stadtentwicklungssenat vom November 2008 – die Förderung des Radverkehrs. Fast jeder dritte Weg wird mit dem Fahrrad zurückgelegt, bei einer Entfernung von 4 bis 5 Kilometer wird das Rad noch von 21 Prozent der Bamberger genutzt. Innerhalb der Entfernungsklassen zwischen 1 und 2 Kilometer sowie 2 bis 3 Kilometer werden nahezu die Hälfte aller Wege (46  bzw. 43 Prozent) mit dem Rad zurückgelegt. Der nächste Schritt der städtischen Verkehrsplaner: Die Welterbestadt strebt die Mitgliedschaft und den offiziellen Titel „Fahrradfreundliche Kommune in Bayern“ an.


 

Dazu ein Kommentar von Peter Gack (GAL)

Bambergs Radler*innen sind der Politik weit voraus

Geradezu unbeachtet von der Politik erobern Menschen per Fahrrad, zu Fuß oder mit dem Bus den Bamberger Verkehr. Die autozentrierten Verkehrspolitiker*innen im Stadtrat sollten endlich umdenken!

Kommentar

Ein Grund zu wahrer Freude: Immer mehr Bamberger*innen verhalten sich bei der Wahl der Verkehrsmittel umweltfreundlich. Die aktuell vorgelegte repräsentative Mobilitätsstudie ergab, dass 60 % der in Bamberg Wohnenden bei ihren Wegen die Verkehrsmittel des Umweltverbunds nutzen. Im Binnenverkehr, d.h. also bei Wegen innerhalb des Stadtgebiets, sind es sogar fast 70%.

Dieses Ergebnis sollten sich alle im Stadtrat genau ansehen und bei ihren politischen Entscheidungen beherzigen, etwa wenn es um Geld für Radverkehr geht, den Ausbau des ÖPNV oder um eine der grotesk-hitzigen Diskussionen anlässlich der Auflösung eines einzelnen Kfz-Stellplatzes zugunsten neuer Fahrradabstellplätze.

Der Fahrradanteil liegt bei 30% (im Binnenverkehr sogar bei 35%). Das hat mich selbst positiv überrascht, geschieht es doch bisher ohne relevantes politisches Hinzutun. Was wäre da also noch alles drin!
Deshalb sollte man sich gar nicht erst mit dem bescheidenen Ziel begnügen – wie die Stadt in ihrer aktuellen Pressemitteilung, Bamberg zur „Fahrradstadt Süddeutschlands“ zu machen. Bamberg hat das Potenzial, die Fahrradhauptstadt Europas zu werden!

Wir müssen nur auch etwas Handfestes dafür tun, den Radverkehr zu fördern!

Dass genügend Potenzial zum Umstieg auf Fahrrad und Zufußgehen besteht, zeigen die vorliegenden Zahlen: Immerhin liegen auch jetzt noch 35 % der Wege, die mit dem Auto zurückgelegt werden, zwischen 0 und 3 km (Abb 3-31, Seite 43).

Und auch das gibt zu denken: Wenn man die tageszeitlichen Peaks der Autonutzung (Abb. 3-28, Seite 40) und die Peaks der Verkehrszwecke (Abb 3-57, Seite 64) miteinander vergleicht, so lässt sich erkennen, dass anscheinend das Auto am Nachmittag (zwischen 15 und 19 Uhr) sehr stark für Freizeit, Besuche und Bringen und Holen genutzt wird. Klassisches Potenzial fürs Umsteigen also – wenn es denn entsprechende Angebote gibt …

Allerdings: Die Verkehrsmittelwahl der Bamberger*innen ist nur ein Teil dessen, was in Bamberg an Mobilität stattfindet. Ein großer Teil wird durch Einpendler*innen aus dem Landkreis verursacht, und da ist leider immer noch das Auto das meistgenutzte Verkehrsmittel. Hier gilt es zusammen mit dem Landkreis noch viel mehr zu tun, um die Bürger*innen Bambergs vor Abgasen, Lärm und Feinstaub zu schützen.

2 Gedanken zu „Mobilitätsumfrage 2015: Fahrrad und Nahmobilität statt Auto

  1. Bevor der Jubel allzu sehr überhand nimmt, wäre ein nüchterner Blick auf die Zahlen angeraten. Der relativiert die rosarot gefärbte Sicht, die allzu einseitig die positive Entwicklung des Fahrradanteils am Verkehrsaufkommen im Blick hat.

    Zugegeben, seit 1998 hat der Radverkehrsanteil um 50 % zugenommen (um 36 % allein in den letzten zehn Jahren: https://www.stadt.bamberg.de/index.phtml?object=tx%7c1829.52&ModID=255&FID=1829.10272.1&&sNavID=1829.3&mNavID=1829.376&La=1&). Doch der Autoverkehr nahm währenddessen gerade einmal um 7 % ab.

    Ohnehin auf niedrigem Niveau vegetierend, sank im selben Zeitraum der Anteil des öffentlichen Verkehrs um ein knappes Viertel, der des etwa doppelt so starken fußläufigen um ein Sechstel. Das Fahrrad kannibalisiert vornehmlich seine potentiellen Partner im Umweltverbund, trägt aber nur wenig zur Verkehrswende bei.

    Selbstverständlich ist dies nicht dem Fahrrad anzulasten. Vielmehr ist die Ursache in den schon lange bekannten Mängeln des Busangebotes (Zwangsumstieg am ZOB, fehlende Abstimmung verschiedener Fahrplantakte, ausschließlich radiale, allein auf die Innenstadt ausgerichtete Erschließung, große räumliche und zeitliche Bedienungslücken, …) sowie in den teils unsäglichen Bedingungen für Fußgänger (Radwegführung auf Kosten der Gehwege, großzügig geduldetes und angeordnetes Gehwegparken, fehlende sichere Querungshilfen über lange Straßenabschnitte, elend lange Rotphasen, miserable Aufenthaltsqualität, …) zu suchen.

    Eine Lösung der verkehrlich bedingten Probleme kann nur gelingen, wenn Gehen, Radfahren, Bahn und Bus in aufeinander und auf ihre jeweiligen Bedürfnisse abgestimmten Konzepten entwickelt werden. Parallel zu der dadurch bewirkten Verhaltensänderung kann und muß die Infrastruktur des Kfz-Verkehrs zurückgenommen werden (push and pull). Ein hoher Fahrradanteil allein belegt längst keine fahrradfreundliche, geschweige menschen-, stadt- und umweltgerechte Politik.

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